Die Pressefreiheit stößt selbst in demokratischen Rechtsstaaten dort an Grenzen, wo Belange der nationalen Sicherheit betroffen sind. Das Filmdrama "Nichts als die Wahrheit" über eine Journalistin, die ins juristische Fadenkreuz des Staates gerät, hatte am vergangenen Mittwoch deutsche Fernsehpremiere. Sehenswert, denkt Jochen Thielmann, auch vor dem Hintergrund des neuen § 353b Abs. 3a StGB.
2005 verbrachte die New York Times Journalistin Judith Miller zwölf Wochen in Haft. Sie weigerte sich die Identität ihres Informanten preiszugeben. Rod Lurie ließ sich für seinen Film "Nichts als die Wahrheit" hiervon inspirieren, greift aber durchaus auch zu fiktionalen Elementen, wenn er ein Attentat auf den US-Präsidenten und ein Angriff auf Venezuela als Grundlage der Handlung einführt.
Es geht um die Journalistin Rachel Armstrong (Kate Beckinsale), die eine CIA-Agentin in Südamerika enttarnt. Weil dadurch Fragen der nationalen Sicherheit tangiert werden, wird unverzüglich ein unabhängiger Ermittler (Matt Dillon) eingesetzt, der den Informanten der Journalistin ermitteln soll. Als diese vor Gericht auf die Frage nach der Identität ihrer Quelle die Aussage verweigert, wird sie wegen Missachtung des Gerichts in Beugehaft genommen.
Eine Umkehrung des Watergate-Films "Die Unbestechlichen"
Der Rest des Films – einer Mischung aus Journalistenfilm, Justizthriller und Familiendrama – handelt vom Kampf der Mutter eines siebenjährigen Jungen gegen den Justizapparat. Es ist ein ungleicher Kampf, der trotz kompetenter juristischer Hilfe nicht zu gewinnen ist. Denn auch die Justiz versteht in Krisenzeiten keinen Spaß, wenn es um die Belange der nationalen Sicherheit geht. In den Vereinigten Staaten der Gegenwart wäre es höchst verwunderlich, wenn der Oberste Gerichtshof, in einer vergleichbaren Sache angerufen, nicht mit der Mehrheit der konservativen Richter zugunsten der Staatsgewalt votieren würde. Und genauso geschieht es auch in Luries Geschichte.
"Nichts als die Wahrheit" ist ein ernsthafter Film, der viele wichtige Fragen stellt, ohne alle Antworten parat zu haben. Lurie verzichtet dabei darauf, die Sache schwarz-weiß zu malen. Er begründet vielmehr die Standpunkte beider Seiten mit guten Argumenten. Gleichzeitig bleibt dem Zuschauer nicht verborgen, dass der Regisseur emotional und moralisch auf der Seite seiner Hauptfigur steht.
In gewisser Weise ist "Nichts als die Wahrheit" eine Umkehrung des berühmten Watergate-Films "Die Unbestechlichen", in dem Robert Redford und Dustin Hoffman als unbekannte Journalisten der Washington Post Präsident Richard Nixon zu Fall bringen. Doch der amerikanische Wind hat sich offensichtlich inzwischen gedreht. Das Misstrauen ist gegenüber der staatlichen Macht geringer geworden, gegenüber der freien Presse dagegen größer.
Deutsches Pressefreiheitsgesetz schützt Journalisten vor Strafe
Der Journalistin wird nicht vorgeworfen, unwahre Tatsachen behauptet zu haben. Es geht allein darum, ob sie ihre Quelle geheim halten darf, die sich durch die Weitergabe der Informationen strafbar gemacht hat.
In Deutschland machen sich Journalisten nicht wegen Beihilfe zur Verletzung von Dienstgeheimnissen strafbar, wenn sie geheime Informationen lediglich entgegennehmen, auswerten oder veröffentlichen. Die Regelung hat der Gesetzgeber mit dem Pressefreiheitsgesetz neu in § 353b Abs.3a StGB eingefügt. Sie trat zum 1. August in Kraft. Während der Strafrechtsausschuss der Rechtsanwaltskammer und der deutsche Richterbund die Änderung im Vorfeld skeptisch sahen, bewerteten Medienverbände die Gesetzesinitiative positiv.
Auch nach der Gesetzesänderung sollten Journalisten hierzulande weiterhin vorsichtig sein. Denn einerseits ist die Grenze zwischen Anstiftung und Beihilfe fließend und andererseits birgt die Beschränkung auf die "Entgegennahme, Auswertung und Veröffentlichung" noch immer reichlich Gefahren für zu investigative Reporter.
Der Autor Jochen Thielmann ist Fachanwalt für Strafrecht im "Strafverteidigerbüro Wuppertal" und verfasst auf lto.de regelmäßig Artikel über Justizfilme.
Der Film "Nichts als die Wahrheit": . In: Legal Tribune Online, 04.08.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6770 (abgerufen am: 04.10.2024 )
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