Unsere Republik als Schatzkammer der Erfahrung kennen lernen
Zu viel historisches Bewusstsein kann bizarre Konsequenzen haben. Das lässt sich derzeit im britischen Parlament beobachten, wo nicht wenige Abgeordnete den Eindruck erwecken, sie kämpften darum, das Ehe- und Scheidungsglück König Heinrichs VIII. gegen die Suprematie-Ansprüche des Europäischen Gerichtshofs zu verteidigen – anschließende Plünderung einheimischer Klöster nicht ausgeschlossen.
Aber auch Mangel an historischem Bewusstsein kann schmerzhaft sein. Zu den Epochen, die dabei eher selten als therapiebedürftig ins Bewusstsein kommen, zählt die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland – auch darum wird im Internet über politische Probleme der Gegenwart herumgeschrien, als sei man im Kreißsaal, nicht in der Schatzkammer gereifter Erfahrungen.
Der Bremer Rechtsprofessor Roland Dubischar hat mit seinen "Prozessen, die Geschichte machen" zehn große Zivilrechtsfälle aufbereitet, in denen sich vor allem Rechts- und Wirtschaftsgeschichte sowie Rechts- und Medizingeschichte der Bundesrepublik verbinden. Die Entwicklung der Arzthaftung oder die Konkursgeschichten wichtiger deutscher Kreditinstitute werden hier jeweils von beiden Seiten greifbar – käme ein Buch wie dieses einmal jährlich zu neuen Fällen heraus, Juristen und Laien würden die Auffassungen vom Recht der jeweils anderen deutlich weniger schmerzhaft wahrnehmen.
Michael Kittner (einige Bilder weiter vorne), macht insoweit ein bisschen Hoffnung.
Roland Dubischar: Prozesse, die Geschichte machten. Zehn aufsehenerregende Zivilprozesse aus 25 Jahren Bundesrepublik. München (Beck) 1997.
Literarische Empfehlungen: . In: Legal Tribune Online, 10.02.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33769 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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