Dokumentation über die NS-Regisseurin Leni Riefenstahl: Über eine, die vieles wusste

Gastbeitrag von Dr. Sebastian Felz

07.12.2024

Eine Dokumentation über Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl beleuchtet nur sparsam, wie Riefenstahl juristisch gegen Kritiker ihres NS-Engagements vorging. Sebastian Felz liefert die nötigen Informationen nach.

Sie produzierte "Den schönen Schein des Dritten Reiches": Die Tänzerin, Schauspielerin und Regisseurin Leni Riefenstahl. Mit drei NSDAP-Parteitagsfilmen und ihren Filmen über die Olympischen Spiel 1936 in Nazi-Deutschland war sie das preisgekrönte cineastische Aushängeschild der nationalsozialistischen Diktatur. Regisseur-Legenden wie George Lucas und Quentin Tarantino gehören zu ihren Bewunderern. Alice Schwarzer verteidigte die Künstlerin gegen den Vorwurf eine NS-Propagandistin zu sein.

Nun gibt es einen neuen Versuch der Demaskierung durch Sandra Maischberger als Produzentin und Andreas Veiel als Regisseur. Sie haben den 2018 als Schenkung an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übereigneten Nachlass ausgewertet, der aus 700 Kisten mit Fotos, Filmrollen, Kassetten und Manuskripten besteht. Veiel hat sich zusätzlich 200 Stunden Interviewmaterial mit Riefenstahl angeschaut. Die entstandene, im Kino zu sehende Dokumentation heißt knapp "Riefenstahl".

Karriere einer Künstlerin oder Pakt mit dem Teufel?

Riefenstahls Karriere begann Mitte der 1920er-Jahre als Tänzerin. Um 1930 feierte sie Erfolge in dem neuen Genre der Bergfilme. Hitler beauftragte sie damit, drei NSDAP-Parteitage zu dokumentieren, darunter mit "Triumph des Willens" (1935) den Reichsparteitag 1934 in Nürnberg. Die Ausstattung durch Hitler war üppig: Für die Produktion standen über 18 Kameramänner, 19 Kameraassistenten und rund 130 weitere Mitarbeiter zur Verfügung. Die UFA sicherte eine Verleihgarantie in Höhe von 300.000 Reichsmark (RM) zu.

Mit "Olympia – Fest der Völker" (1938) und "Olympia – Fest der Schönheit" (1938) drehte sie eine zweiteilige Prachtschau auf 400 km Film über die Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Die NSDAP sponsorte die Produktion mit 1,5 Millionen RM. Riefenstahl überschritt das Budget um 500.000 RM. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war sie dann zunächst Kriegsberichterstatterin und drehte ab 1940 den Film "Tiefland" nach der gleichnamigen Lieblingsoper Adolf Hitlers. In den 1970er-Jahren, so zeigt es die Dokumentation von Veiel ausführlich, fotografierte Riefenstahl das afrikanische Volk der Nuba. Riefenstahl, geboren 1902, starb 2003.

Riefenstahl – eine SLAPP-Klägerin

Rechtshistorisch und justizgeschichtlich interessant ist die Einblendung einer alten Sequenz, in der Riefenstahl eine Schranktür aufschiebt und davon berichtet, dass sie 50 Prozesse geführt hat. Dann zeigt Veiel Szenen aus einem Prozess im Jahr 1949 gegen den Verleger Helmut Kindler sowie eine Einstellung aus dem Freiburger Gerichtssaal, wo Riefenstahl gegen die Filmemacherin Nina Gladitz prozessierte. Schließlich wird eine Liste der Komparsen eingeblendet, die zu einem überwiegenden Teil nach Auschwitz deportiert worden sind. Mehr zu den Prozessen liefert die Dokumentation nicht.

Dabei hat schon über die Frage, wie viel Riefenstahl in filmischen Dokumentationen über das "Dritte Reichs" verwendet werde dürfe, 1969 der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden (Urt. v. 10.01.1969, Az. I ZR 48/67). Riefenstahl klagte damals gegen die Macher des Filmes "Mein Kampf". Sie hatte im Wege des Vergleichs für die Aufführungen des Films in der Bundesrepublik 35.000 DM erhalten und forderte nun 50.000 DM auf die Aufführungen im Ausland. Der BGH entschied, dass Leni Riefenstahl nicht Herstellerin des Filmes sei, sondern als "Sonderbevollmächtigte der Reichsleitung der NSDAP" den Film "Triumph des Willens" für die Partei hergestellt habe. Folglich stünden ihr keine Tantiemen zu.

Gegenstand zweier weiterer Prozesse waren die Komparsen, die Riefenstahl 1940 für ihren Film "Tiefland“ zwangsrekrutierte. Dem Film liegt die Geschichte der Oper von Eugen d’Alberts zugrunde: Sie spielt in den Pyrenäen und erzählt melodramatisch eine Liebesgeschichte zwischen einem Schafhirten und einer Tänzerin (gespielt von Riefenstahl), in welcher ein seine Bauern ausbeutender Großgrundbesitzer den Bösewicht gibt. Der Film wurde erst 1954 uraufgeführt und floppte, obwohl er mit ca. sieben Millionen RM durch den NS-Staat gefördert wurde. Mit Produktionskosten von insgesamt 8,5 Millionen RM war "Tiefland" die teuerste NS-Schwarzweißfilmproduktion. Da Riefenstahl kriegsbedingt nicht in Spanien drehen konnte, rekrutierte sie im Sommer 1940 im österreichischen Sonderlager Maxglan Sinti und Roma als südländisch aussehende Komparsen mit Hilfe des Lagerkommandanten, SS-Sturmbannführer und Kripochef Anton Böhmer. Im Vertrag mit Riefenstahls Produktionsfirma hieß es, dass die "Zigeuner" streng bewacht und isoliert von anderen Personen untergebracht werden mussten. Die Riefenstahl Film GmbH durfte die Statisten nicht entlohnen und musste Fluchtversuche "sofort schriftlich oder fernmündlich" der Kripo melden. Zwischen 1940 und 1942 mussten 132 Sinti- und-Roma-Statisten zwangsweise in "Tiefland" mitspielen. Mindestens 69 von ihnen wurden in Auschwitz ermordet.

Speziallager für die "Filmsklaven"

Die Vorgänge wurden Gegenstand einer Verhandlung am 23. November 1949 im Amtsgericht München gegen Helmut Kindler als Herausgeber und Cheflektor der Zeitschrift "Revue".

Die "Revue" hatte auf Grundlage von Privatnotizen der Fotografin Erika Schmachtenberger, die am Set von "Tiefland" Presse- und Standaufnahmen durchgeführt hatte, einen Artikel über die Produktionsbedingungen veröffentlicht. Die Fotografin hatte damals Statistinnen und Statisten fotografiert und dazu die Worte "Spanier aus dem KZ" notiert sowie von "Filmsklaven" gesprochen. Nach den Filmaufnahmen seien die Sinti und Roma wieder in Speziallager gekommen und dann nach Auschwitz deportiert worden, berichtete Jahre später die "Revue".

Als Gutachter für Riefenstahl trat beim Prozess in München ausgerechnet der SS-Mann und Lagerkommandant Anton Böhmer auf. Zwar sagte die Zeugin Johanna Kurz aus, dass die Statisten schlecht behandelt, nicht entlohnt und schließlich wieder ins Lager Maxglan zurückgeschickt worden seien, aber Kindler wird zu einer Geldstrafe von 600 Mark verurteilt, weil er für einen nicht unwesentlichen Teil seiner Behauptungen keine ausreichenden Belege vorweisen konnte.

Komparsen waren zwangsverpflichtet

1982 drehte die inzwischen verstorbene Regisseurin Nina Gladitz den Dokumentarfilm "Zeit des Schweigens und der Dunkelheit", der sich mit dem Schicksal der zwangsverpflichteten und später ermordeten Komparsinnen und Komparsen beschäftigt. Mit dem Sinto Josef Reinhardt, als Zwölfjähriger aus dem KZ Maxglan bei Salzburg für "Tiefland" von Riefenstahl persönlich rekrutiert, begab sich Gladitz auf Spurensuche.

Riefenstahl klagte gegen diesen Film – juristisch weitgehend erfolglos: Gladitz durfte in ihrem Film behaupten, dass Riefenstahls Aussage, sie sei nie in den Lagern gewesen, um die Komparsen und Komparsinnen persönlich auszuwählen, falsch war (Oberlandesgericht Karlsruhe, Urt. v. 13.03.1987, Az. 14 U 197/85). Gladitz durfte noch mehr berichten: Riefenstahl hatte 1941 und 1942 68 Menschen aus dem Lager Maxglan in Österreich persönlich ausgesucht, sie als Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen verpflichtet und nicht für ihre Arbeit entlohnt. Gladitz erhielt lediglich die Auflage, die Aussage des Überlebenden Josef Reinhardt aus ihrer Dokumentation herauszuschneiden, laut der Riefenstahl über die Vernichtung in Auschwitz-Birkenau Bescheid gewusst und trotz dieses Wissens mit leeren Versprechungen den Sinti und Roma Hoffnung gemacht habe, sich für sie einzusetzen. Riefenstahl sagte Jahre später auf der Buchmesse, sie könne "die umbringen, die so etwas behaupten".

Trotz des juristischen Erfolgs für Gladitz ließ der WDR, der auch die Veiel-Meischberger-Produktion mitproduzierte, deren Dokumentation für vier Jahrzehnte in seinem Archiv verschwinden. Gladitz konnte keine urteilskonforme Fassung schneiden.

Memoiren mit einem Kapitel "Zigeuner-Prozesse"

In dem "Die Zigeuner-Prozesse" überschrieben Kapitel ihrer Memoiren schreibt Riefenstahl 1987, dass sie "viele […] Tiefland-Zigeuner wiedergesehen" habe. 2002 geht sie in einem Interview mit der "Frankfurter Rundschau" noch weiter und behauptet: "Wir haben alle Zigeuner, die in Tiefland mitgewirkt haben, nach Kriegsende wiedergesehen. Keinem einzigen ist etwas passiert. " Darauf strengte die Zwangskomparsin Zäzilia Reinhardt juristische Schritte gegen Riefenstahl ein und erwirkte eine Unterlassungserklärung. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelte wegen des Verdachts der Volksverhetzung und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener gegen Riefenstahl.

Riefenstahl, die mit Hitler, Goebbels, Julius Streicher oder Albert Speer verkehrt hatte, sagte später, sie bedauere das Leid, "das Sinti und Roma während des Nationalsozialismus haben erleiden müssen". Ihr sei "heute bewusst, dass viele von ihnen in Konzentrationslagern umgekommen sind".

Die Dokumentation von Veiel zeigt: Die Frau war eine der wichtigsten Propagandistinnen der Nationalsozialisten. Keine, die nichts wusste, sondern eine kalkulierende Person mit klarer Ideologie.

Der Autor Dr. Sebastian Felz Vorstandsmitglied des "Vereins Forum Justizgeschichte e.V."

Zitiervorschlag

Dokumentation über die NS-Regisseurin Leni Riefenstahl: . In: Legal Tribune Online, 07.12.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56035 (abgerufen am: 20.01.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen