Gebe - höre - urteile: das Deutsche Skatgericht: Die Richter der Über­reizten

von Till Mattes

13.06.2016

2/2: Traditionssport mit Trabbi als Preis

Angesichts einer solchen Vielfalt an organisiertem Skatsport ist es klar, dass die meisten Regelanfragen aus diesem Bereich kommen. "Wir sind gefragt. Die organisierten Spieler sind froh, dass es uns gibt", sagt Braun. Und das Urteil des obersten Skatjuristen hat teils spürbare Konsequenzen. "Wenn jemand irregulär zum Beispiel einen Qualifikationsplatz für eine kommende Meisterschaft erhalt hat, darf er nicht teilnehmen, sondern der nächstplatzierte Spieler fährt", so der Gerichtsvorsitzende. Allerdings erkennt er keine Preise ab, die jemand gewonnen hat.

Für die Feld-, Wald- und Wiesenspieler ist das Gericht laut Braun nicht so wichtig: "Wer nur sonntags in der Kneipe spielt, braucht uns nicht. Diese Spieler sind dann manchmal erstaunt, wenn sie an Turnieren teilnehmen und alle die Karten hinschmeißen, weil sie als nicht mitspielender Geber nach Kartenausgabe einfach mal neugierig in den Skat gucken." Laut ISkO ist das Spiel dann nämlich sofort beendet.

Dennoch kommen auch von den Skat-Laien Anfragen, gerade auch aus Ostdeutschland. Hier ist das Skatspiel zwar weit verbreitet, aber der Organisationsgrad ist verglichen mit dem Westen niedrig und der Klärungsbedarf von Skat-Problemen hoch. Was für eine Tradition das Spiel auf dem Gebiet der ehemaligen DDR hat, zeigt sich daran, dass hier zu Diktaturzeiten Turniere von bis zu 12.000 Teilnehmern in einer Stadt veranstaltet wurden. Oft war als Preis der Berechtigungsschein für einen Trabbi ausgesetzt.

Überhaupt scheint das Skatspiel in solchen Zeiten besonders zu blühen, die reich an Unannehmlichkeiten und arm an aufwändigen Freizeitaktivitäten sind. Dafür sprechen die Mammutturniere in der DDR genauso wie die Tatsache, dass das Skatgericht bis heute die meisten Anfragen pro Jahr im Kriegsjahr 1943 erhielt. Auch im Ersten Weltkrieg wurde in den Schützengräben zwischen den Kanonaden eifrig Skat gekloppt.

Weltweit anerkannte Regeln nach komplizierter Fusion

Bis heute sei Skat das beliebteste deutsche Kartenspiel, da ist sich Braun sicher. Er vermutet, dass diese Einschätzung auch weltweit zutrifft. Anfragen an die Skatgerichtsbarkeit kommen auch aus aller Welt. Nach der Fusion von Deutschem Skatverband (DSkV) und der ISPA, der International Skat Players Association, gelten seit 1999 überall auf dem Globus die gleichen Regeln.

Die Fusion war nicht einfach. Vier Jahre lang wurde von 1994 bis 1998 verhandelt. Beide Seiten mussten durch Regelangleichungen ein wenig Identität abgeben. So musste etwa der DSkV akzeptieren, dass verlorene Handspiele doppelt abgeschrieben werden. Die ISPA musste die Kröte schlucken, dass nun auch in ihrem Geltungsbereich Null-Hand-Spiele regelkonform sind.

Für die Mau-Mau-Spieler unter den Lesern mag ein solcher Enthusiasmus, wie er sich etwa in der Härte der Fusionsverhandlung widerspiegelt, eher lächerlich erscheinen, vielleicht auch die Skatgerichtsbarkeit insgesamt. Denn schließlich geht es um ein Spiel. Konfrontiert man Braun mit einer solchen Haltung in Bezug auf die Skat-Rechtsprechung,  reagiert er ruhig: "In jeder Sportart gibt es Schiedsrichter, also auch im Skat."

Und unabhängig davon, ob man Skat wegen des flachen Bewegungsprofils als Sport einstufen möchte, bleibt festzuhalten: Wann immer Menschen sich voller Ehrgeiz messen, Siege locken und Niederlagen drohen, sind Schiedsrichter genauso wichtig wie die Regeln selbst. Fehlen Schiris, droht das Chaos.

Zitiervorschlag

Till Mattes, Gebe - höre - urteile: das Deutsche Skatgericht: Die Richter der Überreizten . In: Legal Tribune Online, 13.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19549/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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