Sieben spannende Jura-Dissertationen: Men­schen­f­leisch­suche und Whist­le­b­lower-Recht

von Martin Rath

15.05.2016

Bei der Lektüre der großen staatstragenden Tageszeitung aus Frankfurt am Main war dieser Tage wieder einmal zu entdecken, dass die Kunst des dialektischen Denkens oder jedenfalls Darstellens dort noch sehr ausbaufähig ist.

Unter der Überschrift "Amerika ist die größte Steueroase" referierten die Kollegen der FAZ nicht mehr ganz taufrisch, dass es vor allem die Bundesstaaten der USA potenziellen Steuerhinterziehern recht leicht machten, Geschäfte über Briefkastenfirmen abzuwickeln, Geld zu waschen oder sich in Bankgeheimnisse zu hüllen. Der Informationsbedarf der neupatriotischen Man-muss-doch-noch-sagen-dürfen-Leserschaft war damit natürlich hinreichend bedient.

Für ein komplexeres, der Sache des Steuerrechts und der sozialen Verteilungsfragen angemesseneres Bild lässt sich die interessante Dissertationsschrift von Theresa Pfeifle zur Hand nehmen: "Finanzielle Anreize für Whistleblower im Kapitalmarktrecht".

So kennt das Land der tapferen und der freien Amerikaner nicht nur den relativ leichten Zugang zur Briefkastenfirma, sondern auch ein Rechtsinstitut wie die Qui-tam-Klage: Wird der Staat betrogen, bleibt aber untätig, können Privatleute in seinem Namen gegen den potenziellen Schädiger vorgehen. Fiskus und Qui-tam-Kläger erhalten im Erfolgsfall jeweils ihren Anteil an der Beute.

Es findet sich eine ganze Reihe von weiteren Regelungen dazu, den Verrat von Steuerhinterziehung oder unkoscheren Geschäften zu Lasten des Fiskus attraktiv zu machen. Damit fällt nicht nur ein anderes Licht auf die US-Briefkastenfirma als in der kapitalismuskritischen FAZ-Lesart, Pfeifle erörtert zudem die Übertragbarkeit US-amerikanischer Whistleblowing-Konzepte auf das deutsche Recht.

Was ist für eine demokratisch verfasste Gesellschaft wichtiger: Dass alle, die dazu verpflichtet sind, ihrer Leistungsfähigkeit entsprechend ihren Beitrag zur Finanzierung des Staatshaushalts und der Sozialversicherungen zu leisten? Oder dass ein Fernseh-Clown schmutzige Wörter über ausländische Potentaten sagen darf?

Man möchte das eine nicht gegen das andere ausspielen, wundert sich aber doch etwas über die öffentliche Ignoranz in Sachen Staatsfinanzen und wünscht der äußerst spannenden Doktorarbeit von Pfeifle zahllose Leserinnen und Leser.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Sieben spannende Jura-Dissertationen: Menschenfleischsuche und Whistleblower-Recht . In: Legal Tribune Online, 15.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19379/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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