Seit diversen öffentlichkeitswirksamen Plagiatsskandalen stehen gerade rechtswissenschaftliche Doktorarbeiten unter dem Verdacht, keine rechte Leistung zu dokumentieren. Dabei haben es aktuelle Jura-Dissertationen wirklich in sich.
Abseits der juristischen Branche liest kaum ein Mensch die Dissertationen des rechtswissenschaftlichen Fachs. Das ist ein wenig traurig, denn diese juristische Publikationsform kann uns vieles erklären. Beispielsweise kann sie dabei helfen, etwas Substanz in die Diskussion um "Netzneutralität" zu bringen – vielleicht sogar ein wenig politische Dynamik.
Auch die Frage, woher die Lust am Strafen kommt, betrifft ein Thema, das eine Gesellschaft nicht Polizeigewerkschaftspressesprechern überlassen sollte, die ihre Beruhigungsmittel einzunehmen vergessen haben. Über Strafbegründungen in den letzten Jahrzehnten wurde systematisch geforscht, ein Blick darauf kann lohnen.
Ebenso lassen sich juristische Arbeiten lebenspraktisch verwenden: Dem pubertierenden Nachwuchs, der den Eltern eines Morgens verkündet, nur noch vegan essen zu wollen, könnte man beispielsweise ein Studium einer lebensmittelrechtlichen Dissertation verordnen oder die Lektüre einer Studie zum "Recht auf Nahrung", um die Luxusprobleme des modernen Lebens ein wenig zu relativieren.
Das Recht ist bekanntlich keine statische Ordnung, aber wer nur auf Gerichtsentscheidungen oder die Gesetzgebung schaut, um Entwicklungen zu beobachten, blickt sicher zu kurz. Diese Bilderreihe präsentiert, ohne jeden Anspruch auf Repräsentativität, einige neuere Doktorarbeiten, die das Recht in Bewegung zeigen.
Eine Offenheit der Kommunikation, die Vorkehrungen für die Medienvielfalt durch die Gewährleistung kommunikativer Chancengleichheit trifft, diene nicht allein der der Verwirklichung des Individuums und seiner Persönlichkeitsentfaltung, sondern auch den überindividuellen Interessen der Gesellschaft und der Demokratie.
Pflichten des Staates, die sich aus diesem Wert der Kommunikationsdienstleistungen ergeben, müssten sich auch auf das Internet als Kommunikationsraum auswirken.
In seiner 2015 in Hamburg vorgelegten Dissertation "Die Netzneutralität des Grundgesetzes" weist Lennart Ziebarth einer der wenig bekannten, vom heutzutage meist schamlos pragmatischen verfassungsändernden Gesetzgeber eingefügten Norm ihren Wert zu. Die Rede ist von der Pflicht des Bundes, "im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen" zu gewährleisten: Art. 87 f Grundgesetz.
Die Sache mit der Netzneutralität kann man sich ganz schlicht als gleichberechtigten Datenfluss ohne Ansehen von Sendern, Empfängern und Inhalten vorstellen. Ganz so einfach ist sie natürlich nicht zu handhaben im großen Knäuel historischer und dogmatischer Distinktionen der verschiedenen Kommunikationsmittel und ihrer jeweiligen Freiheiten, das Ziebarth auseinandernimmt, um zu den einzelnen Gewährleistungsansprüchen gegen den Staat vorzudringen.
Seine Arbeit macht ein bisschen wehmütig: Früher konnten sich aus Menschenwürdegarantie und Sozialstaatsgebot noch revolutionäre juristische Diskussionen entwickeln, heute braucht es für die kaum weniger wichtigen Kommunikationsrechte der gründlichen analytischen und dogmatischen Vorarbeit:
Lennart Ziebarth: "Die Netzneutralität des Grundgesetzes". Dissertation, Universität Hamburg 2015. Baden-Baden (Nomos-Verlag) 2016.
Welche Argumente zieht der Gesetzgeber heran, um Änderungen im Strafrecht zu begründen? Genauer gesagt: Was rechtfertigt die in den vergangenen Jahrzehnten – fast ausnahmslose – Ausweitung und Ergänzung der Tatbestände, die Erhöhung der Sanktionen?
In ihrer Dissertation "Strafgesetzgebung in der Spätmoderne. Eine empirische Analyse legislativer Punitivität" untersuchte Christina Schlepper die Gesetzgebungsprozesse der 8. bis 15. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags auf die vorherrschenden Argumentationsmuster.
Eine Konjunktur wechselnder Stärke hat etwa das Schlagwort von der "Strafbarkeitslücke" erlebt, auch die "Abschreckung" erfuhr ein etwas diskontinuierliches Wachstum im Schriftgut, das in den Gesetzgebungsprozessen gewälzt und nun von Schlepper ausgewertet wurde.
Als Hintergrund für die wechselnden Begründungsphrasen wird eine Tendenz zur sogenannten Punitivität in Betracht gezogen, zu Deutsch etwa: ein Anstieg der Straflust, die möglicherweise auf eine neoliberale Neuordnung der westlichen Gesellschaften zurückzuführen sei. Von dieser Tendenz könne sich auch die deutsche Rechtspolitik nicht freisprechen, wenn man sie – nicht zuletzt in populären Medien – natürlich zuvörderst in den USA und Großbritannien sehen möchte.
Christina Schlepper: "Strafgesetzgebung in der Spätmoderne. Eine empirische Analyse legislativer Punitivität", Dissertation, Universität Hamburg, 2014. Wiesbaden (Springer VS) 2014.
"Ich glaube, dass es völlig verfehlt ist, mit den Bürgerrechten zu argumentieren. Diese Technologie dient dazu, Verbrecher zu schnappen." Mit der flapsigen Anmerkung gemeint war der ermittlungstechnische Gebrauch der Gen-Sequenzierung.
Die zitierte, trivial formulierte Idee einer weitgehenden, wenn nicht Voll-Erfassung der Bevölkerung seines Landes stammte vom damaligen britischen Premierminister Tony Blair, der im Jahr 2000 gleich sein eigenes Gengut bei der zuständigen Behörde einreichte. In Deutschland machte damals der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis mit dem Vorschlag von sich reden, Genmaterial aller männlichen Bundesbürger einzusammeln.
Die bis heute nachwirkende Konsequenz dieser kriminalpolitischen Diskussion, in der stets politische Überwachungsfantasien mitschwangen, ist eine Rechtslage, in der Strafverfolgungsinteressen und Bürgerrechte nicht allzu gut gegeneinander abgewogen sind.
In ihrer Dissertationsschrift legt Maren Beck Vorschläge zur Verfeinerung der §§ 81 a bis h Strafprozessordnung (StPO) vor, regt beispielsweise den Verzicht auf Normen an, die nur oberflächlich dem Schutz der Bürgerrechte dienen (§ 81 f StPO).
Die Möglichkeiten molekulargenetischer Untersuchungen heben klassische Grenzen der Strafverfolgung auf. Mit der Ablieferung seiner Gen-Probe lieferte Tony Blair beispielsweise wertvolles Material, das dereinst nützlich sein mag, sollte eines seiner vier Kinder einer Straftat verdächtigt werden. An die Stelle von Selbstbelastungsverbot und Zeugnisverweigerungsrecht treten letztlich Fragen der (Gen-)Datenspeicherung und der Reihenausforschung. Wie weit die alten Begrenzungen des strafenden Staates noch passen, darüber gibt Maren Becks Dissertation zu denken.
Maren Beck: "Die DNA-Analyse im Strafverfahren. De lege lata et ferenda", Dissertation, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Baden-Baden (Nomos-Verlag) 2015.
Als das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung 1983 die höheren Weihen der verfassungsrichterlichen Anerkennung erhielt, war es bereits gut ein Jahrzehnt lang diskutiert worden.
Gewerkschaften kämpften damals darum, die Effizienzgewinne der beginnenden Digitalisierung in Freizeitsausgleich ohne Lohnverzicht zu überführen, wenn sie nicht überhaupt etwas dagegen hatten, beispielsweise den Schriftsetzern den Bleikasten aus der Hand zu nehmen. Außerdem galt es 1983 als ausgemachte Sache, dass der brave Helmut Kohl mit seiner geplanten Volkszählung irgendwie die finsteren Visionen aus George Orwells "1984" umsetzen wolle.
Kurz: Das damals auf den juristischen Meinungsmarkt gebrachte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung war vergleichsweise populär. Neuere Grundrechtsinnovationen haben dagegen einen schweren Stand.
In seiner Dissertation "Das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme und die Gewährleistung digitaler Privatheit im grundrechtlichen Kontext" leistet Daniel Taraz, was der etwas barocke Titel seiner Untersuchung verspricht.
In den Blick kommt nicht allein, ganz klassisch, die Abwehr gegen staatliche Zugriffe auf das digitalisierte Profil des Menschen, sondern auch die Pflicht des Staates, den Einzelnen vor zu weitreichenden algorithmisierten Selbstfestlegungen vor den Rückwirkungen seines Profils vom digitalen auf seinen übrigen Sozial- und Wirtschaftsraum zu schützen.
Als Bestandsaufnahme und Verteidigung des neuen Grundrechts mit dem sperrigen Namen gegen dogmatische Kritik zu lesen:
Daniel Taraz: "Das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme und die Gewährleistung digitaler Privatheit im grundrechtlichen Kontext. Wegbereitung für eine digitale Privatsphäre". Dissertation, Universität Hamburg 2015, Hamburg (Verlag Dr. Kovač) 2015.
Teenager organisieren heute ihren Auszug aus der Knechtschaft ihres Elternhauses nicht mehr, indem sie wilde Ansichten über Freiheitsrechte oder die Politik vertreten, zum Beispiel mit Diskussionen darüber, wer beim wem übernachten darf. Stattdessen werden elterliche Toleranzwerte über naseweise Vegetarismus- oder Veganismusbekenntnisse ausgetestet.
Konservative Kulturkritiker behaupten, dass der Wunsch, sich gesund zu ernähren, in den westlichen Gesellschaften den Rang einer Ersatzreligion angenommen habe. Diese These mag etwas daran kranken, dass sie meist von Vertretern bereits etablierter Kulte geäußert wird. Doch ganz von der Hand zu weisen ist sie nicht, denn die Obsession für "gesunde Ernährung" ist doch angesichts des heutigen Stands der Lebensmittelhygiene – objektiv aß man nie gesünder als heute – ein bisschen merkwürdig.
Gute Fundamentalisten benötigen heilige Schriften. Im Fall der Lebensmittelgläubigen dürfte es sich dabei um das Groß- und das Kleingedruckte auf der Verpackung handeln. Darf ein Lebensmittel als gesundheitsförderlich dargestellt werden? Wie trunken darf alkoholfreies Bier machen? Muss der sogenannte Biobauer seine Bioeier mit Biosiegel versehen oder darf es ihm genügen, auf den Bioglauben seiner Biokäufer zu setzen?
In ihrer Dissertation "Lebensmittelkennzeichnung im Lichte des wohlgeordneten Rechts" stellt Katharina Schipper fest, dass es nicht überall allzu wohlgeordnet ist, dieses Recht der Lebensmittelkennzeichnung. Was das Recht zum Groß- und zum Kleingedruckten auf Lebensmittelverpackungen sagt, ist in der juristischen Publizistik überwiegend Sache von Fachzeitschriften und Kommentarwerken. Für alle, die in Rechts- oder Glaubensstreitigkeiten über die Beschriftung von Lebensmitteln verstrickt sind, ein Weg zur wahren Lehre:
Katharina Schipper: "Lebensmittelkennzeichnung im Lichte des wohlgeordneten Rechts". Dissertation Viadriana-Universität Frankfurt an der Oder 2015, Baden-Baden (Nomos-Verlag) 2015.
Seit 1975 der althergebrachte Tatbestand des "Mundraubs" aus dem Gesetz gestrichen wurde, ist für den regulär studierten Juristen der schlichte Hunger kein allzu greifbares Rechtsproblem.
Ob Ernst-Wolfgang Böckenförde, als er sein bis zur Erschöpfung zitiertes Wort von den Voraussetzungen des Staates formulierte, die dieser nicht selbst hervorbringen könne, auch an den gedeckten Tisch in der Gerichtskantine gedacht hat?
In seiner Dissertation "Die universelle Durchsetzung des Rechts auf Nahrung gegen transnationale Unternehmen" nimmt sich Ibrahim Kanalan einiger Rechtsfragen an, die unter Juristen kaum unpopulärer sein könnten. Gilt es doch als unfein, über Alternativen zur marktwirtschaftlichen Bedürfnisbefriedigung nachzudenken: Ist das Recht auf Nahrung ein positives Recht jedes Menschen? Aus welchen historischen Prozessen lässt sich erklären, dass zwar Staaten, nicht aber transnationale Unternehmen zu Adressaten völkerrechtlicher Ansprüche werden konnten?
In Kanalans Dissertation wird etwa der Zusammenhang zwischen der südafrikanischen Rechtsprechung zum Recht auf Trinkwasser – 50 Liter, 42 Liter oder abstrakte Gewährleistungspflicht des Staates – und der deutschen Rechtsprechung in Sachen Existenzminium sowie zur Durchsetzung der sozialen Menschenrechte allgemein hergestellt.
Seit der Tatbestand des "Mundraubs" gestrichen wurde, reibt sich der juristische Alltagspositivismus selten an so unmöglichen Fragen wie jener, ob der Mensch ein Recht hat, nicht zu hungern. Es ist selten, dass das liberale Marktmodell im juristischen Wissenschaftsbetrieb so klar in Frage gestellt wird. Vielleicht nicht die richtigen Antworten, aber interessante Fragen enthält:
Ibrahim Kanalan: "Die universelle Durchsetzung des Rechts auf Nahrung gegen transnationale Unternehmen". Dissertation Universität Bremen 2014, Tübingen (Mohr Siebeck) 2015.
Zu den Dingen, die früher immer schon besser waren als heute, zählte das Arbeitsleben. Genauer gesagt: das Arbeitskampferleben. Vom Arbeiter wurde einst in unregelmäßigen Abständen verlangt, dass er für Kaiser, Führer, Volk und Vaterland in den Krieg zog oder doch wenigstens in der Kaserne lernte, sich zu diesem Zweck diszipliniert zu verhalten.
Dass er Disziplin gelernt hatte, kam dem Arbeiter dann auch entgegen, wenn er etwas ganz Verbotenes tat, wenn er also in den Streik trat. Ein von gewerkschaftlichen Feldwebeln geführter Arbeitskampf kam dem Reserveoffizier im Richterornat gleich viel weniger bedrohlich vor. Noch in jüngster Vergangenheit streiften sich Streikende stets Müllsäcke mit Gewerkschaftsaufdruck über, weil uniformierte Ordnung einfach sein muss.
Nachdem sich aber die Gerichte beispielsweise 2009 geweigert hatten, Flashmobs im Arbeitskampf als unerlaubtes Partisanentum zu sanktionieren, wurde die Frage diskutiert, ob Streiks nunmehr in formlose Konflikte ausufern müssten, frei nach Matthias Beltz: "Parmesan und Partisan, wo sind sie geblieben. Parmesan und Partisan, beide sind zerrieben."
Gänzlich zerrieben haben sich die Arbeitskämpfenden bisher aber noch nicht. Gleichwohl besteht Bedarf daran, die Chancen- und Risikoverteilung im Arbeitskampf stets von Neuem in den Blick zu nehmen. Eine historische Rechtsprechungsanalyse mit Blick auf die gegenwärtige Handlungsmachtverteilung liefert:
Lydia Kleist: "Hat der Grundsatz der Kampfparität noch Bestand? Eine kritische Analyse der Rechtsprechung des 1. Senats des Bundesarbeitsgerichts seit der Jahrtausendwende". Dissertation Universität Bremen 2015 (Verlag Dr. Kovač), Hamburg 2015
Von arbeitskampffähigen Gewerkschaften können die Arbeiter in der Volksrepublik China nur träumen. In seiner unkodifizierten Form lässt sich das deutsche Arbeitskampfrecht auch kaum in fremde Rechtsordnungen einschmuggeln, was ein wenig bedauerlich ist, vielleicht bedürfte es dann keiner Dissertationen über ein "Recht auf Nahrung".
Eine deutlich weniger kontrovers diskutierte, allerdings auch seit geraumer Zeit ordentlich kodifizierte Regelungsmaterie aus deutschen Landen hat es dagegen deutlich leichter, im fernen Ausland rezipiert zu werden, wie die Dissertation von Jianyi Wang belegt.
"Die deutsche AGB-Kontrolle und nicht im Einzelnen ausgehandelte Klauseln im europäischen Vertragsrecht: Eine rechtsvergleichende Untersuchung zur Reform des chinesischen Klauselrechts" zeigt uns das Bild eines chinesischen Zivil- und AGB-Rechts, das beispielsweise dort, wo hierzulande Generalklauseln den Gerichten eine – nach Maßstäben der Transaktionskostenanalyse – sinnvolle Auslegung von Klauseln erlauben, noch der Schutz des Staates oder der sozialistischen Wirtschaftsorgane unter Schutz gestellt werden. Überhaupt fehlt natürlich die liberale Tradition.
Zurzeit entstehen viele Doktorarbeiten chinesischer Juristinnen und Juristen in Deutschland, vieles davon ist brave rechtsvergleichende Arbeit. So auch diese:
Jianyi Wang: "Die deutsche AGB-Kontrolle und nicht im Einzelnen ausgehandelte Klauseln im europäischen Vertragsrecht: Eine rechtsvergleichende Untersuchung zur Reform des chinesischen Klauselrechts". Dissertation Westfälische Wilhelms-Universität Münster 2015, Göttingen (Cuvillier Verlag) 2015.
Feministische Analysen des positiven Rechts und der Rechtspraxis leiden oft darunter, dass man sich in den vergangenen 40 Jahren darauf verständigt hat, die Medienunternehmerin Alice Schwarzer als alleinige Lautsprecherin dieser historisch legitimen sozialen Bewegung zum Maßstab zu nehmen und ihren oft obszönen Vorstellungen vom Recht allzu viel Gehör zu schenken.
Selbst wenn man die Lautsprecherei ausblendet, sind feministisch inspirierte juristische Inputs doch oft sehr ernüchternd. In der Urteilspraxis der Gerichte bleibt etwa vom viel gescholtenen "Gender Mainstreaming" nicht viel mehr übrig als eine Handvoll Entscheidungen, in denen geklärt wird, ob Gleichstellungsbeauftragte wegen Fortbildungsmaßnahmen dieses Inhalts befördert oder bevorzugt eingestellt werden müssen.
In ihrer Dissertation "Geschlechtergleichstellung bei Privatisierungen" geht Sandra Lewalter den titelgebenden "Anforderungen und Handlungsoptionen aus rechtlicher Sicht" nach.
Es ist wohl unbestritten, dass von den Outsourcing- und Privatisierungsmaßnahmen der vergangenen 30 Jahre vor allem gewerkschaftlich schlecht organisierte, in Teilzeit arbeitende Kräfte, kurz gesagt: überwiegend Frauen besonders betroffen waren. Aus der Behördenputzfrau mit Rentenanspruch ist die outgesourcte 450-Euro-Kraft mit einer Zukunft beim Sozialamt geworden.
Lewalter fordert, eine solche besondere Gender-Betroffenheit jedenfalls auf der Ebene von Organisationsentscheidungen der öffentlichen Hand zu berücksichtigen. Viel mehr als die Entscheidung, eine Gleichstellungsbeauftragte dabei anzuhören oder nicht, gibt das positive (Landes-)Verwaltungsrecht sonst offenbar nicht her.
Fraglich ist, ob damit die weitgehende Substanzlosigkeit des hierzulande feministisch verwalteten Gender-Mainstreaming-Rechts behoben werden kann. Gibt es denn überhaupt noch viele Staatsbetriebe in Deutschland, die privatisiert werden könnten?
Sandra Lewalter: "Geschlechtergleichstellung bei Privatisierungen. Anforderungen und Handlungsoptionen aus rechtlicher Sicht". Dissertation Bremen 2013 (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin – Nomos-Verlag) 2015.
Martin Rath, Aktuelle rechtswissenschaftliche Dissertationen: Altertümliche Titel, zeitgemäße Inhalte . In: Legal Tribune Online, 06.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18689/ (abgerufen am: 01.10.2023 )
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