Neue IWF-Chefin Christine Lagarde: "Mit 'Chairwoman' brauchte man sie gar nicht anzusprechen"

Pia Lorenz

05.07.2011

Spätestens mit ihrem Amtsantritt kennt jeder Lagarde. Längst nicht alle aber wissen, dass die selbsternannte "überzeugte Europäerin" eine Top-Wirtschaftsanwältin bei Baker McKenzie war. Bei ihrer neuen Aufgabe dürfte das der Französin ebenso wenig schaden wie ihre Erfahrung als Chairman des Executive Committees der Wirtschaftskanzlei. LTO sprach mit Weggefährten.

Vierundzwanzig Jahre verbrachte die gelernte Arbeitsrechtlerin Lagarde bei der renommierten Law firm, die zu den weltweit umsatzstärksten gehört. Unmittelbar nach ihrem Studium begann sie 1981 im Pariser Büro ihre steile Karriere.

Schon zwischen 1991 und 1995 war die Mutter zweier Söhne in leitender Funktion tätig und stieg schnell zum Chair of the European Regional Council auf. 1999 bis 2004 agierte sie bereits als Chairman des Executive Committees, saß also dem globalen Führungsgremium der Kanzlei vor. Im Alter von 48 Jahren verließ die ehemalige Synchronschwimmerin zwar ihr Heimatland, als es sie wie schon nach dem Abitur in die Vereinigten Staaten zog – ein Umstand, dem ihr perfektes Englisch geschuldet sein dürfte, das für eine Französin keineswegs selbstverständlich ist. Der Wirtschaftskanzlei aber blieb sie, nun als Vorsitzende des Global Strategy Committee in Chicago, treu.

Erst im Jahr 2005 wechselte die spätere Landwirtschafts-, Wirtschafts- und Finanzministerin endgültig in die französische Politik. Entsprechend warm waren die Worte, mit denen der heutige Chairman von Baker McKenzie, Eduardo Leite, der "lieben Freundin und ehemaligen Kollegin" nach der langen gemeinsamen Vergangenheit zu ihrer Wahl als IWF-Vorsitzende gratulierte: "Als erster weiblicher Chairman einer globalen Anwaltskanzlei hat sie so viele von uns mit ihrem Anstand, ihrer Menschlichkeit und ihrem stets konsensualen Ansatz inspiriert. Sie hat bleibende Auswirkungen auf unser Unternehmen und die Rechtsberatung hinterlassen."

"Unternehmerisch, kompromissbereit und juristisch feinsinnig"

Nicht nur Leite hebt den konsensualen Ansatz der heute 55-Jährigen hervor. Obgleich allein ihre Karriere auf ein enormes Durchsetzungsvermögen schließen lässt, betont die nationale wie auch internationale Presse das Verhandlungsgeschick der Tochter eines Dozenten und einer Lehrerin. Die Französin platziert sich deutlich und wird für ihre klaren Worte geschätzt, wird aber auch für ihre Kompromissbereitschaft und ihren Charme geschätzt.

Auch der deutsche Managing Partner der Kanzlei, Dr. Bernhard Trappehl, hat mit Largarde zusammen gearbeitet: "Sowohl ihre Mandanten als auch ihre Partner und Kollegen überzeugte Christine stets durch ihre Ausstrahlung. Es war ein Vergnügen, mit ihr zu arbeiten", erinnert sich Trappehl an die gemeinsame Zeit.

Kaum jemand zweifelt daran, dass die Frau mit den drei Vornamen auch den IWF erfolgreich leiten wird – obwohl sie von Haus aus Juristin ist. Immerhin hat sie nicht nur einen Master of Business Law und erhebliche Managementerfahrung vorzuweisen, sondern kann auch auf ihre langjährige Anwaltstätigkeit in einer der weltgrößten Wirtschaftskanzleien zurückgreifen.

Sie war auf das Arbeits- und Kartellrecht spezialisiert, beschreibt Trappehl das Tätigkeitsgebiet der Französin. "Christine beriet unsere langjährigen internationalen Mandanten mit praxisnahem Bezug und unternehmerischem Gespür. Dabei verband sie strategischen Weitblick mit juristischem Feinsinn."

Eine der mächtigsten Frauen der Welt

Die erste Frau an der Spitze des Internationalen Währungsfonds ist an Macht gewöhnt. Im Jahr 2009 wurde sie von Forbes als Nr. 17 in der Rangliste der 100 mächtigsten Frauen der Welt eingestuft. Nicht erst mit ihrem kometenhaften Aufstieg in der französischen Politik und ihrer international steigenden Anerkennung wurde offensichtlich, dass die groß gewachsene, stets elegant gekleidete Vegetarierin in vieler Hinsicht ein Ausnahmetalent ist.

Zu Zeiten, als die gläserne Decke noch weit dicker war als heute, war Lagarde eine Topanwältin. Und sie wird nicht müde, noch immer bestehende ungleiche Strukturen zwischen Männern und Frauen zu betonen. Dabei legte sie selbst, erinnert sich der Managing Partner, stets Wert darauf, 'Chairman' genannt zu werden. "Mit 'Chairwoman' brauchte man sie gar nicht anzusprechen", schmunzelt Trappehl.

Für ihre ehemaligen Kollegen und Mitarbeiter jedenfalls besteht kein Zweifel daran, dass die heute 55-Jährige auch ihre neue anspruchsvolle Aufgabe mit Bravour meistern wird. Ihr Weggefährte Trappehl könnte kaum überzeugter sein: "Sie ist nicht nur fachlich brillant. Christine ist auch im besten Sinne des Wortes eine Führungspersönlichkeit. Sie führt durch ihre Persönlichkeit".

 

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Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Neue IWF-Chefin Christine Lagarde: "Mit 'Chairwoman' brauchte man sie gar nicht anzusprechen" . In: Legal Tribune Online, 05.07.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3667/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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