Disziplinarrecht: Hat der Amts­ge­richtsrat zu Ostern gelogen?

von Martin Rath

16.04.2017

2/3: Wiedergutmachung scheitert zunächst

Die Streichung der Altersversorgung wog schwer: Im Jahr 1889 geboren, war der Mann 1913 als Hilfsgerichtsdienter eingestellt worden und "nach ehrenvoller Teilnahme am 1. Weltkriege" seit 1919 als Justizwachtmeister beim Amtsgericht beschäftigt. Mit Anfang/Mitte 50 war er in einem Alter, in dem man damals noch weit weniger als heute große berufliche Sprünge macht.

Zwischen dem Justizwachtmeister, einem gerichtsbekannt gläubigen Katholiken, der "sich stets von dem Nationalsozialismus" ferngehalten hatte, und dem Amtsgerichtsrat Dr. Schubert herrschten zum Zeitpunkt des Vorgangs bereits seit rund zwei Jahren Animositäten – dieser wollte den Wachtmeister u.a. als politisch unzuverlässigen, vermeintlichen Polen aus dem Dienst entfernt haben.

Bemühen um Rehabilitation

Dr. Schubert, der als Zeuge im Disziplinarverfahren auftrat, belastete den Wachtmeister schwer. Wir dürfen uns diesen Amtsgerichtsrat wohl als einen Kopf jener schneidigen und teils radikal nationalistischen Juristengeneration vorstellen, deren Angehörige sich dem Nationalsozialismus umso mehr zuwandten, als sie zu jung waren, um selbst den Ersten Weltkrieg erlebt zu haben und zu karriereorientiert, als dass sie sich an "verdrängten" jüdischen, liberalen, sozialdemokratischen Kollegen oder an der Hirnverbranntheit der NS-Weltanschauung hätten stören wollen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bemühte sich nun der aus dem Beamtenverhältnis entfernte Wachtmeister a.D. wiederholt um Rehabilitation, die zuletzt der Bundesminister des Inneren mit Bescheid aus dem Jahr 1954 zurückwies: Die Dienststrafkammer habe 1942 "erhebliche Verstöße des Antragstellers (Anm. des Autors: des Wachtmeisters) gegen seine Beamtenpflichten festgestellt, insbesondere habe er seine gehässigen Angriffe gegen seinen Vorgesetzten, Amtsgerichtsrat Dr. Schubert, auch noch in der Hauptverhandlung in uneinsichtiger und geradezu empörender Art hartnäckig aufrechterhalten".

Im Ergebnis liege, so der Bundesinnenminister, in der wirtschaftlichen Vernichtung des ehemaligen Beamten keine spezifisch nationalsozialistische Härte.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Disziplinarrecht: Hat der Amtsgerichtsrat zu Ostern gelogen? . In: Legal Tribune Online, 16.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22662/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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