Manche Abiturienten halten die "GmbH & Co. KG" für einen Scherz aus dem "Asterix"-Comic. Eine Chance, sich ernsthaft und vertieft mit Gesellschaften zu beschäftigen, bieten zwei monumentale Hinkelsteine – "latürlich": Sammelbände.
Angehende Juristinnen und Juristen, die einen klaren Blick für ihr späteres Einkommen haben, können sich nicht beschweren. Denn wer seine Karriere in der Vertretung von Unternehmen sucht, wird neben dem juristischen Handwerk – vom Gesellschafts-, über das Kapitalmarkt- bis hin zum Wirtschaftsstrafrecht – gewiss auch ein waches Bewusstsein für die sogenannte "gesamtgesellschaftliche" Bedeutung seiner potenziellen Klientel entwickeln.
Es gesellen sich in Deutschland zu den rund zwei Millionen Einzelunternehmern über 400.000 Personen-, vor allem Kommandit- oder offene Handelsgesellschaften, und über 800.000 Aktien- und Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Der sprichwörtliche Lehrer mit Rechtsschutzversicherung ist deutlich weniger attraktiv, nicht zuletzt als Mandant.
In der Sprache von Politikern und Journalisten schrumpft diese ökonomische Welt aber viel zu oft auf die Phrase von "der Wirtschaft" zusammen, von der wahlweise etwas einzufordern oder die mit Subventionen zu füttern sei. Als "kritisch" gilt hierzulande vielfach schon, die Nase darüber zu rümpfen, dass sich Menschen mit Vermögen von unternehmerischem Gewinnstreben leiten lassen.
Und die Vorstellung von der Wirtschaftsverfassung unserer Republik schrumpft gern darauf zusammen, Artikel 14 Absatz 2 Grundgesetz (GG) zitieren zu können. Nicht wenige dürften das Adverb im Rechtssatz, wonach das Eigentum "zugleich dem Wohle der Allgemeinheit" dienen solle, sogar für ein Redaktionsversehen halten. – Edel ist der Staat, nobel die Zivilgesellschaft, "die Firma" nur eine Station zur biografischen Utopie: der Rente.
Um das nun aber nicht mit der üblichen Kulturkritik-Kritik zu verwechseln: Nicht zuletzt an der unternehmerischen Wirtschaft interessierte Juristen müssen sich hier an die eigene Nase fassen. Denn dass es ihnen allzu gut gelingen würde, der Öffentlichkeit etwas von der Schönheit und historischen Tiefe ihres rechtlichen Metiers zu vermitteln, lässt sich kaum behaupten.
Zwei umfangreiche Bücher aus den vergangenen Jahren mögen aber dabei helfen, sich zunächst selbst von Schönheit und Tiefe des Fachs zu überzeugen. Sie könnten nebenbei auch Studierenden einen angenehmeren Zugang zum Gesellschaftsrecht vermitteln, als es die intellektuellen Eckpfeiler ihres akademischen Lebens – "Examensrelevanz" und "Gutachtenstil" – sonst hoffen lassen.
"Gesellschaftsrecht im Spiegel großer Debatten"
Das "Gesellschaftsrecht im Spiegel großer Debatten" möchte der von Holger Fleischer, Jens Koch und Klaus Ulrich Schmolke herausgegebene Band vorstellen – in nicht weniger als 21 Beiträgen von rund 30 bis 70 Druckseiten.
Auf den ersten Blick wirkt das zwar kaum reizvoller als ein durchschnittliches Lehrbuch des Gesellschaftsrechts. Beiträge, die eine Auseinandersetzung mit der "Fiktionstheorie versus Theorie der realen Verbandspersönlichkeit" versprechen, mit der aktienrechtlichen Satzungsstrenge oder der Frage der angemessenen "Abfindung: Ertragswert versus Börsenkurs" scheinen nicht mehr zu bieten als ein etwas ausführlicheres Referat dessen, was in der studentischen Ausbildungsliteratur gemeinhin als "Theorie" verkauft wird.
Der Anspruch der Herausgeber und Verfasser ist jedoch deutlich höher, es geht ihnen darum, die "Gravitationszentren des Gesellschaftsrechts" vorzustellen, um "neue Einblicke in das Proprium des Faches, seinen Traditionshaushalt und seine Dogmen sowie seine Denkleistungen und seine diskursive Dynamik" zu vermitteln.
Wie dieser nicht unbescheidene Anspruch bedient wird, lässt sich etwa am Beispiel des Beitrags von Rafael Harnos (1984–) unter dem Titel "Mitgliedschaftliche Treuepflicht zwischen Sittlichkeit, Rechtsethik und rechtsökonomischem Utilitarismus" nachvollziehen.
Der herausragende Philosoph Hans Blumenberg (1920–1996), katholischer Christ, gleichwohl wegen seiner jüdischen Herkunft vom Holocaust bedroht, hinterließ die hübsch boshafte Bemerkung, dass Treue "eine zweifelhafte Tugend" sei: "Sonst hätte sie nicht Heinrich Himmler zu der seinen und der seines Ordens machen können." – Wie heikel der Begriff der "Treue" in der politischen Semantik und damit auch im Recht des NS-Staates werden konnte, ist damit gut angedeutet.
"Treuepflicht" stammt nicht aus Zeiten politischer Perversion
In Harnos Beitrag geht es jedoch nicht um diese ideologische Kontamination des Begriffs der Treuepflicht im deutschen Totalitarismus, gegenüber der sich die gesellschaftsrechtliche Diskussion in den 30 Jahren zwischen dem Kriegsende 1945 und den 1970er Jahren aktiv abgrenzte – vielmehr zeichnet er die Entwicklung der Treuepflichtdogmatik seit den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg nach.
Das Reichsgericht und die großen Zivilrechtsgelehrten des späten Kaiserreichs und der Weimarer Republik waren – in jeweils unterschiedlichem Ausmaß – noch sehr grundsätzlich mit der Frage befasst, ob die in einer Personenhandels-, einer Aktien- oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung verbundenen Menschen einander mehr schuldeten als Gesetz, Vertrag bzw. Satzung ihnen aufbürdeten. Insbesondere der Gedanke, dass Aktionäre gegenüber der Aktiengesellschaft bzw. untereinander eine Pflicht zur besonderen Rücksichtnahme haben könnten, blieb zunächst mit Blick ins Gesetz kaum denkbar.
Der aktienrechtliche § 252 Handelsgesetzbuch (HGB) a.F. wurde vom Reichsgericht als nachgerade abschließende Regelung gelesen, eine Grenze erst beim harten Vorwurf sittenwidrigen Missbrauchs eigener Rechte gezogen. Die Schädigung der Mehrheit durch die Ausübung von Minderheitenrechten und umgekehrt wurde in einem heute erstaunlichen Umfang als hinnehmbar gesehen. Eine vom allgemeinen, damals noch scharf moralisch aufgeladenen Grundsatz von Treu und Glauben gelöste mitgliedschaftliche Treuepflicht wurde in den 1920er Jahren bereits mehr oder minder entdeckt, von der NS-Semantik überdeckt, in der Nachkriegszeit wiederentdeckt.
Aus einer "griffigen Formel", die das Reichsgericht erstmals in einem Urteil aus dem Jahr 1908 zu den Pflichten von Angehörigen einer offenen Handelsgesellschaft jenseits von positivem Gesetz und Gesellschaftsvertrag gefunden hatte, wurde "ein Werkzeug", "das eingesetzt werden kann, um das Gesellschaftsverhältnis grundlegend zu verändern".
"Die unbegrenzte Auslegung", die berühmte Habilitationsschrift von Bernd Rüthers (1930–2023) zur Lösung der juristischen Hermeneutik von älteren Formen der Bindung an das Gesetz wird wohl auf unabsehbare Zeit zur Einführungsliteratur für angehende Juristinnen und Juristen zählen. Doch zeigt die Auseinandersetzung mit der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, dass das Spektrum an Grautönen in der juristischen Dogmen- und Auslegungsgeschichte breiter ausfällt.
"Große Gesellschaftsverträge aus Geschichte und Gegenwart"
Noch deutlicher als die Auseinandersetzung mit der Dogmen- und Auslegungsgeschichte vermittelt eine wiederum von Holger Fleischer, hier mit Sebastian Mock herausgegebene Sammlung von Aufsätzen zu bemerkenswerten Gesellschaftsverträgen ein Bild von dem, was im politisch-journalistischen Jargon schnöde zu "die Wirtschaft" zusammenschrumpft.
Dass einst sehr kleine Vereine einmal sehr groß rauskommen, gehört eigentlich zu den feuilletonistischen Alltagsweisheiten. Da brachten etwa einst im römischen Reich die Angehörigen einer apokalyptischen Sekte ein wenig Geld und helfende Hände zusammen, weil schon die "heidnische" Umwelt großen Wert auf eine gute Bestattung der Toten legte. Die christlichen Bestattungsvereine bildeten wohl den Kern jener römischen, katholischen und apostolischen Kirche, die – einige auch wirtschaftshistorische Winkelzüge weiter – heute in Deutschland der größte "private" Grundeigentümer ist.
Während das Beispiel der religiösen Stiftungen und Gesellschaften eher plakativ und auch deshalb wenig aussagekräftig wirkt, weil gläubige Menschen ohnehin den Anspruch haben, sich in der Welt materiell einzurichten, bis sie untergeht, können die Gesellschaftsverträge mit ausschließlich "kapitalistischem" Wirkungskreis doch immer wieder verblüffen – selbst wenn sie sich nicht von "Ewigkeit zu Ewigkeit" halten, sondern "nur" frühe Beispiele für moderne Wirtschaftsweisen, für ihre juristischen Form und deren Wandel geben.
Ein Beispiel: Im Jahr 1855 wurden in einem verlassenen Stollen einer Goldgrube im heute rumänischen Siebenbürgen einige Wachstafeln gefunden, darunter eine Urkunde vom 28. März 167 zu einer "societas danistariae" – ein bald 1.900 Jahre zurückliegender Gesellschaftsvertrag, der von Andreas Martin Fleckner und Armin Kachabia in das überlieferte Recht des römischen Reichs eingeordnet wird.
Es folgen Beiträge zu den Gesellschaftsverträgen der Medici und der Fugger, zwischen Francisco Pizarro, Diego de Almagro und Hernando de Luque, also den spanischen Eroberern des peruanischen Inka-Reichs – juristische Kautelen aus der Epoche zwischen Mittelalter und früher Neuzeit. Der wirtschafts- und rechtshistorischen Gegenwart näher kommen unter anderem die Darstellung der Privatbank Sal. Oppenheim jr. & Cie., der Siemens AG auf dem Weg von der Familien- zur Publikumsgesellschaft, schließlich Beiträge zur FIFA, zur I.G. Farbenindustrie AG oder zur Krupp-Stiftung. Den Abschluss gibt die Satzung der Airbus SE.
Vom antiken Gesellschaftsvertrag über Mittelalter und frühe Neuzeit bis zur supranationalen Gegenwart – homogen geht es zwar in dem Sammelband nicht zu, aber als bunte Mischung eines lebendigen Rechts aus Vergangenheit und Gegenwart sind die meisten der 27 Vertrags- und Unternehmenserzählungen geeignet, auf produktive Weise von dem abzulenken, was jedenfalls im Leben junger Juristinnen und Juristen wichtig und wertvoll ist, also "Gutachtenstil" und "Examensrelevanz".
Nachtrag: "Obelix GmbH & Co. KG"
Nachzutragen ist, dass Band XXIII der "Asterix"-Reihe, gezeichnet von Albert Uderzo (1927–2020) und geschrieben vom genialen Szenaristen René Goscinny (1926–1977), keine "GmbH & Co. KG" enthält. Aber die für ihre Comic-Verdeutschungen hoch gelobte Übersetzerin Gudrun Penndorf (1938–) fand im deutschen Gesellschaftsrecht diese schöne Möglichkeit, den Originaltitel "Obélix et Compagnie" komisch zu übersteigern. Ob sie wohl wusste, wie sehr auch die historische Rechtswissenschaft litt, als sie die Gesellschaft mit beschränkter Haftung und diese auch noch im Verbund mit der Kommanditgesellschaft erfand? – Die Römer waren auf diesen Gedanken jedenfalls nicht gekommen.
Hinweise: Fleischer/Koch/Schmolke (Hg.): "Gesellschaftsrecht im Spiegel großer Debatten" (2024) und Fleischer/Mock (Hg.) "Große Gesellschaftsverträge aus Geschichte und Gegenwart" (2021) sind im Umfang von 934 und 1.390 Seiten als "Sonderhefte" der Zeitschrift für Gesellschaftsrecht erschienen in Berlin & Boston (Walter de Gruyter). Studierende haben regelmäßig Zugriff auf die digitalen Ausgaben, im Buchhandel sind beide Werke leider nur zu mutmaßlich prohibitiven Kosten zu erwerben.
2.000 Jahre Gesellschaftsrecht: . In: Legal Tribune Online, 17.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55879 (abgerufen am: 09.12.2024 )
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