Eine Prügelei nach dem Wirtshausbesuch brachte zwei Saarländer im Jahr 1764/65 die französische *Galeerenstrafe ein. Die Ruderknechtschaft ist ein wenig bekanntes Kapitel aus der Strafrechts- und der Geschichte der Sklaverei.
In der Nacht vom 11. auf den 12. Juni 1764 fiel der 27 Jahre alte Müllergeselle Johann Philip Groß nach dem Besuch einer Gastwirtschaft zwei Männern in die Hände, die mit "armdicken Knüppeln" auf ihn einschlugen.
Nicht von diesem Überfall – auf einer Chaussee bei Saarbrücken – betroffen war der Begleiter des Groß, der sich zwar bemühte, durch Drohung mit einer "Anzeige bei der Obrigkeit" zu helfen, jedoch die Flucht antrat, als ihn die Angreifer ankündigten, sich auch ihm zuzuwenden, sollte er nicht "das Maul halten".
Immerhin schlug der Begleiter unverzüglich in seinem Heimatdorf Alarm, ein Karren wurde organisiert und der schwer verletzte Müllerbursche zunächst im Dorf versorgt. Nachdem der dort zuständigen Behörde die Kosten der ärztlichen Behandlung allzu sehr zur Last fielen, wurde Groß am 23. Juni 1764 "mit einem Pferdewagen über die holprige Straße nach Saarbrücken geschafft". Dort starb er am 28. Juni 1764 an seinen Kopfverletzungen.
Strafrechtspflege im saarländischen Kleinstfürstentum
In seinem Beitrag zur Festschrift (1967) für den kuriosen Kriminologen Hans von Hentig (1887–1974), äußerte sich der saarländische Staatsanwalt Elmar K. Müller bewundernd über die zügige Strafverfolgung – vorbildlich sei etwa die rasche Obduktion der Leiche in die Wege geleitet worden. Als Täter schnell überführt wurden der rund 20 Jahre alte Georg Schmirrer, der als eine Art Hilfshundepfleger am Hof des Grafen von Nassau-Saarbrücken beschäftigt war, und der 30 Jahre alte Friedrich Würtz, der als Botengänger ebenfalls in fürstlichen Diensten stand.
Es folgte im Winter 1764/65 eine harte Untersuchungshaft; die Zellen im Turmkeller des fürstlichen Schlosses ließen sich nicht beheizen.
Auf Rat der Juristischen Fakultät in Straßburg wurde die Folter zwar angedroht, um herauszufinden, wer die tödlichen Schläge ausgeführt hatte, jedoch nicht angewendet. Im Frühjahr 1765 folgte das Urteil nach Aktenlage: Schmirrer und Würtz wurden zur nominell "ewigen Galeerenstrafe" verurteilt und schließlich von Soldaten der Grafschaft Nassau-Saarbrücken in Metz an die Vertreter des französischen *Strafvollzugs abgegeben. Ihr weiteres Schicksal ist nicht überliefert (FS von Hentig, 1967, S. 29–39).
Galeerenstrafe – eine saarländische Methode, Kinder zu erschrecken
Nach dem Kenntnisstand der 1960er Jahre handelte es sich bei der Aushändigung deutscher – saarländischer – Straftäter zum Vollzug der Galeerenstrafe auf französischen Schiffen – *nach Außerdienststellung der Galeeren im 18. Jahrhundert blieb die Bezeichnung für schwere Zwangsarbeit an Land in Gebrauch – noch um einen ganz ungewöhnlichen Befund.
Gleichwohl habe sich, so Staatsanwalt Müller, im Saarland bis in die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg die pädagogische Redensart gehalten: "Pass' nur auf, sonst kommst Du auf die Galeere". Auch drohe man sich in Südfrankreich nach wie vor zum Spaß mit: "en galère!"
Es ist plausibel dass der Schrecken der Galeerenstrafe im deutsch-französischen Grenzgebiet so lange überliefert wurde. Der Wunsch, Strafgefangene, arme Leute und Vagabunden, teils ohne richterliches Urteil, auf diesem Weg loszuwerden, wurde zwar auch in anderen Territorien Deutschlands geäußert und mitunter umgesetzt. So fanden etwa Delinquenten aus dem habsburgischen Schlesien ihren Weg auf die Galeeren des gelegentlichen Mittelmeer-Anrainerstaats Österreich, doch war das französische Galeerensystem auf besonders beeindruckende wie erschreckende Weise ausgebaut.
Und wenn man nur ein König und kein Kaiser ist: Galeeren machen schon etwas her
In seiner theologischen Dissertation "Vinzenz von Paul (1581–1660) und die Praxis der Sklaverei im Mittelmeerraum" aus dem Jahr 2014 befasste sich Daniel Steinke mit den Details dieses Galeerensystems – denn der katholische Heilige Vinzenz von Paul war vom französischen König zum Seelsorger für diese Institution seines Reichs eingesetzt worden.
Die von den regionalen Gerichten zur Galeere verurteilten Männer wurden etwa seit 1632 nach und nach in zentrale Gefängnisse überführt. In La Tournelle pferchte man bis zu 300 Häftlinge in einem Raum, in dem sie in einer Weise angekettet wurden, die weder ein vollständiges Stehen noch Liegen erlaubte.
Von den Sammelpunkten bei Paris, Rennes und Bordeaux wurden zwischen April und September eines jeden Jahres kleinere oder größere Gruppen – bis zu 100 Männer – in Ketten gelegt und mit einem Gewicht von 15–20 Kilo über Tagesmärsche von 23–25 Kilometern bis Lyon geführt. Bis Avignon ging es auf der Rhone weiter, gefolgt von einem weiteren mehrtägigen Fußmarsch bis Marseille.
Wer das Pech hatte, von Rennes aus zur Galeerenstrafe anzutreten, musste rund 800 Kilometer unter sehr prekären Bedingungen überleben.
In Marseille erfolgte die Begutachtung der für die Ruderknechtschaft tauglichen Gefangenen, die Einteilung nach Alter und körperlicher Verfassung – während ein Platz am unteren Ende eines Galeerenruders den Einsatz schwächerer Kandidaten erlaubte, mussten die Ruderer am oberen Ende körperlich stark und auch in höherem Maß koordinationsfähig sein. Fehler im Gebrauch des Ruders endeten rasch tödlich.
Bei Aufnahme auf der Galeere wurde den Gefangenen der Kopf kahlgeschoren, sie erhielten auffällige rote Kleidung und es wurde eine Fußfessel angeschmiedet, die es erlaubte, sie fest an ihrem jeweiligen Ruderplatz anzuketten – rund 200 bis 300 Männer je Schiff. Ihre Chance, die harte Gefangenschaft zu überleben, lag bei ungefähr der Hälfte der Galeerensträflinge.
Die prächtig geschmückten Kriegsschiffe – die in Frankreich nach und nach aus dem Eigentum ihrer Kapitäne in den der Krone überführt wurden – hatten neben ihrer militärischen Funktion nicht zuletzt erheblichen Prestigewert. Nicolas Arnoul (1608–1674), als Intendant für die verstaatlichten Galeeren zuständig, pries sie seinem Fürsten etwa wie folgt an:
"Die Galeere ist ein Wagen eines Triumphzuges, dem kaum etwas gleicht […] und es gibt nichts, was mehr seinen Herrscher spürbar macht, als dieses Schiff: Das Heck ein wenig erhoben und zu Euren Füßen dreihundert angekettete Sklaven. Die Kaiser triumphierten nicht mit so vielen."
(Ruder-) Sklaven im Europa des 16. bis 18. Jahrhunderts
In seiner Vinzenz-von-Paul-Dissertation aus dem Jahr 2014 diskutiert der Münsteraner Theologe Daniel Steinke den rechtlichen und sozialen Status dieser Ruderknechte: Lassen sie sich als Opfer eines auch für ihre Zeit außergewöhnlich brutalen Strafvollzugs qualifizieren oder waren sie schlichtweg Sklaven?
Das Zitat zur triumphalen Wirkung einer Galeere, in der ein Fürst eine möglichst große Zahl von Männern für sich rudern lässt, bezog sich zwar auf die antiken römischen Kaiser, dürfte aber auch gut zum Wunsch der französischen Könige gepasst haben, ihren politischen Status zu überhöhen – sich sogar als römischer Gott in Szene zu setzen, passte zu ihrem barocken Selbstbild.
Nach Steinke ist bei den Ruderknechten der Galeeren aber nicht nur metaphorisch von Sklaven die Rede. Wird Sklaverei definiert als Ausübung vollkommener Verfügungsgewalt, verbunden mit sozialer Entwurzelung, dem sozialen Tod, und der vollständigen Entehrung der Knechte, lassen sich abweichende juristische Bezeichnungen für die Galeerensklaven kaum sinnvoll vertreten.
Hinzu kommt, dass die in Frankreich – und nach neuerer Forschung unter anderem auch in der Schweiz, Baden, Hessen, in den Erzbistümern Trier und Köln – akquirierten kriminellen Untertanen im Ruderdienst nicht als die wertvollsten Galeerenknechte galten. Zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert wurden schätzungsweise rund 2,5 Millionen Menschen aus den nordafrikanischen und osmanischen Herrschaftsgebieten nach Europa verschleppt.
Die muslimischen Sklaven im französischen Galeerensystem waren besonders wertvoll, weil Frankreich – offiziell mit dem Osmanischen Reich verbündet – sie auf komplexeren Beschaffungswegen einkaufen musste. In den Häfen von Marseille und Toulon genossen diese "Türken" immerhin etwas mehr Bewegungsfreiheit, weil ihre Flucht noch weniger aussichtsreich war als für ihre europäischen Mitsklaven – die Bevölkerung im Umland verhielt sich allen entflohenen Rudersklaven gegenüber feindselig.
Ein feiner Unterschied von Sklaverei und Strafgefangenschaft
Für die französischen Könige hatten die Galeeren also mehrfachen Wert. Ihre militärische Bedeutung war zwar, trotz des Vorteils, auch ohne Wind vorwärts zu kommen, beschränkt – der hohe Trinkwasserbedarf der physisch extrem ausgebeuteten Ruderknechte verbot küstenferne Fahrten.
Doch neben der Reputation, die sich aus der absoluten Gewalt über tausende Männer an Bord einer Flotte von Galeeren ergab, und der Präsenz einer Form zentralisierter königlicher Herrschaft durch die Zuführung der regional inhaftierten, zur Galeere verurteilten Kriminellen in Aufsehen erregenden Marschkolonnen von zusammengeketteten Menschen, ergab sich ein weiterer, genuin staatsrechtlicher Ansatz, die königliche Hoheitsmacht zu demonstrieren:
Wer von regionalen Gerichtshöfen, einem Parlement, mit ihrer oft notorischen Opposition gegen die königliche Zentrale in Versailles, zu einer nur zeitigen Galeerenstrafe verurteilt worden war, wurde regelmäßig weit über das Urteil hinaus in der Ruderknechtschaft festgehalten.
Die Entlassung des kriminellen Rudersklaven nicht vom formalen Recht, sondern ausschließlich von der königlichen Gnade abhängig zu machen, die wiederum eher auf die Bedürfnisse der Flotte als auf den Anspruch individueller Gerechtigkeit Rücksicht nahm, war eine weitere Möglichkeit, die Souveränität des Königs unter Beweis zu stellen. Erst im Lauf des 18. Jahrhunderts stiegen die Chancen, dass die im Urteil festgelegte Zeit der Galeerenstrafe automatisch zur Entlassung führte.
Den beiden Totschlägern aus dem Saarland hätte dieser rechtsstaatliche Fortschritt schon deshalb nicht geholfen, weil sie mit Rechtskraft ihres Urteils als tot galten, ihr Vermögen dem Fürsten zufiel – die "ewige Galeerenstrafe" entsprach dem Tod im bürgerlich-rechtlichen Sinn.
Wer übrigens über dieser eher traurigen und tristen Geschichte an den grimmigen Blick denkt, den Charlton Heston (1923–2008) im Sandalenfilm-Klassiker "Ben Hur" seinen zum Rudern trommelnden Peinigern zuwirft, der kann leider nicht getröstet werden: auf französischen Galeeren wurde das Tempo nicht durch Trommeln, sondern durch Pfeifen reguliert.
Literatur: Daniel Steinke: "Vinzenz von Paul (1581–1660) und die Praxis der Sklaverei im Mittelmeerraum". Hildesheim u.a. (Olms) 2019. Elmar K. Müller: "Bothengänger und Hundsjunge" in: "Kriminologische Wegzeichen". Festschrift für Hans von Hentig zum 80. Geburtstag. Hamburg (Kriminalistik) 1967, S. 29–39. Paul Frauenstädt: "Zur Geschichte der Galeerenstrafe in Deutschland". Zeitschrift für die Gesamte Strafrechtswissenschaft 1896, S. 518–546.
*Änderungen 07.11.2022, 15:07 Uhr.
Strafrechtliche Sanktionen: . In: Legal Tribune Online, 06.11.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50082 (abgerufen am: 10.12.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag