Welchen Sinn ergibt ein Gedenktag zum Sklavenhandel? Der Versuch der Vereinten Nationen und ihrer Tochterorganisationen, dem Kalender durch alle erdenklichen Gedenktage höhere Weihen zu verleihen, wirkt manchmal etwas komisch.
So dürfen sich beispielsweise am 21. Juni jedes Jahres gelangweilte Hausfrauen und ihre Gymnastiklehrer am "Internationalen Tag des Yoga" erfreuen, die Letzteren dürfen sich noch einmal am 5. Oktober über die Aufmerksamkeit der Welt freuen, wenn der "Welttag der Lehrerin und des Lehrers" im Kalender steht.
Der 23. August als "Internationaler Tag der Erinnerung an Sklavenhandel und dessen Abschaffung" ist weniger albern, eigentlich gehört er in den juristischen Dienstkalender. Denn die Abschaffung des Sklavenhandels beruht auf einem der nicht allzu zahlreichen normativen Sätze, die weltweit Geltung beanspruchen. Das Sklavereiverbot wird zum völkerrechtlichen ius cogens gezählt, zum zwingenden Völkerrecht.
Juristinnen und Juristen dürfen sich am 23. August jeden Jahres aber nicht nur über das neue Rechtsinstitut freuen, sondern auch eines Rechtsgebiets gedenken, das ihnen im 19. und 20. Jahrhundert abhandenkam.
Einige Rechtsprobleme der Sklaverei: Amistad
Zu den berühmtesten sklavenrechtlichen Fällen zählt der Streit um die Eigentumsverhältnisse an jenen Menschen, die am 26. August 1839 von einem Kutter des US-amerikanischen Zolls vor der Küste von New York aufgebracht wurden. Ihr Schiff, "La Amistad", gab 1997 dem Film Steven Spielbergs seinen Namen, in dem ein Teil ihrer Geschichte erzählt wurde.
Die juristischen Verwicklungen betrafen das Verhalten von und die Eigentumsrechte an zuletzt 39 Personen, gebürtig in Westafrika, sowie eines Sklaven namens Antonio, der in dieser oft erzählten Rechtsgeschichte gern vergessen wird, weil mit seinem Anliegen kein Staat zu machen war, nur doppelbödige Moral.
Das Wort "Verwicklung" trifft auf den Fall Amistad so gut wie selten, wenn es auch zunächst um einen schlichten Vorgang der Selbstbefreiung ging: Im Juli 1839 übernahmen 49 Männer, Frauen und Kinder, die an Bord des Schoners Amistad als menschliche Fracht in den Gewässern der spanischen Kolonie Kuba transportiert wurden, die Gewalt über das Segelschiff. Der Kapitän und der Schiffskoch sowie zwei der Frachtraum-Insassen kamen dabei zu Tode. Den persönlichen Sklaven des Kapitäns, Antonio, sowie zwei Besatzungsmitglieder, von denen sich die bis hierher Gefangenen Hilfe bei der Navigation nach Afrika versprachen, ließen die Meuterer am Leben.
Wer wird hier gleich von Verbrechern reden
Beim Wort "Meuterer" zuckt der innere Strafverteidiger auf, denn die Frage, ob es sich um eine Meuterei handelte, war eine der Rechtsfragen, die vor US-amerikanischen Gerichten verhandelt wurden, nachdem das Schiff im August 1839 vor der nordamerikanischen Küste aufgebracht worden war. Die Navigationshilfe hatte sich als unzuverlässig erwiesen.
Verwickelt wurde es nun, das erzählt auch Spielberg in seinem Film vergleichsweise akkurat, durch die Vielzahl der juristischen und politischen Akteure und in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen. So meldete nicht nur die spanische Krone als Inhaberin der menschlichen Fracht und flaggenführender Staat Rechte an. Offiziere des Zollkutters beanspruchten auf seerechtlicher Grundlage ("admirality law"), für ihre Bemühungen um die Bergung der Amistad entlohnt zu werden, in Abhängigkeit vom Wert der Fracht. Schließlich hatten die Betroffenen selbst das nicht ganz unwichtige Interesse, als freie Personen anerkannt, nicht als meuternde Sklaven behandelt zu werden.
Martin Rath, Sklavenrecht: . In: Legal Tribune Online, 23.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16682 (abgerufen am: 09.10.2024 )
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