Gleich und gleich gesellt sich gern oder Gegensätze ziehen sich an? Die Frage, welches das bessere Konzept für eine Beziehung ist, ist noch nicht endgültig beantwortet. Aktuellen Untersuchungen zufolge sind Menschen mit Gemeinsamkeiten langfristig glücklicher miteinander. Aber sollten Juristen sich wirklich privat zusammentun? Zwei Juristen, (nur) zwei Meinungen…
Auch noch mit einem Juristen leben? Als hätte man nicht schon genug Probleme – meint Pia Lorenz
Mit einem Juristen möchte ich Tisch und Bett nicht teilen. Noch vor dem Aufschrei der Empörung ob dieser Diskriminierung bitte ich zu berücksichtigen, dass ich selbst eine bin. Eine Juristin. So richtig, voll ausgebildet, meist im Anzug unterwegs und mit dem entsprechenden Umfeld. Es ergibt sich scheinbar notwendig so, dass die anderen, die "normalen" Menschen peu à peu immer mehr verschwinden.
Es bleiben die Juristen – die, die auch nicht vor 20 Uhr ihre Büros verlassen, die, die mich auf dem Heimweg mit einer kurzen Frage à la „Du, ich hab da so ne Akte – was meinst Du denn dazu?“ anrufen, und vielleicht auch einfach die, die man schon lange kennt und mit denen man die Unannehmlichkeiten der juristischen Ausbildung durchgestanden hat.
Mal ehrlich: Ich weiß nicht, ob das gerade den Juristen nachgesagte "Die reden selbst auf jeder Party nur über ihren Job" den Tatsachen entspricht. Vielleicht nicht. Ich meine, das auch und gerade zum Beispiel bei Lehrern und Designern noch wesentlich schlimmer erlebt zu haben. Dass wir Juristen dies auf Partys weniger tun, liegt aber wohl daran, dass wir es sonst ständig tun. Beim Kaffeeklatsch mit einer Freundin, bei Gericht mit Kollegen, in der Kanzlei sowieso.
Die Juristerei schafft täglich neue Probleme, die uns im Idealfall wirklich interessieren und faszinieren können. Sie schafft Herausforderungen, die man häufig mit zwei Köpfen besser lösen kann als mit einem. Die Juristerei kann, will man es denn so, einen durchaus 24 Stunden täglich beschäftigen. Sie hat das (Sucht-)Potential dazu.
Und genau dort liegt doch der Hase im Pfeffer: Nach landläufiger Auffassung gilt eine Sucht als nichts sonderlich Positives. Und dem kann ich nur beipflichten: Ich will mich nicht 24 Stunden am Tag mit der Juristerei beschäftigen.
Fast mein gesamter Freundeskreis besteht aus solchen Süchtigen – die man vielleicht nur lieben kann, weil man nicht weniger bekloppt ist als sie selbst. Und wenn ich nach dem Zwölf-Stunden-Tag und der After-Work-Party oder dem Absacker mit Freunden – natürlich zu 90 Prozent Juristen – nach Hause komme, möchte ich nicht gefragt werden, ob ich eigentlich mein Hypotheken-Problem von neulich gelöst habe. Ich möchte auch nicht hören, dass mein aktueller Lebensabschnittsgefährte auf dem besten Weg ist, seinen Deal erfolgreich abzuschließen.
Wenn ich dusche, will ich keine Plädoyers zur Probe halten, wenn ich frühstücke, nichts aus der NJW vorgelesen bekommen. Und auf die Frage, wie mein Tag war, möchte ich am allerliebsten antworten: "Gut. Fall gewonnen / schwieriges Problem gelöst / Mandant zufrieden." Nur das. Und dann soll mein Lebensabschnittsgefährte mir erzählen, wie sein Tag war. Von Schülern meinetwegen. Von Patienten vielleicht. Auch gern von schwierigen Kunden oder von Problemen beim Zusammenschrauben eines Tisches. Nur bitte aus einer anderen Welt.
Mit einem Juristen auch noch Tisch und Bett teilen? Synergetisch, praktisch, gut – meint Jan Schmidt.
Vor vielen Jahren überprüfte ein prominenter Namensvetter von mir im Deutschen Fernsehen regelmäßig den Wahrheitsgehalt bekannter und beliebter Sprichwörter; die Beweisführung begann mit einem unnachahmlichen "Hmm – mal sehen, ob das Sprichwort stimmt". Natürlich war die Versuchsanordnung so gewählt, dass das (positive) Ergebnis vorher feststand. "Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein" – und der, der grub und dann auch fiel, war Herbert Feuerstein.
Nicht weniger unseriös ist die Versuchsanordnung des wirklichen Lebens zum bekannten und beliebten Sprichwort "Gleich und Gleich gesellt sich gern". Hmm – mal sehen, ob das Sprichwort stimmt: Man versehe Menschen beiderlei Geschlechts mit einer Profession, die am Tag mehr Zeit abverlangt, als der Tag überhaupt zur Verfügung stellt, pferche diese Menschen twenty-four/seven in einen Käfig, dessen Glas und Beton höchste architektonische Ansprüche erfüllen, und warte einfach ab.
Sie, liebe Leser, werden längst kombiniert haben: Die Profession ist die eines Rechtsanwalts/einer Rechtsanwältin, der Käfig (oder besser: Juristenbrutkasten) wird halbherzig als Law Firm in bester Lage getarnt und schon ist mehr als abwarten nicht nötig.
Bei der üblichen Anzahl an Versuchspersonen ist statistisch sichergestellt, dass hinreichend viele nicht bereit sind, die grundlegenden menschlichen Sehnsüchte durch Pferdestärken, Rah- und Schratsegel oder Marmorfußböden zu sublimieren. Und genau diese Personen werden über kurz oder lang an bestimmten Kolleginnen/Kollegen mehr zu schätzen lernen als die Zahl akquirierter Mandanten oder ihrer Billable Hours.
"Wenn der Jurist mit der Juristin..." ohnehin 120 Prozent seiner Lebenszeit verbringt, entspricht es voll und ganz billigem Ermessen, die verbleibenden 30 Prozent ebenfalls mit ihr zu teilen. Das ist menschlich nachvollziehbar und betriebswirtschaftlich sinnvoll: Selbst in den kurzen Zeiten, welche die beiden nicht getrennt von (Schreib-)Tisch und Bett verbringen (vereinzelt wird dafür sogar Urlaub gewährt), werden sie nicht anders können, als ihre privaten mit den dienstlichen Fusionen zu kombinieren und letzte Feinheiten des Share Deals beim gemeinsamen Time-Sharing zu verhandeln.
Profit beim Billen wie beim Chillen – eine Win-Win-Situation für Probanden und Käfigbetreiber. Meinen Segen haben sie.
Pro & Contra: . In: Legal Tribune Online, 23.04.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/307 (abgerufen am: 13.12.2024 )
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