Als die Sowjetunion in der Weltraumfahrt einen Triumph nach dem anderen erzielte, witzelte man in den USA: Wenn die Bolschewisten den Mond in kommunistischem Rot anmalten, würde man eben ein weißes "Coca Cola" quer darüber schreiben. Martin Rath hat ein paar westdeutsche Reaktionen entdeckt: monumentale Science Fiction und fleißig produzierte weltraumrechtlicher Literatur.
Mit dem ersten Satelliten hatte die UdSSR 1957 raumfahrttechnisch die Nase vorn, mit Juri Gagarin schossen die Kommunisten am 12. April 1961 auch noch den ersten Menschen ins Weltall. Trotz der bis heute leistungsfähigen russischen Raketentechnik ist der alte Witz aus dem Kalten Krieg ein bisschen betagt.
Allerdings lässt er sich heute um ein Lob auf die weltraumrechtliche Überlegenheit der Republik Österreich gegenüber der Bundesrepublik Deutschland ergänzen: Käme ein patriotischer Österreicher auf die Idee, den weißen Cola-Schriftzug auf dem roten Mond mit einem weißen Streifen zu übertünchen, um die Flagge seines Landes zu verewigen, wäre das möglicherweise nach § 14 Satz 1 des österreichischen Weltraumgesetzes (öWeltraumG) als Verwaltungsübertretung zu ahnden.
Nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 öWeltraumG gehört es zu den Pflichten österreichischer Sternenfahrer, die "schädliche Verunreinigung des Weltraums oder von Himmelskörpern" zu unterlassen. Ob die Einfärbung des Mondes in den Staatsfarben Österreichs dazu zählt, mag dahinstehen. Doch Österreich überflügelte hier den deutschen Gesetzgeber: Vollmundig angekündigt von Wirtschaftsminister Philipp Rösler scheint das Projekt eines deutschen Weltraumgesetzes unter seinem erdenschweren Nachfolger Sigmar Gabriel zu stocken.
Perry Rhodan und Adrian Bueckling
In den 1960er Jahren inspirierte die weltraumfliegerische Überlegenheit fremder Nationen die Zeitgenossen in Deutschland viel mehr als heute. Im westdeutschen Versuch, diese wenigstens auf dem Gebiet der Literatur und der Rechtswissenschaft zu kompensieren, stechen zwei Namen besonders hervor: Perry Rhodan und Adrian Bueckling.
Fünf Monate nach Juri Gagarins Weltraumflug begannen im September 1961 die Weltraumabenteuer des Perry Rhodan, die inzwischen an Textmenge mehr als 120 Bänden von Tolstois "Krieg und Frieden" entsprechen und die größte geschlossene Erzählung der Weltliteratur sein sollen.
Weniger bekannt ist, dass damals im rheinland-pfälzischen Städtchen Mayen, also in einer Gegend, in der man eher bodenständige Hobbits vermutet, der Landgerichtsrat Adrian Bueckling (1924-2007) seine weltraumrechtliche Arbeit aufnahm, die am Ende über 100 Publikationen umfassen sollte: "Noch vor wenigen Jahren mochte es rechtsutopisch angemutet haben, die Frage nach einem Weltraumrecht zu stellen", erklärte Bueckling etwa im Juni 1962 in der Deutschen Richterzeitung (DRiZ 1962, S. 191-193): "Inzwischen hat der Mensch grundstürzende Tatbestände außerhalb der Erde geschaffen. Der Weltraum ist der Erde nähergerückt; er beginnt mit dem Eindringen des Menschen seine göttlich-kosmische Unberührtheit zu verlieren und in die Profanation unserer irdischen Geschichte hineingezogen zu werden."
Weltraumgesetze stellen irdisches Recht in Frage
Das gehobene Pathos in Buecklings Ausblick auf ein künftiges Weltraumrecht soll nicht davon ablenken, dass mindestens ein wichtiger Gedanke bis heute nachwirkt: "Im Weltraum ist der Mensch ganz anderen Erfahrungssätzen und Kausalitätsgesetzen, anderen Raum- und Zeitgesetzen ausgeliefert und unterworfen. […] Damit ist die sachliche Entscheidungskompetenz unserer herkömmlichen Gerichtshöfe über Weltraumtatbestände schlechthin in Frage gestellt. Man wird nach neuen Wegen und Methoden der Rechtsfindung Ausschau halten müssen." Grob vereinfacht formulierte Landgerichtsrat Bueckling hier seinen Zweifel daran, dass es genügen würde, die Strickmuster bisheriger Normsetzung und -anwendung auf das große neue Handlungsfeld des Weltraums zu übertragen.
Die internationale Juristengemeinde gab indes wenig auf diesen Zweifel und tat nichts anderes, als bisherige Muster weiter zu stricken: Der internationale Weltraumvertrag von 1967 übertrug beispielsweise großspurig eine völkerrechtliche Idee, die Freiheit der Weltmeere, auf den Weltraum. Der US-amerikanische Patentanwalt Harry M. Saragovitz hielt im Weiteren für unproblematisch, das geistige Eigentum an Erfindungen während Weltraumflügen analog zu irdischen Verfahren zu organisieren. So ging es in den Details weiter.
Positives Recht gibt es inzwischen für überraschend viele Aspekte menschlicher Raumfahrtaktivitäten. Beispielsweise regelt das Weltraumhaftungsübereinkommen die weitgehende Gefährdungshaftung der Staaten für Schäden durch Weltraumgegenstände. In beeindruckender Weise konnte die Berliner Professorin Katharina de la Durantaye mit ihren Lehrstuhlmitarbeitern klären, dass der US-Astronaut Chris Hadfield keinesfalls der irdischen Urheberrechtssphäre entfliehen konnte, als er an Bord der International Space Station (ISS) das David-Bowie-Lied "Space Oddity" coverte (Zs. Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Int. 2013, S. 1.094).
2/2: Grundstücke auf dem Mond?
Insbesondere für die International Space Station ISS wurde das Korsett an juristischen Normen so eng gestrickt, dass es nicht Wunder nähme, jedem Astro- oder Kosmonauten noch einen Rechtsbeistand ins All hinterherzuschießen: Das ISS-Übereinkommen vom 29. Januar 1998 regelt neben Betriebsfragen nicht zuletzt das Geistige Eigentum und die Handhabung der Strafgerichtsbarkeit bei Delikten an Bord der Raumstation (BGBl. II 1998, Nr. 38, S. 2445).
Neben der Freude am rechtspositivistischen Detail scheint auch die feste Überzeugung vorzuherrschen, dass die eingeschlagene Richtung stimmt, wenn bewährter Rechtskonstruktionen irdischer Fabrikation auf extraterrestrische Gegenstände übertragen werden. Beispielsweise äußerte sich der Kölner Weltraumrechtler Stephan Hobe 2013 klar gegen den Gedanken des US-amerikanischen Geschäftsmannes Denis Hope, der glaubte, das völkerrechtliche Verbot, Hoheitsrechte an Himmelskörpern zu begründen, hindere ihn nicht daran, Grundstücke auf dem Mond zu beanspruchen und zu veräußern.
Der britisch-rumänische Weltraum-Jurist Virgiliu Pop machte sich 2002 auf unterhaltsame Weise über die Mond-Ansprüche von Hope lustig, indem er für sich einen entsprechenden Eigentumstitel für die Sonne reklamierte.
Ist damit der Zweifel, den Adrian Bueckling, der irdisch als Landgerichtsrat zu Mayen lebte und sich ums deutsche Weltraumrecht verdient machte, überwunden? Beseitigen positivrechtliche Detailregelungen und Glaubensfestigkeit, was den Weltraum als universell eigentumsfreie Zone betrifft, die Notwendigkeit, grundsätzlich "rechtutopisch" über vielfach dystopische Entwicklungen nachzudenken?
Schmerzensgeld wegen Sonnenbrand vom "Eigentümer" der Sonne?
Virgiliu Pop löste seinen juristischen Witz auf, indem er sinngemäß erklärte: Solange niemand ihn erfolgreich wegen Schäden verklagte, für die er haftbar gemacht werden könnte, nähme man sein Eigentum an der Sonne ernst, beispielsweise Schmerzensgeld wegen Sonnenbrand oder Behandlungskosten wegen Hautkrebs, wolle er darauf verzichten, Ansprüche geltend zu machen, weil jedermann Nutzen aus dem Sonnenlicht zöge.
Daraus lässt sich allerdings nicht nur der Witz ziehen. Was, wenn die Zuweisung eines Eigentumstitels einen wirtschaftlichen Vorteil verspricht und eine Zugriffskontrolle auf den Gegenstand jedenfalls im Ansatz möglich ist? Es muss ja nicht die Sonne betreffen. Aber würden beispielsweise die Ressourcen der Weltmeere nicht besser bewirtschaftet, stünden sie etwa im Eigentum kapitalstarker Internet-Firmen – insofern und sobald diese jedem mit GPS und Mobiltelefonie ausgestatteten Fischerboot in die Netze schauen können sowie die Marktdaten für Fisch in jedem Küstendorf und für jede Fischdosenfabrik verfügbar halten?
Und um auf die Gestirne zu schauen: Sollte die Kernfusion zur Stromerzeugung jemals technisch beherrschbar werden, dürften Eigentumsansprüche an Mondgrundstücken schnell ihre für offenkundig erklärte Absurdität verlieren: Helium 3, das nützliche Isotop, ist auf dem Mond reichlich vorhanden.
Roboterethik, Drohnenrecht und autoritäre Staaten
Natürliche Ressourcen im Eigentum "böser" Kapitalgeber, technologische Utopien wie die Kernfusion als Anlass, normative Überzeugungen umzustürzen: Das will als Einladung verstanden werden, dem Pathos Adrian Buecklings aus dem Jahr 1962 wieder etwas abzugewinnen, sich rechtsutopisch der "grundstürzenden Tatbestände" – nicht allein in Weltraumfragen – anzunehmen.
Die Ideen zu Problemen sind ja auf dem Markt: Beispielsweise publizierte der britische Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke (1917-2008) bereits 1945 die Idee, geostationäre Satelliten als Kommunikationsrelais zu verwenden – ein Gutteil des Weltraumrechts nimmt sich dieses Gegenstand an. Drei Jahre vor Clarke wies sein Kollege Isaac Asimov (1919-1992) auf das Problem der Roboterethik hin. Man möchte hoffen, dass die aktuelle Diskussion um die Einhegung autonomer Kampfmaschinen etwas von diesen humanistischen Vorüberlegungen aufgreifen kann.
Nicht zuletzt erinnert der erste Mensch im Weltall daran, wie wichtig es ist, den Kopf gelegentlich dazu zu verwenden, die Richtung des Denkens zu verändern: Juri Gagarin starb sieben Jahre nach seiner Erdumrundung bei einem Flugzeugunfall. Die Unfallumstände blieben über Jahrzehnte unter Verschluss, von einer straf-, zivil-, luftverkehrsrechtlichen Aufklärung kann bis heute nicht gesprochen werden. Die Sowjetunion war noch weniger als das heutige Russland ein Rechtsstaat mit Gerichtsöffentlichkeit und Akteneinsichtsrechten. Wie das Recht die Technik reguliert, sagt also manchmal schon einiges über den Staat aus, der das Recht geschaffen hat.
Der Autor Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Köln.
Martin Rath, Der Weltraum und das irdische Recht: Wem gehören Sonne, Mond und Sterne? . In: Legal Tribune Online, 12.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15198/ (abgerufen am: 23.04.2024 )
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