Eingeborenenrechte in Neuseeland: Maori-Land in Bri­ten­hand

von Martin Rath

05.02.2017

Die neuseeländische Verfassung nahm ihren Anfang als Vertrag zwischen der englischen Königin und einer Reihe von Eingeborenenstämmen – und als Zankapfel in einem bis heute nicht ganz ausgestandenen Streit um Landrechte.

Vor 140 Jahren, 1877 – zum historischen Uhrenvergleich: in Deutschland arbeitete man gerade an einer Justizreform, die ihren Namen verdiente – warf der Streit zwischen einem Maori-Politiker und einem anglikanischen Bischof ein Schlaglicht auf die Konflikte der kolonialen Landnahme.

Konkret ging es im Fall "Wi Parata v Bishop of Wellington", der vor dem Supreme Court von Neuseeland verhandelt wurde, um die Frage, ob ein Maori-Stamm unweit der heutigen Hauptstadt im Jahr 1848 die Kompetenz gehabt hatte, der geistlichen Behörde Ländereien zu übereignen. Der Sachverhalt deutet bereits an, welcher Tragödie sich die maorischen Völker ausgesetzt sahen: "Ein Maori-Stamm gab der Kirche Land zum Zweck (in trust for), an diesem Ort eine Schule zur Erziehung seiner Kinder zu errichten und zu unterhalten. Die Stiftung (the trust) wurde über dreißig Jahre hinweg nicht ausgeführt und in der Zwischenzeit wurde der Stamm zerstreut und hat sich in seiner Größe stark vermindert; die Ausführung der Stiftung wird seitens der Überlebenden nicht länger begehrt, weil dies für ihre Zwecke nutzlos wäre."

Maori-Bevölkerung schrumpfte von 200.000 auf 40.000

Konkret hatte sich binnen knapp 30 Jahren der einst rund 1.000 Menschen umfassende Ngatiotoa-Stamm auf 30 bis 40 Personen reduziert. Insbesondere die von den Europäern eingeschleppten Krankheiten, Tbc, Masern, Typhus und Grippe, wirkten sich verheerend aus – die Maori-Bevölkerung sank von geschätzt über 200.000 Menschen im 18. Jahrhundert auf rund 40.000 im Jahr 1900.

Der Rückgabe der zu Bildungszwecken gestifteten Ländereien an den Stamm stand nach Auffassung der bischöflichen Verwaltung unter anderem entgegen, dass die englische Krone – ohne Wissen der Maori-Landsassen – dem Bischof das besagte Land gleichfalls übertragen hatte.

Zu einem zentralen Urteil der neuseeländischen Rechtsgeschichte wurde die Sache "Wi Parata v Bishop of Wellington" allerdings durch Feststellungen des kolonialen Supreme Courts, was die Rechtsnatur der britischen Landnahme Neuseelands schlechthin betraf: "Der Rechtstitel der Krone bezüglich des Gebiets von Neuseeland wurde nach Völkerrecht durch Entdeckung und Vorrang der Besitznahme begründet, derweil das Gebiet nur von Wilden bewohnt war." ("The title of the Crown to the territory of New Zealand was acquired, jure gentium, by discovery and priority of occupation, the territory being inhabited only by savages.")

Verfassungsurkunde, den Nagetieren ausgeliefert

Selbst wenn die Amoral beiseite kehrt: Die Behauptung, die britischen Seefahrer seien bei der Inbesitznahme Neuseelands – von den ortsüblichen Wilden abgesehen – gleichsam auf besitzloses Land gestoßen, war bereits von Rechts wegen problematisch.

Insbesondere war im Jahr 1840 der "Vertrag von Waitangi" zwischen ihrer großbritannischen Majestät Königin Victoria und einer Vielzahl von Maori-Stämmen geschlossen worden. Auf Seiten der Maori wurde dieser Vertrag ratifiziert, auch nicht persönlich anwesenden Stammesvertretern vorgelegt, in London freilich nicht förmlich sanktioniert.

Einige Klauseln des Vertrags hätten, teils äußerst problematischer Übersetzungsfragen zulasten der Maori zum Trotz, dazu einladen können, die Rechte der Krone aus der "priority of occupation" anzuzweifeln.

Das neuseeländische Gericht ging auf Nummer sicher, indem es den Vertrag mit Blick auf eine Übertragung von Rechten auf die britische Krone zur "simple nullity" erklärte.
Ob Zufall oder bewusst vollzogen: Nachdem von den Vertragsdokumenten 1877 Fotografien angefertigt worden waren, wurden sie unzureichend archiviert und erst 1911 – teilweise von Nagetieren zerfressen –  zu musealen Zwecken wieder aufgetan und restauriert.

Heute, einige gesellschaftliche und rechtliche Schritte weiter, gilt der Vertrag von  Waitangi als erste Verfassungsurkunde Neuseelands, der Tag seiner Ausfertigung ist der Nationalfeiertag und wird seit 1934 am 6. Februar des Jahres begangen.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Eingeborenenrechte in Neuseeland: . In: Legal Tribune Online, 05.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21996 (abgerufen am: 11.10.2024 )

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