Honoré de Balzac zum 160. Todestag: Romancier, Verschwender und Jurist

Honoré de Balzac gehört zu den ganz Großen der französischen Literatur. Er schuf das gewaltigste Romanwerk aller Zeiten: "Die Menschliche Komödie", ein opulentes Sittengemälde mit ca. 2000 Figuren, verteilt auf 91 Bänden. Vor seiner Schriftstellerkarriere strebte der am 18. August 1850 in Paris verstorbene Balzac jedoch eine Juristenlaufbahn an. 

Die Eltern des am 20. Mai 1899 in Tours geborenen Honoré de Balzac planten schon frühzeitig für ihren Sohn den juristischen Ausbildungsweg. Ab November 1816 besuchte der junge Balzac juristische Vorlesungen an der Sorbonne und arbeitete gleichzeitig als Angestellter zunächst in einer Anwaltskanzlei. Es folgte ab April 1818 eine Tätigkeit in der Kanzlei eines mit der Familie befreundeten Notars. Ein typischer zweiteiliger Ausbildungsgang für Juristen im damaligen Frankreich.

Neben den juristischen Fachkenntnissen, die sich Balzac in den rund zweieinhalb Jahren seiner Ausbildung aneignete, erhielt er vor allem tiefe Einblicke in die Abgründe menschlichen Verhaltens. Die unterschiedlichen Streitfälle und sozialen Milieus, die er kennen lernte, ließen ihn hinter die Kulissen bürgerlicher Scheinanständigkeit blicken. Viele lebensechte Beispiele menschlicher Niedertracht, Falschheit, Raffgier und Verlogenheit aus dem juristischen Alltag tauchten später in den Werken der "Menschlichen Komödie" wieder auf.

Im  Sommer 1819 legte Balzac das "baccalauréat en droit" ab, die Zulassungsprüfung für den letzten Studienabschnitt vor der "licence", dem eigentlichen Abschluss. Doch unmittelbar nach dem Vorlesungsende brach er das Studium ab, denn er hatte beschlossen, Schriftsteller zu werden.

Ein fröhlicher Schuldenmacher

Das Verlangen nach Luxus, nach Geld und Geltung bestimmten Balzacs Leben. Neben seiner literarischen Brillanz erwies er sich zeitlebens als ein geradezu fröhliches Genie im Schuldenmachen. Augenzwinkernd klagte er, dass es ihn viel Zeit und Kraft koste, vor seinen Gläubigern entweder zu fliehen oder sie mit falschen Versprechen zu vertrösten.

Sein grenzenloser Leichtsinn in Verbindung mit seiner Verschwendungssucht machten Balzac zu einem Dauerbekannten der französischen Justiz. Balzac wurde bis in die letzten Lebensjahre hinein von einem stetig wachsenden Schuldenberg begleitet – aber auch von Gläubigern und Gerichtsvollziehern verfolgt und regelmäßig vor Gericht gebracht.

Ein Beispiel von vielen ist der "Fall William Duckett". Der finanziell ohnehin schmalbrüstige Balzac hatte sich an Weihnachten 1835 den Kauf einer eigenen Wochenzeitschrift, "La Chronique de Paris", gegönnt. Als Verleger und Chefredakteur einer eigenen Zeitschrift sah er glänzende Verdienstmöglichkeiten vor sich. Das Projekt eskalierte wie so viele geschäftliche Träumereien des Romanciers zu einem finanziellen Fiasko.

Als im folgenden Jahr der bisherige Kommanditist der Zeitschrift William Duckett ausschied, konnte Balzac ihn nur in Form von Wechseln über 8.000 Franc bezahlen. Als die Wechsel im Juni 1837 fällig gestellt wurden, sah sich Balzac außerstande, das Geld aufzubringen.

"Niemand ist schlechter dran als die Gläubiger des Monsieur Balzac"

Duckett erwirkte einen Haftbefehl gegen den Schriftsteller, um die Eintreibung der Schulden durch Haft zu erzwingen. Balzac tauchte sofort im Haus seines Freundes, des Comte Guidoboni-Visconti, an der Champs-Elysees unter.

Ein Gerichtsdiener machte Balzac Anfang Juli in seinem Versteck ausfindig. Als Spediteur verkleidet behauptete der Gerichtsdiener, eine kostbare etruskische Vase für Monsieur de Balzac abgeben zu müssen Der Empfang müsse von diesem höchstpersönlich quittiert werden. Als der vermeintliche Spediteur das Paket öffnete, sah sich Balzac statt mit der Vase mit einem Bündel von Forderungen und einer gerichtlichen Vorladung konfrontiert. Die Forderungen Ducketts mussten auf der Stelle beglichen werden, wollte Balzac vermeiden, ins Schuldgefängnis in Clichy geworfen zu werden.

Der Comte bezahlte für ihn, ohne allerdings den Gerichtstermin mehrere Tage später verhindern zu können. Die Zeitung "Le Siècle" berichtete später:

"Monsieur de Balzac verfasst Werke, die von den Lesern sehr geschätzt werden. Man muss aber auch glauben, was heute von Monsieur Favre [Ducketts Anwalt] der 4. Kammer gesagt wurde, dass er auch Schulden macht, die seine Gläubiger sehr auf Trab halten. Niemand ist nämlich schlechter dran, wie der Anwalt ausführte, als die Gläubiger des Monsieur de Balzac. Er ist unsichtbar, unfassbar, er wird nur als ein Schatten bemerkbar. Er ist nichts anderes als ein flüchtiger Luftgeist, der einem entschwindet, wenn man glaubt, ihn packen zu können.  Dennoch hatte Monsieur Duckett, einer seiner Gläubiger, mehr Erfolg als die anderen dank des Einfallsreichtums eines geschickten Gerichtsdieners."

Der Code Littéraire

Neben der Verwendung juristischer Sujets für seine Romane, nutzte Balzac seine juristische Ausbildung dazu, sich für die Rechte seiner Kollegen innerhalb der Autorengesellschaft "Société des Gens des Lettres de France" einzusetzen.

So legte Balzac zum Beispiel im Mai 1840 einen eigenen Gesetzesentwurf – den Code Littéraire – vor. Das Regelwerk formulierte erstaunlich modern, präzise und praktikabel die urheber-, vertrags- und persönlichkeitsrechtlichen Verhältnisse der Mitglieder der Autorengesellschaft. Balzacs Gesetzesentwurf wie auch manche weitere seiner Initiativen nahmen Einfluss auf den Reformationsprozess des französischen Verlags- und Urheberrechts im 19. Jahrhundert.

Balzac übte damit nicht nur als Romancier, sonder auch als Jurist Einfluss auf seine Zeitgenossen und die französische Gesellschaft aus.

Sein vermutlich größtes persönliches Ziel – Wohlstand – erlangte er erst kurz vor seinem Tod, als er die vermögende polnische Gräfin Eveline Hanska ehelichen konnte.

Zitiervorschlag

Jürgen Seul, Honoré de Balzac zum 160. Todestag: . In: Legal Tribune Online, 18.08.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1231 (abgerufen am: 04.10.2024 )

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