Wer ein wenig im US-amerikanischen "Legal History Blog" stöbert, der findet Antworten auf rechtshistorische Fragen, die er sich sonst wohl nie gestellt hätte. Zum Beispiel wie Eherecht zur Enteignung dienen kann, wo schottische Justiz und Banker unter einer Decke stecken, und was es mit amerikanischer Exterritorialität so auf sich hat. Martin Rath bereitet das Wesentliche in diesem Beitrag auf.
Den Satz, dass die Ehe eine exklusive Gemeinschaft eines Mannes mit einer Frau sei, liest man dieser Tage wieder öfter. Er dient konservativen Beobachtern als argumentative Stütze für ihr Unbehagen darüber, dass sich das Bundesverfassungsgericht anschickt, die Unterschiede zwischen dem legalisierten Konkubinat heterosexueller und jenem homosexueller Menschen einzuebnen.
Die Definition von der exklusiven und freiwilligen Beziehung eines Mannes zu einer Frau zu betonen, ist indes kein neues Anliegen dieser Tage. Ein englisches Gericht hielt es im Fall "Hyde vs. Hyde" bereits 1866 fest – und in der britischen Kolonialherrschaft in Afrika sollte es eine Dynamik entfalten, gegen die steuerrechtliche Detailfragen im deutschen Eherecht harmlos erscheinen.
Exklusive und freiwillige Beziehung: ein Machtmittel
1917 sprach ein Gericht im britischen Protektorat Ostafrika, der späteren Kronkolonie Kenia, der Frau des Angeklagten im Fall "Rex v. Amkeyo" die prozessualen Rechte einer Ehegattin ab, weil ihr Konkubinat nach traditionellen afrikanischen Gepflogenheiten geschlossen worden war, und Richter Harlan moralischen Anstoß an der Praxis des "Brautpreises" nahm. Im Fall "Bishan Singh" verweigerte 1923 ein Gericht im britischen Uganda dem Ehemann den sonst gegebenen Unterlassungsanspruch gegen einen Sikh, der eine ehebrecherische Beziehung zu seiner Frau unterhielt, weil die gebrochene Ehe nach afrikanischem Gewohnheitsrecht geschlossen wurde, die Eheleute aber Christen waren.
In ihrem Aufsatz unter dem etwas barocken Titel "Beyond Bed and Bread: Making African State Through Marriage Law Reform" benennt Sylvia Wairimu Kang’ara, Professorin an der Law School der Universität von Washington (Seattle), diese Beispiele für die Anwendung des britisch-europäischen Ehekonzepts auf afrikanische Verhältnisse als Belege für eine grundsätzliche Strategie des Kolonialrechts: Den Partnern der nach Landestradition geschlossenen Konkubinate wurde, wegen der angeblichen moralischen Obszönität, unter anderem kein Zeugnisverweigerungsrecht zugestanden. Mit diesem Einbruch noch in die intimsten Verhältnisse der einheimischen Bevölkerung ging die Aberkennung traditionell-rechtlicher Besitz- und Nutzungsordnungen an Land und Wald, Weidegrund und anderen natürlichen Ressourcen einher.
Professorin Kang’ara zeichnet die jahrzehntelangen Verwicklungen nach, die sich aus dieser großen Störung familien- und besitzrechtlicher Systeme immer noch ergeben. Überdeckt werden diese vom sich verschärfenden Konflikt zwischen "modernen" Individualinteressen und den "traditionellen" Ansprüchen familiärer Kollektive, wobei sich, grob formuliert, die individuelle Perspektive mit Besitzrechten von Frauen, die kollektive mit männlichen Dominanzinteressen deckt.
Schottischer Bank- und Juristenklüngel entdeckt § 935 Abs. 2 BGB
Weitaus mehr Sprengkraft als der Import des westlich-christlichen Ehekonzepts in afrikanische Rechts- und Wirtschaftsordnungen, die jahrhundertelang auch ohne ausgekommen waren, hatte zweifellos eine Erfindung, die unter anderem von schottischen Kaufleuten und Juristen, wenn nicht gemacht, so doch verfeinert wurde: das Papiergeld.
Unter dem Titel "Banknotes and Their Vindication in Eighteenth-Century Scotland" bereitet Kenneth Reid, Professor für schottisches Recht an der Universität Edinburgh, einen für die Geschichte des Papiergeldes wichtigen Fall aus dem frühen 18. Jahrhundert auf.
Am 30. Juli 1748 gab Hew Crawfurd, Rechtsanwalt in Edinburgh, zwei Banknoten zu 20 Pfund in die Post, adressiert an den Glasgower Händler William Lang. Produziert waren die Banknoten von der Bank of Scotland, die seit 1695 Papiergeld emittierte – später gefolgt von ihrer scharfen Konkurrentin, der Royal Bank of Scotland sowie einer Anzahl kleinerer schottischer Banken. Ein Zentralbankmonopol existierte noch nicht.
Die Banknoten erreichten Mr. Lang nicht, weshalb Crawfurd den Verlust unter anderem in diversen Zeitungsanzeigen publik machte. Ein hoffnungsloses Unterfangen war dies deshalb nicht, weil die Banknoten noch – nach Art eines Scheckheftformulars – individuelle Gestalt hatten, vom Vorstand der emittierenden Bank eigenhändig unterzeichnet und nummeriert worden waren. Eine der 20-Pfund-Noten der Bank of Scotland tauchte tatsächlich bei der Royal Bank of Scotland auf, woraufhin Crawfurd auf Herausgabe klagte.
Das Begehren des Edinburgher Rechtsanwalts wurde von den Banken als Bedrohung wahrgenommen: Als 1745 "Bonnie Prince Charlie", der Thronanwärter der Stuarts, in einer bis heute romantisch verklärten Rebellion erfolglos versucht hatte, die Macht zu übernehmen, hatten die verfeindeten schottischen Banken in stillem Übereinkommen Banknoten verbrannt, um sie nicht in die Hände der Rebellen fallen zu lassen. Gegen Mr. Crawfurd fanden sie sich zusammen. Denn die Frage, ob ein gutgläubiger Erwerb an Papiergeld möglich sei, war von Rechts wegen ungeklärt. Im Erfolgsfall wäre die für den später so erfolgreichen schottischen Kapitalismus zentrale Geldschöpfung ernsthaft bedroht gewesen: Selbst wenn man gutgläubigen Erwerb an abhanden gekommenen Banknoten annehmen wollte – Zeitungsanzeigen, wie jene von Mr. Crawfurd, würden den guten Glauben, und damit die Liquidität des Geldumlaufs, erheblich beeinträchtigen.
Am Ende scheint dieses ökonomische Argument den Ausschlag gegeben zu haben, ohne dass Professor Reid es in den überlieferten Entscheidungsgründen der schottischen Justiz angetroffen hätte: Die schottischen Juristen hatten kein Präjudiz, diskutierten recht eigenwillig römische Rechtsquellen, um am Ende pragmatisch zu entscheiden. Dass die Bankvorstände und die Richterschaft sich personell überschnitten, wird dabei eine wichtigere Rolle gespielt haben als der Blick in die Digesten-Überlieferung.
Wie glücklich, dass hierzulande und heutzutage ein Blick in § 935 Bürgerliches Gesetzbuch genügt, um den gutgläubigen Erwerb an Geld zu klären, und für solche Rechtsfragen kein Kreditinstitut den Banksenat des Bundesgerichtshofs korrumpieren müsste.
Martin Rath, Drei exotische Rechtsgeschichten: . In: Legal Tribune Online, 09.06.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8876 (abgerufen am: 11.10.2024 )
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