Das BVerfG zieht um: 2,4 Kilometer Akten

14.08.2014

Ein Gericht zieht um. Na und? - mag mancher denken. Von wegen! Wenn das Bundesverfassungsgericht an seinen Stammsitz in die Karlsruhe Innenstadt zurückkehrt, müssen kilometerweise Akten mit.

Der Bundesadler im Sitzungssaal ist ausgepackt und abgestaubt. Zwei Kreissägen stehen im Foyer des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Ohne festes Schuhwerk und Schutzhelm geht hier nichts. Die Wände sind mit Schutzfolie abgedeckt, auf dem Boden liegen Holzlatten und eingerollte Teppiche.

Deutschlands höchstes Gericht zieht zurück in seinen Stammsitz im Karlsruher Zentrum. Dabei ist der Gebäudekomplex noch eine riesige Baustelle. Kaum zu glauben, dass hier in wenigen Wochen Akten gewälzt und Recht gesprochen werden soll. "Es wird knapp", sagt Wolfgang Grether vom Hochbauamt. "Aber bis Ende September ist alles fertig."

Schon beginnt der seit einem Jahr generalstabsmäßig geplante Umzug. Diese Woche werden 2.400 Meter Akten - nach Aktenzeichen fortlaufend sortiert - von ihrem Containerarchiv in den Keller der Bibliothek verfrachtet. Das dauert drei Tage. In dieser Zeit darf nichts durcheinandergeraten. Ende August ziehen dann die hauseigene Druckerei und die Buchbinderei in das Hauptgebäude zurück. Um eine 1,3 Tonnen schwere Papierschneidemaschine zu bewegen, reist eigens ein Team des Maschinenbauers Heidelberger Druck an. Professionell verpackt soll die filigran wirkende Maschine durch das Fenster in das Untergeschoss der Bibliothek gezogen werden.

"Das städtische Ambiente hat einfach mehr Pep"

Drei Jahre lang arbeiteten die 16 Richter und ihre Mitarbeiter in einer ehemaligen Kaserne am Stadtrand von Karlsruhe. Währenddessen wurde der 45 Jahre alte denkmalgeschützte Stammsitz neben dem Karlsruher Schloss saniert. "Es wird Zeit, dass das wieder zusammenkommt, was zusammengehört", resümiert Ulrike Geserich, die im Gericht den Umzug koordiniert. "Denn es gab in den drei Jahren durch die Trennung natürlich Zeit- und Reibungsverluste."

Kein Wunder: Verwaltung, Geschäftsstellen und Aktenverwaltung blieben am Stammsitz. Ein hauseigener Shuttlebus fuhr sechsmal täglich zwischen den Standorten hin und her. Außerdem mussten 1.200 Meter Bücher 2011 beim Bundesgerichtshof (BGH) ein paar Straßen weiter eingelagert werden. Auch sie müssen in ihre Heimatbibliothek zurückgebracht werden.

Die Trennung ist für die insgesamt 250 Beschäftigten des Gerichts beruflicher Ausnahmezustand. Dieser geht zu Ende, wenn die Richter und ihre Mitarbeiter Ende September in einem auf zwei Tage angelegten Umzug zurückkommen. "Ich bin froh, wenn ich wieder in der Stadt arbeiten kann", sagt Verfassungsrichter Peter Huber dazu. "Das städtische Ambiente hat einfach mehr Pep." Die vergangenen drei Jahre bestimmte eher klösterliche Abgeschiedenheit seine Arbeit und die seiner Kollegen. Das Ausweichquartier in der sogenannten Waldstadt liegt noch hinter dem Wildparkstadion des Zweitligisten KSC. In der benachbarten Flugsicherung gibt es immerhin eine Kantine.

Stammsitz für 53 Millionen Euro grundsaniert

"Auch die Generation Waldstadt freut sich", sagt Pressesprecher Bernd Odörfer und meint damit die Mitarbeiter, die - wie er selbst - den Stammsitz als Arbeitsplatz noch nicht kennen.

Bei der Rückkehr erwartet Huber, Odörfer und die anderen ein für etwa 53 Millionen Euro grundsanierter Stammsitz. Dieser verfügt über zeitgemäßen Brandschutz und modernste energetische Sanierung zum Schutz gegen die berüchtigten schwül-heißen Sommer der Rheinebene. Auch die Technikausstattung entspricht dann endlich der Moderne.

Die Umzugskartons für den Umzug packen fast alle selber. "Wir Richter haben es ja gut. Wir müssen nicht packen", sagt Peter Huber dazu. Für sie erledigt das eine Spedition unter den wachsamen Augen des Sekretariats.

Auch wenn dann noch einiges ansteht, wie bei jedem Umzug auch: Am Montag sollen wieder Akten gewälzt und Recht gesprochen werden. In den neuen alten Gebäuden. Als sei nichts geschehen. Mancher ist skeptisch: "Es wird aber bestimmt dauern, bis sich alle daran gewöhnt haben", sagt einer. Er klingt ein bisschen bange.

dpa/una/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Das BVerfG zieht um: . In: Legal Tribune Online, 14.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12880 (abgerufen am: 04.10.2024 )

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