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Schnarcher vor Gericht: Von normalen Schlafgeräuschen bis zu seelischen Grausamkeiten

von Uwe Wolf

21.07.2012

Schnarcher

© Janina Dierks - Fotolia.com

Für die einen ist es die natürlichste Sache der Welt. Andere verleitet es zu Mordphantasien. Nächtliches Dauerschnarchen führt zu Beziehungskrisen und beschäftigt zunehmend auch die Gerichte – in Deutschland und anderswo, berichtet Uwe Wolf.

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"Wohnung in ruhiger Lage", so stand es in der Zeitungsannonce einer Vermieterin aus Bonn. Ein junges Paar schaute sich das Drei-Zimmer-Appartement an und war begeistert: ein stilvoller Altbau mit hohen Decken und rings herum grüne Gärten mit dezentem Vogelgezwitscher.

Kurz nach dem Einzug begann das Martyrium. Zunächst noch leise, dann aber mit stark anschwellender Tendenz drang nächtens ein rhythmisches Knarren, Ächzen und Stöhnen aus der Nachbarwohnung in das Schlafzimmer der Ruhe Suchenden. Nach kurzer Recherche war klar: Das ältere Ehepaar ein Zimmer weiter schnarchte wie die Weltmeister.

Altbauwohnung mit Orchesterbegleitung

Die Neumieter ertrugen die nächtlichen Röchel-Orgien einige Wochen. Dann zogen sie aus.

Von der Vermieterin verlangten sie die Umzugskosten ersetzt. Schließlich habe es die Hauseigentümerin unterlassen, sie auf die Schall-Terroristen in der Nachbarwohnung aufmerksam zu machen.

Der Fall ging vor Gericht. Dort stellte sich heraus, dass das Haus alle für seine Altersklasse einschlägigen technischen Anforderungen erfüllte. Dass  in Altbauwohnungen "tiefe Frequenzen und damit auch Schnarchgeräusche" aus der Nachbarwohnung zu hören seien, sei, so der Richter, selbstverständlich. Ein besonderer Warnhinweis durch den Vermieter könne nicht verlangt werden (AG Bonn, Urt. v. 25.03.2010, Az. 6 C 598/08).

Schlaflos am Titicacasee

Ein Südamerika-Fan aus dem Taunus hatte jahrelang auf eine zweiwöchige, organisierte Reise durch die Anden gespart. Die erste Woche auf den Spuren der Inkas verlief tadellos. In der zweiten Woche musste der Alleinreisende jedoch aufgrund eines Fehlers des Reiseveranstalters das Schlafzimmer mit anderen Touristen teilen.

Das wurde zur Qual. Wohl auch aufgrund des allabendlichen Umtrunks mit gutem chilenischem Rotwein schnarchten die Mitbewohner um die Wette. Der bedrängte Hesse flüchtete sich jede Nacht in die leere Hotelhalle und döste so gut es ging auf den dort aufgestellten Baststühlen. Machu Picchu und den Titicacasee konnte der Reisende leider nur mit stark danieder hängenden Augenliedern genießen.

Zu Hause wurde ihm die nächtliche Unbill durch die Justiz zumindest zu einem Teil vergolten. Da er ausdrücklich ein Einzelzimmer gebucht hatte, musste der Reiseveranstalter für die Tage im Mehrbettzimmer einen Teil des Reisepreises zurückzahlen. Angesichts der Schwere der "Lärmbelästigung" hielt der Richter einen Preisnachlass von einem Viertel für gerechtfertigt (AG Königstein, Urt. v. 10.11.1995, Az. 22 C 139/95).

Nächtliche Stöße im Wiener Waldviertel

Ende der achtziger Jahre, als in Österreich bei Scheidungen noch die Schuldfrage erörtert wurde, warf ein Mann aus dem Wiener Weinviertel seiner Ehefrau vor, ihn nachts häufig mit "festen Püffen" in die Seite geweckt zu haben. Diese ständige Störung der Nachtruhe sei eine unzumutbar, weshalb die Gattin die Hauptschuld an der Zerrüttung der Beziehung trage.

Die Frau konterte, dass die nächtlichen Stöße nur eine Reaktion auf das heftige Schnarchen ihres Bettgenossen gewesen seien.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) der Alpenrepublik stellte fest, dass die beharrliche absichtliche Störung der Nachtruhe grundsätzlich durchaus einen Scheidungsgrund darstellen könne. Im konkreten Fall stünden das Schnarchen und die Rippenstöße in einem nachvollziehbaren Verhältnis, so dass keines von beidem als "schwere Eheverfehlung" zu werten sei (OGH, Urt. v. 15.12.1988, Az. 7 Ob 710/88).

Euer Ehren schnarcht Down under

Im australischen Sydney sägte der vorsitzende Richter der Strafkammer während eines Prozesses gegen zwei Drogendealer im Jahr 2008 so laut, dass die Gerichtsdiener sich nicht anders zu helfen wussten, als die Verfahrensakten mehrfach krachend auf die Richterbank fallen zu lassen.

Der Tiefschlaf schützte die Angeklagten nicht vor Strafe. Der schnarchende Richter, Ian Dodd, verurteilte sie zu dreizehneinhalb beziehungsweise elf Jahren Haft.

Der Oberste Gerichtshof hob das Urteil wieder auf. Angesichts des offensichtlichen Tiefschlafs des Richters sei ein Fehlurteil "nicht auszuschließen".

Der Autor Dr. Uwe Wolf ist Jurist und freier Autor in Düsseldorf. Er schläft, meistens, geräuschlos.

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Uwe Wolf, Schnarcher vor Gericht: Von normalen Schlafgeräuschen bis zu seelischen Grausamkeiten . In: Legal Tribune Online, 21.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6668/ (abgerufen am: 08.02.2023 )

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