Sieben spannende Jura-Dissertationen: Men­schen­f­leisch­suche und Whist­le­b­lower-Recht

von Martin Rath

15.05.2016

Wenn das Recht auf das Meer zu sprechen kommt oder auf den Wald oder auf Fließgewässer, bringt es mitunter Dokumente hervor, die den juristischen Leser auf eine vage Weise glücklich machen können, weil sie Historisches mit der Gegenwart verbinden, jahrhundertelang erprobte Rechtsideen im Tagesgeschäft einsetzen und dann vielleicht auch noch eine befriedigende Lösung finden.

Wer das nicht glaubt, lese einfach einmal die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25. Oktober 1984 zu den Anlandungen einer Moselinsel nach.  Wem das nicht gefällt, hätte besser BWL studiert.
Eine Doktorarbeit, die das Zeug dazu hat, ähnlich befriedigende Gefühle auszulösen, obwohl oder gerade weil sie keine rechtswissenschaftliche Studie ist, wurde von Miriam Seemann in Hamburg vorgelegt: "Water Security, Justice and the Politics of Water Rights in Peru and Bolivia".

Der sichere Zugang zum Wasser als Bedingung bäuerlichen Lebens ist in den (semi-) ariden Regionen des Planeten von existenzieller Bedeutung. Das Recht kann als Instrument dienen, dieses Interesse in formalen Bahnen zu verhandeln, stand aber in den kolonial geprägten Staats- und Rechtsordnungen lange Zeit ausschließlich im Dienst der Mächtigen, und das waren im Zweifel sicher nicht Kleinbauern, die kaum mehr als die regionalen Märkte versorgen konnten.

In Bolivien und Peru werden seit einigen Jahren unterschiedliche juristische Strategien verfolgt, die hergebrachten, noch nicht als Recht anerkannten Observanzen in leistungsfähigere Formen zu überführen, auch mit Blick darauf, dass das (klein-) bäuerliche Interesse am Wasser mit großen Landaufkäufern aus den Schwellenländern zunehmend in Konkurrenz tritt.

Miriam Seemanns Dissertation ist am Hamburger GIGA-Institut entstanden, einer feinen interdisziplinären Einrichtung, die beispielsweise die rechtsstaatlichen Defizite und Entwicklungsmöglichkeiten in Nordafrika schon thematisierte, bevor der "Arabische Frühling" ausbrach. Nur zehn Prozent der Aufmerksamkeit, die das tagespolitische Geschrei bekommt, umgelenkt auf diese Forschungsarbeit: die Welt wäre ein kleines Stück besser, jedenfalls klüger.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Sieben spannende Jura-Dissertationen: Menschenfleischsuche und Whistleblower-Recht . In: Legal Tribune Online, 15.05.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19379/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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