Oktoberfest: Dirndl-Tipps für Muschelschubser

Nina Anika Klotz

13.09.2010

Am 18. September beginnt die "Jubiläumswiesn", das 200ste Oktoberfest in München. Sechs bis sieben Millionen Besucher erwartet die bayerische Landeshauptstadt und alle quält vor ihrer Anreise nichts so sehr wie Frage: Was ziehe ich auf der Wiesn bloß an?

Der Münchner an sich, das ist bekannt, ist ein Grantler. Und am granteligsten ist er immer dann, wenn das Oktoberfest vor der Tür steht. Er grantelt über die ewig steigenden Bierpreise, die verschärften Polizeikontrollen, "g’spinnerte" neue Fahrgeschäfte und – das ist das Schlimmste! – über den um sich greifenden "Dirndlfetischismus" und die "Saupreissn" in ihrer Möchtegern-Tracht. Der designierte Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, Kurt Kister, schrieb über die "Unsitte des großen Bierfaschings": "Immer häufiger verstehen die Leute die Wiesn als eine Art Hansi-Hinterseer-Brauchtumsfasching mit einem Schuss urbaner Lederhosigkeit."
Na so was!

Nun muss man aber ehrlicherweise gestehen, dass ein Wiesnbesuch ohne Tracht ungefähr so viel Spaß macht wie Freibad ohne Badehose oder Skihütte ohne Ski. Darum sollte man auch den Nordlichtern, Muschelschubsern, Fischköpfen und anderen "Zugroastn" den Spaß an der schönsten Jahreszeit der Münchner nicht verderben – allerdings sollten sie beim Dirndlkauf äußerste Vorsicht walten lassen. Landhaus-Irgendwas ist ein No-go, ebenso Dirndl im Animal-Print. Das ist klar. Aber auch das "g’scheide" Dirndl muss richtig sitzen und getragen werden. Die Münchner Dirndl-Designerin Julia Trentini gibt Tipps für alle, die nicht auf den ersten Blick als "Saupreiss" enttarnt werden wollen.

Welches hätten’s denn gern?

Dirndl gibt es in drei Längen: Lang, midi oder mini. Wobei – falsch. Eigentlich gibt es nur zwei Möglichkeiten, denn: "Mini geht gar nicht", urteilt die Dirndl-Designerin. "Ein Dirndl ist traditionell ein ausnehmend feines und vornehmes Kleidungsstück, und das sollte man auch wahren. Man kann durchaus einen schönen Ausschnitt darin haben, aber wenn man dazu noch viel Bein zeigt, sieht das schnell billig aus."

Außerdem, erklärt Julia Trentini, stimmen bei den Mini-Dirndln die Proportionen des Kleides nicht. Das wirkt unvorteilhaft. "Die Rocklänge ist von der Körpergröße abhängig, der Rock sollte aber immer länger als das Mieder sein." Die Dirndl-Designerin rät deshalb entschieden zu den im Trend liegenden "Midi-Dirndln", denn knapp überknielangen Kleidern. "Die haben eine Rocklänge zwischen 60 und 75 Zentimetern und das ist eigentlich am Schönsten." Gegen ein knöchellanges Dirndl spricht ebenfalls gar nichts, außer, dass es als nicht so modisch gilt. Bei einer geschäftlichen Einladung zur Wiesn ist man damit aber bestens ausstaffiert.

Das Wichtigste bei der Dirndlanprobe: Tief ausatmen! "Ein Dirndl darf auf gar keinen Fall zu weit sein", erklärt Dirndl-Expertin Julia Trentini. "Es muss um die Brust herum richtig schön eng sitzen. Der Stoff darf sich nicht wellen oder Falten werfen." Auch an der Taille darf nichts schlackern und man darf ruhig ein bisschen pressen müssen, damit alles unverrückbar sitzt. Deshalb sollte man beim Dirndlkauf ruhig mal eine Nummer kleiner probieren.

"Der Brustkorb gibt nach!"

"Wer mit Dirndln noch keine Erfahrung hat, mag vielleicht beim ersten Hineinschlüpfen den Eindruck haben, dass es ein bisschen zu eng ist." Aber da muss man durch, das gehört so. Irgendwann hört das Gefühl, eingeschnürt zu sein, auf, tröstet Julia Trentini: "Der Brustkorb gibt nach einer halben Stunde etwas nach und dann mauschelt sich das alles schön ein." Das stimmt: Erprobte Wiesngängerinnen können bestätigen, dass zehn bis zwölf Stunden im noch so engen Mieder kein Problem sind, drei Maß, zwei Brezn und ein Hendl passen sogar auch noch rein.

Das alles verschwindet irgendwo unter dem weiten Rock. Da, wo sich auch Bauch, Hüften und dickliche Pos ganz charmant verstecken lassen. "Ein Dirndl ist ein sehr vorteilhaftes Kleid", findet Julia Trentini. "Oben ist alles eingeschürt und unten schön verhangen." Was aber tun, wenn oben nicht viel einzuschnüren ist? Kein Problem, findet die Dirndl-Designerin: "Dafür gibt es ja gute Push-ups". Fehlendes Holz vor der Hüttn zaubern die mit etwas Druck nach oben ganz spielend herbei.

Für die Lederhose gilt im Übrigen dasselbe: Schön "krachert" und nicht zu weit soll sie sitzen! Julia Trentini rät männlichen Kunden, die dann vielleicht doch öfter als ein Mal auf die Wiesn gehen, sich tatsächlich ein edles Stück bei einem Säcklermeister im Münchner Umfeld anfertigen zu lassen. Die sorgen dafür, dass die Lederhose reibungsfrei (und zwar ganz wörtlich!) sitzt und fertigen Stickereien individuell und per Hand an. Sich seine Initialen auf dem Latz sticken zu lassen ist zum Beispiel gar nicht so unüblich. Viel teurer sei die Handanfertigung im Vergleich zum Stangenmodell auch nicht, so Trentini.

Flirtfreudige Linksträgerinnen

Die passende Tracht allein reicht allerdings nicht aus, um als Quasi-Bayer durchzugehen. Man muss auch wissen, wie man sie trägt! Das mit dem Schürzenband hat sich ja fast schon bis an die Waterkant durchgesprochen: Schleife rechts bedeutet "vergeben", Schleife links schreit "Ich bin Single". So simple Erkennungszeichen können auf dem Flirtfest Wiesn durchaus hilfreich sein. Neu ist das dezente Chiffre allerdings nicht, so die Dirndlexpertin. "Früher galt auch: Die schwarze, hochgeschlossene Bluse war für verheiratete Frauen, weiße Blusen standen für Jungfrauen."

Überhaupt konnte man aus der Tracht sowohl einer Frau als auch eine Mannes eine ganze Menge über sie oder ihn erfahren. Zum Beispiel am "Charivari". Das Charivari ist eine Kette am vorderen Bund der Lederhose, in die man früher Jagdtrophäen, Münzen und andere persönliche Gegenstände gehängt hat. Die sagten viel über den Status des Trägers aus. Heute klimpern Mode-Charivaris auch an Damentrachten und sagen vor allem: "Ich habe Geschmack!" – und das ist ja auch etwas wert.

Dirndl-Designerin Trentini zeigt sich, was alle Kleidungsstücke rund um das Dirndl herum angeht, recht liberal: "Bei den Schuhen ist meiner Meinung nach so gut wie alles erlaubt. Chucks, Pumps, Ballerinas – alles ok. Schuhe und Accessoires sind ja auch die einzige Möglichkeit, seinen eigenen Stil auszudrücken, da ja alle Trachten ziemlich ähnliche Schnitte und Stoffe verwenden." Ein besonderes Highlight könnte auch ein Trachtenhut sein – auf der Wiesn im vergangenen Jahr bereits stark im Kommen. "Toll sind ganz klassische Hüte, wie sie zur Miesbacher Tracht gehören. Oder auch modischere Ausführungen. Wichtig ist nur, dass die Hüte nicht zu groß sind", warnt Julia Trentini.

Der Bierkrug-Hut oder die Dreiecksfilzhüte mit der Aufschrift "Oktoberfest Munich 2010" sind damit raus, bitte merken! Aber die setzen ohnehin nur die Italiener nach der dritten Maß auf. Und dann granteln wieder alle Münchner und der Süddeutsche-Chef, dass die Saupreissn ihnen alles, Wiesn und Tracht und sowieso, verhunzen. Und daran wollen Sie ja wohl nicht Schuld sein.

Nina Anika Klotz ist freie Journalistin, im Herzen Münchnerin und im echten Leben Jetzt-mal-Berlinerin.

Zitiervorschlag

Nina Anika Klotz, Oktoberfest: . In: Legal Tribune Online, 13.09.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1444 (abgerufen am: 14.10.2024 )

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