Erst 41 Jahre nach der Ermordung dreier junger Bürgerrechtsaktivisten wurde einer der Täter verurteilt. Verfilmt wurde der Mordfall viel früher: Mississippi Burning gibt Martin Rath Fragen nach der Popularität polizeilicher Folter auf.
Der Zuschauer, soweit nicht im rechtsstaatlichen Empfinden besonders gestärkt, kann es kaum abwarten, bis endlich gefoltert wird. Im Film Mississippi Burning müht sich eine ganze Kohorte von FBI-Beamten, allen voran zwei Ermittler, das Verschwinden von drei jugendlichen Bürgerrechtsaktivisten aufzuklären, die zuletzt in einem Städtchen im Staat Mississippi gesehen wurden.
Dass die drei jungen Männer wegen ihres Engagements ermordet wurden, die afroamerikanischen Einwohner des tief rassistischen Südstaats zur Einschreibung ins Wählerregister, zur politischen und rechtlichen Emanzipation zu bewegen, wird im Film schnell klar. Auch in der historischen Realität gab man sich insoweit keinen Illusionen hin. Wie in dem Fall, der dem Film als Vorlage diente, der Ermordung von James Earl Chaney, Andrew Goodman und Michael Schwerner in der Nacht vom 20. auf den 21. Juni 1964, bleiben die Leichen aber lange Tage unentdeckt, entzieht sich die weiße wie die schwarze Bevölkerung aller Fragen der zugereisten Ermittler – die einen aus Angst, die anderen aus Mutwillen.
Im bekannten Film von 1988, der die Ereignisse mitunter zwanglos aufgreift, muss sich der junge, an rechtsstaatlichen Methoden orientierte Einsatzleiter, gespielt vom jungen Willem Defoe, gegen das Drängen des älteren Kollegen, verkörpert vom stets robusten Gene Hackman, verwahren, zu Mitteln der Gewalt zu greifen, um aus den offen mit ihrer Ku-Klux-Klan-Zugehörigkeit kokettierenden Verdächtigen Informationen herauszuholen. Erst nach etlichen Gewalttaten gegen Angehörige der schwarzen Gemeinde werden zwei Herren vom Klan durch eine Scheinhinrichtung beziehungsweise durch Drohung mit Kastration bewegt, zu den Ermittlungen beizutragen. Der Film benötigt bis zu diesem Punkt 90 von insgesamt 120 Minuten, um die Folter zu rechtfertigen.
Fast wird man bei einer solchen filmstatistischen Rechnung sentimental, denn modernere Produkte der Populärkultur sind schneller. Beispielsweise soll die TV-Serie 24, ein Produkt der neueren US-amerikanischen Terroristenfurcht, nicht weniger als 89 Fälle von Folter inszenieren, zumeist psychologisch einfältig als Vorgang der "Rettungsfolter".
Film versus Justizrealität
Während bei diesem populären Gedankenspiel zur Rechtfertigung von Folter der Rechtsbruch stets schnelle Abhilfe gegen üble Rechtsgutgefahren verspricht, bewegten sich im Fall der drei ermordeten Bürgerrechtler die Mühlen der Justiz langsam, ineffizient und über Jahrzehnte hinweg schlicht überhaupt nicht. Der letzte Prozess wurde am 21. Juni 2005, auf den Tag 41 Jahre nach den Morden, mit Urteil gegen den damals 80-jährigen Tatverdächtigen Edgar Ray Killen abgeschlossen.
Wesentliche Elemente werden im Film zutreffend dargestellt, will sagen: den polizeilichen und gerichtlichen Erkenntnissen entsprechend. Anders als der dramatische Erzähler kennt das wahre Leben ja keine objektive Wahrheit (und sollte hier ein naturwissenschaftlich gebildeter Leser aufstöhnen, mag er bitte noch einmal zu seinem Karl R. Popper greifen).
Die bitteren Umstände: Chaney, ein 21-jähriger Afroamerikaner, der selbst aus dieser verschlafenen Ecke von Mississippi stammte, sowie die beiden 20- und 24-jährigen New Yorker Studenten Goodman und Schwerner waren am 20. Juni 1964 von Polizisten des Neshoba County anlässlich einer Geschwindigkeitskontrolle inhaftiert, im Lauf der Nacht aber wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Währenddessen hatten sich aber schon die Polizisten und ihre Gesinnungsgenossen vom Ku Klux Klan über das weitere Vorgehen verständigt. Erneut aufgehalten, wurden die drei jungen Männer getötet, Chaney zuvor brutal misshandelt. Erst nach einer 44-tägigen Suchaktion, veranlasst durch die US-Regierung unter Präsident Lyndon B. Johnson, fand man die Leichen. Nebenbei tauchten bei dieser Suche die sterblichen Überreste von weiteren Vermissten sowie namenlos hingemordeten Afroamerikanern auf.
Martin Rath, Strafverfolgung und Folter in Realität und Film: . In: Legal Tribune Online, 21.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15940 (abgerufen am: 04.12.2024 )
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