100 Jahre Rechts- und Justizgeschichte: Ver­ges­sene Sta­tionen

von Martin Rath

01.01.2018

Bild: Ladislav Luppa, Wikimedia Commons, CC0 1.0, Zuschnitt und Skalierung durch LTO

3/10: 1938 - Das Münchner Abkommen und die Wiener Schiedssprüche

Das Münchener Abkommen vom 29. September 1938 sollte von der Bundesrepublik Deutschland und der sozialistischen Tschechoslowakei 1973 für nichtig erklärt werden.

Die tschechische Seite sah es als einen völkerrechtswidrig von Deutschland, Frankreich, Italien und dem Vereinigten Königreich zu Lasten Dritter geschlossenen Vertrag an, der von Beginn an (ex tunc) nichtig gewesen sei. Die deutsche Seite betrachtete es als ex nunc, also erst später ungültig gewordene Auslieferung der tschechoslowakischen Republik an das Deutsche Reich.

Als Symbol für die wenig ehrenvolle westliche Appeasementpolitik gegenüber dem totalitär regierten Deutschland ist "München" bis heute eine feste Größe im politischen Sprachgebrauch.

Weitaus weniger bekannt sind die beiden sogenannten "Wiener Schiedssprüche", die zeitlich an "München" anschlossen. Mit dem "1. Wiener Schiedsspruch" vom 2. November 1938 teilte der NS-Staat seine Beute mit dem verbündeten, offiziell immer noch als Königreich firmierenden Ungarn: Dieses annektierte auf Grundlage des "Schiedsspruchs" rund 12.000 Quadratkilometer slowakischen Gebiets. Ein zweiter "Schiedsspruch" erlaubte den Ungarn weiträumige Annexionen auf Kosten Rumäniens.

Während es in den deutsch-tschechischen Beziehungen ruhig geworden ist, was "München" und die brutale Vertreibung der deutschsprachigen Minderheit nach dem Zweiten Weltkrieg betrifft, spielen die "Wiener Schiedssprüche" bis heute unter der Hand eine Rolle: Von Rumänien und der Slowakei verlangt die ungarische Regierung bis heute eine Verbesserung des Minderheitenschutzes, Gedankenspiele zu Grenzkorrekturen und die Verleihung doppelter Staatsangehörigkeiten bilden unter dem Dach der Europäischen Union ein Konfliktpotenzial, das anachronistisch wirkt – gleichwohl nach der Ankündigung Österreichs, die Einbürgerung von Südtirolern betreiben zu wollen, Vorbildcharakter zu haben scheint.

Zitiervorschlag

Martin Rath, 100 Jahre Rechts- und Justizgeschichte: Vergessene Stationen . In: Legal Tribune Online, 01.01.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26235/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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