Kein Gegenstand ist klein genug, um nicht eine Unzahl an juristischen Problemen und Kontroversen an ihm aufzuhängen. Zu den langjährigen Spitzenreitern im Verhältnis von Größe und Problem zählt das gemeine Streichholz.
Das einfache Streichholz, in amtlicher Sprache "Zündholz", war Gegenstand erregter parlamentarischer Debatten und Rechtsstreitigkeiten bis zur Frage der Loswahl.
Ein erster Blick ins Gesetzblatt erhöht die Rechtskenntnis zum Streichholzwesen: Durch das Zündwarensteuergesetz vom 9. Juli 1923 unterwarf der Gesetzgeber einige Gegenstände der Besteuerung.
§ 1 Abs. 2 Zündwarensteuergesetz (1923) nennt neben den Zündhölzern auch "Zündpfännchen" und "Zündstäbchen aus Strohhalmen, Pappe oder sonstigen Stoffen" sowie "Zündkerzen aus Stearin, Wachs oder ähnlichen Stoffen".
Dass man bei "Zündkerzen" hier nicht ans Kraftfahrzeug denken darf, versteht sich von selbst. Auch wird klar, dass nicht allein die Flamme von Interesse war, mit der Raucher ihren Tabak in Brand setzen.
Vielmehr sah man in einer Welt, in der Wohnungen mit Holz, Kohle und Gas beheizt wurden und vor allem in der Küche die offene Flamme zur Zubereitung der Nahrung gebraucht wurde, in der Bequemlichkeit des Streichholzes eine gar nicht kleine soziale Frage aufscheinen – darauf kommen wir gleich zu sprechen.
Zur Abführung der Steuer verpflichtet war nach § 3 Zündwarensteuergesetz (1923) der inländische Hersteller, sobald er die Zündwaren an seinen ersten Abnehmer käuflich abgab. Wer Zündwaren importierte, zahlte bei der Einfuhr nach zollrechtlichen Usancen.
Die Zündwarensteuer belief sich nach § 4 Zündwarensteuergesetz (1923) auf 20 Prozent des Steuerwerts, also des unbereinigten Betrags, zu der Hersteller oder Importeure die Ware an ihren ersten Käufer abgaben. War der Hersteller oder Importeur über die damals weit verbreiteten Kartelle auch an Erlösen aus dem Weiterverkauf von Streichholz & Co. beteiligt, konnte die Steuerverwaltung dies bei der Festlegung des Steuerwerts zu seinen Lasten berücksichtigen.
Soziale Frage: Feuer machen
Mit wie viel Arbeit es verbunden war, meist ohne ausgetüftelte technische Hilfsmittel in einem Haushalt mit offenem Feuer zu heizen, heißes Wasser für Körper und Kleidung zuzubereiten oder die Küche zu betreiben und dabei die notwendige erste Flamme zu entzünden, kann sich jeder mit etwas Anspannung seiner Vorstellungskraft selbst ausmalen – oder es in ein paar Folgen "Downtown Abbey" nachschauen, also in dieser Fernsehserie, die nicht zuletzt davon handelt, wie übertrieben gut aussehende britische Adlige ihr Gesinde damit beschäftigen, ein palastartiges Gebäude einigermaßen warm zu halten.
Weil das Feuermachen und das Unterhalten der Flamme für Wärme und Licht entweder mit viel Arbeit oder dem Verbrauch von teuren Brennstoffen verbunden war, die sich durchschnittlich arme Leute nicht unbedingt leisten konnten, waren die Kosten für Streichhölzer und ähnlich nützliche Hilfsmittel eine soziale Frage.
An ihr schieden sich sogar die Geschlechter. Das Herdfeuer, mit Mühsal verbunden, war eher Sache der Frauen. Sich den Luxus zu gönnen, eine Zigarre oder Zigarette zu entzünden, war Männersache. Auch deshalb machen feinsinnige Feministinnen bis heute gelegentlich einigen Wirbel um die Frage, wer bei der Zigarette wem die Flamme anbieten darf.
Wer glaubt, es handle sich um eine völlig überzogene Idee, am Preis fürs Streichholz hätten sich soziale Fragen dieses Kalibers entsponnen, wird sich vielleicht durch einen Blick in den Stenographischen Bericht aus dem Reichstag zu Berlin überzeugen lassen.
Dort ergriff am 6. Juli 1909 der SPD-Abgeordnete Paul Singer (1844–1911) das Wort zu einer Geschäftsordnungsdebatte, in der er gegen eine übereilte und wenig ausgewogene parlamentarische Auseinandersetzung zu steuerrechtlichen Sachverhalten sprach.
Zündwarensteuer im Eiltempo durchs Parlament?
Der Mehrheit warf Singer vor, Anträge von der Tagesordnung herunternehmen zu wollen, "weil die Herren der Regierung noch nicht einig sind, in welcher Weise dem Volke die Haut über den Kopf gezogen werden soll". Nur wenn es sich um die Anliegen der Regierung handle, könne die Beratung gar nicht schnell genug vonstattengehen, es entstehe der Eindruck der Rosstäuscherei, dem Parlament werde "immer noch mehr der Stempel einer Schacherbude" aufgedrückt.
Für seinen Geschäftsordnungsantrag, auch die Behandlung der Zündwarensteuer von der Tagesordnung abzusetzen, erhielt Singer keine Mehrheit – aber einen Ordnungsruf für das Wort von der "Schacherbude".
Als der Reichstagsabgeordnete und langjährige Berliner Kommunalpolitiker Paul Singer anderthalb Jahre später verstarb, nahmen mehrere hunderttausend Menschen am Trauerzug teil – diese Ehre galt natürlich nicht spezifisch der Widerrede zur Zündmittelsteuer, sondern dem politischen und sozialen Engagement, namentlich für die Obdachlosen der Stadt Berlin.
Eine Kleinigkeit war die erste Zündwarensteuer, die im Jahr 1909 den Weg ins Reichsgesetzblatt fand, jedoch keineswegs: Für eine Schachtel mit bis zu 30 Streichhölzern waren nach dem Zündwarensteuergesetz (1909) 1 Pfennig und für Schachteln von 30 bis 60 Stück anderthalb Pfennige zu zahlen, bei größeren Mengen anteilig mehr.
Aus heutiger Sicht mögen das lachhafte Beträge sein. Doch erhöhte die Steuer zunächst den Preis pro amtlich normierter Schachtel auf mehr als das Doppelte des Warenwerts. Weiter ist zu bedenken, dass in der längst noch nicht elektrifizierten Gesellschaft die offene Flamme vom Küchenherd bis zur Beleuchtung mit Petroleumlampe durch das Streichholz leichter und sicherer zu haben und der Verbrauch entsprechend hoch war – und selbst ein Facharbeiter verdiente vielleicht 1.000 Mark im Jahr, einfache Arbeiter mussten mit erheblich weniger Geld auskommen.
Diskussion um Zündwarenmonopol
Die Zündwarensteuer mutierte daher bis zu ihrer Abschaffung im Jahr 1983 vor allem deshalb zum fiskalrechtlichen Kuriosum, weil der allgemeine Wohlstand stieg und sie recht wenig zum Staatshaushalt beitrug.
War der Steuertarif von 1923 – 20 Prozent vom ersten Verkauf – im Vergleich zu den schätzungsweise 150 Prozent Aufschlag zum Warenwert im Jahr 1909 vermutlich als Versuch einer sozialen Wohltat zu verstehen, wechselte der NS-Staat im Jahr 1939 wieder zur vereinfachten Erhebungsmethode von Pfennigbeträgen pro Streichholzschachtel, mit einem günstigen Ausgangstarif von 0,2 Reichspfennig für eine Packung bis 21 Stück.
Von einem Pfennig pro 100 Streichhölzern, der zuletzt unter NS-Führung galt, hoben die alliierten Besatzungsmächte den Tarif durch Gesetz Nr. 28 vom 10. Mai 1946 auf beachtliche 10 Pfennig an, nicht zuletzt um die "überschüssige Kaufkraft" der deutschen Bevölkerung abzuschöpfen – anders formuliert: um der massiven Reichsmarkinflation nach der absurden Geldschöpfung der NS-Zeit und dem Zusammenbruch der Gütermärkte entgegenzuwirken.
Im Bundestag war es 1954 der Abgeordnete Helmuth Schranz (1897–1968) von der rechtskonservativen "Deutschen Partei", der vergeblich mit dem Hinweis auf die alliierte Herkunft des aktuellen Steuertarifs ein bisschen Stimmung zu machen versuchte – bekannter wurde er allerdings dadurch, dass er 1957 an der Initiative zur Abschaffung von Artikel 102 Grundgesetz (GG), also zur Wiederzulassung der Todesstrafe beteiligt war, die heute meist mit dem späteren Bundesjustizminister Richard Jaeger (1913–1998) verbunden wird.
Mit dem Streit um die Steuer auf Streichhölzer war aber mehr als nur Stimmung zu machen. Darauf weist schon ein Beitrag zur Reichstagsdebatte um das Zündwarensteuergesetz am 6. Juli 1909 hin.
Nach dem erfolglosen Geschäftsordnungsantrag seines Kollegen Singer sprach der liberale Abgeordnete Arthur Osann (1862–1924), ein damals bedeutender Kopf der hessischen Politik, zur Sache. Er erklärte, dass eine Alternative zur hohen Besteuerung von Streichholzschachtel & Co. zu erwägen sei: Man könne die überschaubare Zahl der deutschen Produzenten enteignen bzw. staatlicherseits aufkaufen und den Absatz der Zündwaren dann einem Staatsmonopol unterwerfen.
Diese Lösung war in Deutschland nach dem Vorbild anderer Länder durchaus diskutiert worden, ließ sich im föderal stark disparaten Deutschen Reich vor 1919 aber politisch nicht durchsetzen – die hohe Besteuerung war deshalb die halbherzige Notlösung gegenüber dem damals im Ausland vielfach bevorzugten Zündholzmonopol.
Zu einem Zündholzmonopol sollte es erst zwei Jahrzehnte nach der Diskussion von 1909 kommen: Durch Vertrag vom 26. Oktober 1929 zwischen dem Deutschen Reich einerseits und der Svenska Tädsticks Aktebolaget, Stockholm, und der N.V. Financieele Maatschappij Kreuger & Toll, Amsterdam, andererseits wurde vereinbart, dass die Firma Maatschappij für das Reich in den USA eine Anleihe von 125 Millionen US-Dollar beschaffen würde, die über das Zündholzmonopol, zum wesentlichen wirtschaftlichen Vorteil der schwedischen Beteiligten, besichert wurde.
Gegenstand des Monopols waren die im Gesetz vom 9. Juli 1929 benannten Zündwaren.
Streit ums Kartellrecht in der jungen Bundesrepublik
Nach Ende des 2. Weltkriegs war vor allem die amerikanische Besatzungsmacht an der Beendigung der geradezu obsessiven deutschen Unternehmenskartellkultur interessiert, teils aus ernsthafter Sorge um deren kriegsökonomische Bedeutung. Aber es galt natürlich auch, die eigene, amerikanische Marktwirtschaft zu globalisieren.
In den juristisch relativ wilden Jahren der Besatzungszeit hatte ein Zündholzhersteller im Land Württemberg-Baden im Januar 1949 daher auch die Genehmigung erhalten, im Geist freier Unternehmerschaft Zündwaren zu erzeugen, weil unterstellt wurde, dass das amerikanische Besatzungsrecht das Monopol ausdrücklich aufgehoben hatte. Allerdings bestätigte der Bundesfinanzhof durch Beschluss vom 26. Januar 1954 (BStBl. 1954 III S. 141) ein späteres Verbot dieser – auch mit Kapital der Firma Reemtsma gestarteten – Produktion, weil sie gegen das Zündwarenmonopol aus dem Jahr 1929/30 verstieß. Es blieb der Bundesrepublik noch bis 1983 erhalten.
Der Meinungsstreit um das Monopol- und Kartellrecht, der in Deutschland auch ums Streichholz geführt wurde, würde es verdienen, in rechtswissenschaftlichen Lehrveranstaltungen des Grundstudiums behandelt zu werden – denn seit sich ordnungspolitische Fragen in die Höhenlagen des Europarechts verabschiedet haben, ist ihnen doch die Anschaulichkeit für Feld-, Wald- und Wiesenjuristen etwas abhandengekommen. Das ist am Ende auch für die politische Argumentationsqualität etwas schade.
Untaugliches Mittel zum Losentscheid
Etwas Trost in der Unübersichtlichkeit, die selbst unsere hier nur in groben Zügen vorgestellten Fragen rund ums Streichholz hinterlassen, bietet immerhin das Bundesverwaltungsgericht.
Dies war der Fall: Bei der Wahl zum Vorstand eines Personalrats waren zwei Bewerber angetreten, jeder von ihnen hatte eine Stimme erhalten. Die beiden zogen ein Streichholz, der Unterlegene klagte.
Das Gericht erklärte, das sich zwar – mangels anderer geeigneter Verfahren – bei Stimmengleichheit "kein anderer Weg" zur Bildung des ordentlichen Personalratsvorstands anbiete als der Losentscheid.
Das aber durch das Ziehen eines Streichholzes erledigen zu wollen, sei wegen der Manipulationsanfälligkeit dieser Methode ganz und gar abzulehnen (BVerwG, Urt. v. 15.05.1991, Az. 6 P 15.89).
Streichholz-Rechtsfiguren: . In: Legal Tribune Online, 09.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52189 (abgerufen am: 13.12.2024 )
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