Modegeschmack vor Gericht: Die hängenden Hosen von New York City

von Uwe Wolf

25.09.2010

Schlaghosen, Plateausohlen oder nabelfreie Tops? Über modischen Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. In der Stadt New York musste jetzt ein Richter tief hängende Schlabberhosen von Teenagern beurteilen. Sein Tenor: Schlechter Stil muss nicht strafbar sein.

Julio Martinez, ein Hispano-Amerikaner aus dem New Yorker Stadtteil Bronx, dachte sich nichts dabei, als er im April 2009 durch die Straßen des Großstadtviertels schlenderte. Seine Sorglosigkeit wurde durch einen plötzlich vor Martinez aufkreu-zenden Polizeibeamten jäh unterbrochen.

Der Mann in Uniform verpasste dem verdutzten jungen Mann einen Strafzettel wegen "ordnungswidrigen Verhaltens". Grund der Strafaktion: Die Beinkleider des Teena-gers. Laut Strafanzeige hing Martinez' Hose so weit unterhalb seiner Pobacken, dass sie "den Blick auf seine Unterhose freigab und potentiell die Gefahr bestand, dass seine Genitalien (O-Ton: "private parts") entblößt würden."

Der junge Latino wollte das Knöllchen nicht akzeptieren und ging vor Gericht.

Verfassungsrecht auf "törichten" Modegeschmack

Amtsrichter Ruben Franco blätterte im New Yorker Strafgesetzbuch und in der US-Bundesverfassung. Danach war für ihn der Fall klar: Julio Martinez durfte weiterhin ungestört Schlabber-Look tragen.

Der Straftatbestand des ordnungswidrigen Verhaltens, so Richter Franco, erfordere ein mutwilliges, gefährliches Verhalten, durch das eine öffentliche Panik oder zumindest eine akute Belästigung der Allgemeinheit ausgelöst werde. Für solch eine öffentliche "Panik" seien aus dem gesamten Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte zu entnehmen.

Der Richter stellte klar, dass wahrscheinlich die Mehrheit der Bürger die tief hängenden Beinkleider der Jugendlichen "geschmacklos und in der Tat töricht" finden würden; dennoch ließe die Verfassung der USA "für die Menschen eine gewisse Möglichkeit, töricht zu sein, wenn sie das denn wollten."

Schlabber-Look ruft Politiker auf den Plan

Wie auch Richter Franco nach einer Wikipedia-Recherche feststellte, stammt der Unterwäsche entblößende Schlabber-Look aus den amerikanischen Strafanstalten. Die Insassen der US-Gefängnisse erhalten bei ihrer Einweisung demnach oftmals zu weite Anstaltskleidung; da die Gefangenen aus Sicherheitsgründen keine Gürtel tra-gen dürfen, ist der Anblick von tief sitzenden Hosen und herauslugender Unterwäsche dort offensichtlich keine Seltenheit.

Der "Hänge-Hosen" ("saggy pants") genannte Jugendtrend hat in den USA mittlerweile auch die Politik auf den Plan gerufen. Politiker in Atlanta und im Bundesstaat Louisiana erwägen rechtliche Verbote der überweiten Buxen. Sogar US-Präsident Obama hat sich öffentlich gegen den Hänge-Mode ausgesprochen.

Am intensivsten beschäftigt sich der New Yorker Senator Eric Adams mit den modischen Abwegen der Teenager. Adams ließ in der Millionenstadt Poster mit dem griffigen Slogan "Stop the Sag" (in etwa: "Nein zum Durchhänger") plakatieren. In einem Video in YouTube verkündete der Senator der Internet-Gemeinde: "Ihr erhöht Euren Respekt, wenn Ihr Eure Hosen höher tragt."

Welchem modischen Trend sich der Streifenpolizist aus der Bronx, der den Rechtsstreit ins Rollen brachte, nun zuwenden wird, bleibt abzuwarten.

Der Verfasser Dr. Uwe Wolf ist Jurist und freier Autor in Düsseldorf.

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Zitiervorschlag

Uwe Wolf, Modegeschmack vor Gericht: Die hängenden Hosen von New York City . In: Legal Tribune Online, 25.09.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1566/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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