Am 3. Januar ist der Verleger Hans Dieter Beck im Alter von 92 Jahren in seinem Geburtsort München verstorben. Martin W. Huff, rund zehn Jahre im Verlag C. H. Beck tätig, erinnert sich an einen guten Juristen und eigenwilligen Verleger.
Im August 1985 habe ich nach dem Zweiten Staatsexamen als junger Redakteur der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW) in der Frankfurter Redaktion des Verlags C.H.Beck meine berufliche Tätigkeit begonnen. In diesem Jahr bin ich nach meiner Erinnerung erstmals Hans Dieter Beck begegnet, damals war er 53 Jahre alt und schon "der Verleger", wie es respektvoll hieß.
Es ging darum, die Vielfalt der Rechtsprechung deutscher Gerichte umfassender zu veröffentlichen, als es in der NJW möglich war. Denn viele Gerichtsverfahren enden nicht beim BGH, sondern in der Instanz, hatten aber bis dahin keine Veröffentlichungsplattform. Im Januar 1986 sollte mit dem NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR) eine Tochterzeitschrift der NJW entstehen, die zweiwöchentlich instanzgerichtliche Rechtsprechung veröffentlicht.
Die redaktionelle Betreuung des neuen Produkts sollte ich übernehmen. Kritisch fragte mich Beck, wie ich denn an die Entscheidungen kommen wolle. Ich schlug vor, ein Schreiben des Verlags an alle wichtigen Instanzgerichte, insbesondere die Oberlandesgerichte, zu senden und um die Zusendung interessanter Entscheidungen zu bitten. Beck diskutierte dann, ob dies für den Verlag angemessen sei und wie die Gerichte auf ein solches Ansinnen reagieren würden. Er hatte rasch alle Aspekte erfasst und stellte konkrete und gute Nachfragen. Am Ende stimmte er zu. Dies habe ich auch später bei ihm immer wieder erlebt. Er hinterfragte intensiv und ließ sich überzeugen, wenn ihn die Argumente des Gesprächspartners überzeugten. Klar war aber schon damals: Die Letztentscheidung lag immer bei ihm, schließlich war er der persönlich haftende Inhaber des Verlags.
Seiner Zeit voraus
Der NJW-RR wurde ein Erfolg. Die guten Kontakte, die sich mit den Gerichten in dieser Zeit ergeben haben, konnten später auch für die Datenbank beck-online genutzt werden. Hier zeigte sich schon damals Becks Weitsicht. Mit der 2001 gestarteten Datenbank war er seiner Zeit weit voraus, heute ist vieles selbstverständlich, was damals ganz neu war. Manche Autoren hatten Vorbehalte, ihre Werke dort einzustellen, heute geht es nicht mehr ohne die elektronische Verfügbarkeit.
Als es im Jahr 1988 dann darum ging, eine eigene europarechtliche Zeitschrift im Verlag aufzubauen, sollte diese in Frankfurt angesiedelt werden. Der damalige Chef der Frankfurter Niederlassung schlug Beck mich als Verantwortlichen für die Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (EuZW) vor. Hans Dieter Beck wollte sich mich dann genauer ansehen.
So fuhr ich also an einem Samstag nach München, um von ihm "geprüft" zu werden. Konnte ich als damals 30-Jähriger wohl geeignet sein, diese Aufgabe zu übernehmen? Es war wirklich eine Prüfung. Es ging nicht nur um meine Ideen für die EuZW, sondern auch um vieles Persönliche. Er wollte einfach wissen, mit wem er es zu tun hat. Einfach waren diese Gespräche mit ihm nicht. Wir haben dann bei den weiteren Planungen für die EuZW auch lange – wieder an einem Samstag – über die Farbe des EuZW-Umschlags diskutiert. Auch mit solchen Details hat er sich immer befasst und sich dafür Zeit genommen.
Skeptisch hinsichtlich der Öffentlichkeitsarbeit
Beck war sehr lange skeptisch, was eine "Öffentlichkeitsarbeit" für die Verlagsprodukte betraf. Es bedurfte einiger Überzeugung und Diskussionen, seine Zustimmung zu erhalten, die EuZW bei einer eigenen Veranstaltung in der damals noch in Bonn ansässigen bayerischen Landesvertretung vorzustellen. Später hat er an solchen Terminen mehr Gefallen gefunden.
Seit Jahrzehnten lud Beck insbesondere bei Juristen- und Anwaltstagen zu einem "Beck'schen Abendessen" mit handverlesenen Gästen ein. Neben einem fachlichen Vortrag eines Referenten nutzte der Verlagschef hier immer die Gelegenheit zu einer eigenen Rede. Bei den leitenden Mitarbeitern des Verlages waren diese Reden gefürchtet. Denn nicht immer hielt sich Beck an das besprochene Manuskript, sondern lobte und tadelte durchaus deutlich auch prominente Autoren des Verlags, was nicht immer bei den Betroffenen gut ankam. Die Gäste allerdings hatten meistens Freude an diesen Reden und warteten auch mit einer gewissen Spannung darauf, zuletzt noch 2024 beim Anwaltstag in Bielefeld und beim Juristentag in Stuttgart. In Bielefeld habe ich Beck, der wie immer alleine anreiste, zum letzten Mal persönlich gesprochen.
Nach einigen Jahren als Wirtschaftsredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und als Pressesprecher im Hessischen Justizministerium überzeugte mich Beck 2001 in langen Gesprächen wieder zur NJW zurückzukehren und die Mitverantwortung für die Frankfurter Verlagsniederlassung und insbesondere für die NJW zu übernehmen. Er unterstütze damals sehr die Idee, die redaktionellen und technischen Abläufe bei der NJW, auch in der Zusammenarbeit mit der Nördlinger Druckerei, zu beschleunigen, damit die NJW aktueller werden konnte.
Neu war dann – nach intensiven Gesprächen auch mit ihm – ab Januar 2002 der Teil "NJW-aktuell" mit aktuellen Nachrichten, die nur einen Vorlauf von gut ein bis zwei Wochen hatten, was damals in der Zeitschriftenlandschaft sehr schnell war. Aber eine eigene Redakteurin dafür anzustellen, die sich nur um diesen Teil kümmerte und damit anders arbeitete, als bei der Redaktion einer Zeitschrift, behagte ihm zunächst nicht. Doch der NJW-aktuell-Teil wurde und wird intensiv gelesen, manchmal mehr als die Fachaufsätze.
Blick auf die Kosten behagte nicht allen
Dass Hans Dieter Beck die wirtschaftliche Seite der Verlagsprodukte genau betrachtet hat, zeigte sich daran, dass er für die Frankfurter Redaktionen Kostenstellen einführen ließ. Ein Vorhaben, das nicht bei allen Mitarbeitern gut ankam, die erstmals sahen, was ihr "Produkt" tatsächlich für Kosten verursacht.
Er war und blieb immer der Verleger und machte dies gegenüber seinen engen Mitarbeitern deutlich, auch wenn diese eigene Kompetenzen hatten. Dies war einer der Gründe dafür, dass ich Ende 2005 den Verlag durchaus schweren Herzens verließ, was er damals nicht verstand. Es hat einige Zeit gedauert, bis wir uns wieder angenähert haben. Wir haben dann in meiner Zeit als Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln öfter über den Anwaltsmarkt, seine Entwicklungen und die Bedeutung für die Verlagsprodukte diskutiert, wobei mich sein Detailwissen und sein strategisches Denken immer wieder beeindruckt haben.
Mit Hans Dieter Beck ist einer der großen europäischen Verleger gestorben. Er wird vielen fehlen, auch mir.
Autor Martin W. Huff war von 1985 bis 1990 und von 2001 bis 2005 im Verlag C.H.Beck tätig.
Eine persönliche Erinnerung an Hans Dieter Beck: . In: Legal Tribune Online, 08.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56285 (abgerufen am: 15.01.2025 )
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