Hollywood im Nachkriegsberlin: "Sui­cide Freddie" und die tote Frau am Wannsee

Gastbeitrag von Dr. Ernst Reuß

08.02.2025

Der frühere Bob-Weltmeister Frederick McEvoy führte ein schillerndes Leben. 1951 starb er unter mysteriösen Umständen bei einem Unfall mit seiner Jacht. Was "Suicide Freddie" mit einem Mord am Wannsee zu tun hat, weiß Ernst Reuß.

Denkt man an Hollywood und Nachkriegsberlin, denkt man zuallererst an die wunderbare amerikanische Filmkomödie "Eins, zwei, drei" von Billy Wilder. Der Sohn jüdischer Eltern war rechtzeitig aus Berlin geflohen und hatte in Hollywood große Karriere gemacht. Sein Film aus dem Jahr 1961 wurde jedoch damals zum Flop, weil man angesichts des Baus der Mauer nicht mal darüber schmunzeln konnte. Sein beißender Spott auf die real existierenden Verhältnisse in West - und Ostberlin wirkte auf die meisten Zuschauer wie blanker Zynismus.

Erst in den 1980er Jahren wurde "Eins, zwei, drei" ein voller Erfolg und man konnte wieder herzhaft lachen über Darsteller wie Horst Buchholz, James Cagney, Liselotte Pulver und den speziellen Humor eines Regisseurs wie Billy Wilder.

Es gibt jedoch auch eine viel tragischere Verbindung nach Hollywood, die bereits Ende März 1946 mit dem Fund einer verwesten Leiche in der Nähe des Strandbads Wannsee begann.

Zwei Männer erschlugen die junge Liesbeth Hobeck

Die Unbekannte wurde in einem Schützenloch gefunden, das noch zur Verteidigung Berlins ausgehoben wurde. Die Polizei war sich daher zunächst sicher, dass es sich um ein Opfer aus der Endphase des Krieges handelt. Die Tote war aber die 28-jährige Liesbeth Hobeck, die ein halbes Jahr zuvor, am 3. Oktober 1945, von zwei Männern erschlagen worden war.

Der im Sudetenland geborene Walter Rampfel und ein Österreicher namens Manfred Lentner hatten sich im Kriegsgefangenenlager kennengelernt.

Rampfel war seinem Kumpel nach Berlin gefolgt, wo Lentner seine Ehefrau suchte, die er in den Nachkriegswirren jedoch nicht fand. Da er aber schon immer gerne mehrgleisig fuhr, suchte er der Einfachheit halber eine frühere Geliebte in derselben Stadt auf, wo er fortan wohnte.

Rampfel wohnte im gleichen Haus als Untermieter bei Liesbeth Hobeck. Die Gelegenheit ließ er nicht ungenutzt und fing ein Verhältnis mit ihr an. Sie verliebte sich in ihn und wollte heiraten, er nicht. Sie hielt ihn finanziell aus. Dafür ging er zum Schein auf ihren Heiratswunsch ein. Er erklärte sich bereit, mit ihr in ihren Heimatort Datteln in Westfalen ziehen, wo auch Hobecks Mutter und ihre vier Kinder wohnten.

Sie träumte wohl von einem trauten Familienleben in der Kleinstadt. Er hatte andere Pläne.

Einer wurde festgenommen – der andere nicht

Rampfel und sein Kumpel Lentner wollten Liesbeth loswerden und an ihr Erspartes. Am Bahnhof Wannsee auf den Anschlusszug wartend, machten sie es sich in der Nähe im Wald gemütlich. Laut Rampfels schriftlichem Geständnis nutzte dies Lentner aus, um die verliebte Liesbeth mit einem Winkeleisen zu erschlagen, während Rampfel sie festhielt.

Erst im Dezember 1945 meldete Hobecks Mutter ihre Tochter als vermisst. Schon bald wusste man, wer die letzten Reisebegleiter von Liesbeth Hobeck waren. Rampfel wurde festgenommen und kam in Untersuchungshaft.

Mit Urteil vom 20. Februar 1947 wurde er zum Tod verurteilt und am 6. April 1948 in Berlin hingerichtet. Der bereits verheiratete Lentner, der inzwischen eine Frau aus der Gegend geehelicht hatte, konnte sich dagegen der Festnahme entziehen.

Was Lentner mit Hollywood zu tun hat

Er wurde zwar in Österreich festgenommen, konnte aber 1947 aus dem Kreisgefängnis Korneuburg fliehen und tauchte danach, zuletzt mit dem Namen Walter Praxmarer, unter.

Am 7. November 1951 war er an Bord der Jacht ‚Kangaroa‘ (deutsch: ‚Känguruh‘), als diese in einem Sturm (Windgeschwindigkeit 110 Stundenkilometer) auf der Höhe der Stadt Mazagan (Marokko) auf ein Riff lief und sank. Der Eigentümer der Jacht war ein bekannter Mann in Hollywood und nicht nur dort: Frederick Joseph McEvoy, seine Frau und mehrere andere segelten von Tanger zu den Bahamas, als sie vor Marokko sanken. Es gab nur drei Überlebende, fünf Menschen ertranken. Deshalb blieben eine Menge Fragen offen.

Der Spiegel schrieb 1951: "Wie kam es, daß die ‚Kangaroa‘, ein vollkommen seetüchtiges Fahrzeug, bei so schlechtem Wetter so dicht unter der Küste gekreuzt hatte? Der französische Stewart, der spanische Koch (beide vorbestraft) und die Zofe Cécile Bruneau waren ertrunken. Freddie McEvoy hatte seine hübsche, blonde Frau Claude, 27, an einen Mast gebunden und war über Bord gesprungen, um Hilfe zu holen. Er ertrank, obwohl er ein ausgezeichneter Schwimmer und Amateur-Unterwasserjäger war. Wie kam es, daß sich die drei restlichen Mitglieder der Mannschaft, der Deutsche Willi Gehring, Maat, der Österreicher Franz Krotil, Matrose, und der Österreicher Walter Praxmarer, alle drei sehr mittelmäßige Schwimmer, an die Küste retten konnten?"

Die Polizei von Casablanca, wohin die Überlebenden des Schiffsunglücks gebracht worden waren, begann eine Untersuchung. Praxmarer machte sich verdächtig, wurde verhaftet, Zeitungen druckten sein Bild und die Polizei von Wien erkannte ihn als den flüchtigen Mörder Manfred Lentner. Lentner sagte aus, dass er nach Italien flüchtete, in Rom einem Walter Praxmarer die Papiere stahl und danach an der französischen Riviera Freddie McEvoy kennenlernte, dem er seine Geschichte erzählte und der ihn engagierte.

Von Suicide Freddie und Errol Flynn

McEvoy, wegen seines riskanten Lebensstils "Suicide Freddie" genannt, hatte als Bobfahrer 1937 und 1938 bei Weltmeisterschaften drei Gold- und zwei Silbermedaillen gewonnen. Außerdem war er der britische Fahnenträger bei den Olympischen Winterspielen 1936 in Garmisch-Partenkirchen und der erste Australier, der eine Medaille – Bronze – bei den Olympischen Winterspielen gewann. Nebenbei fuhr er meist mit einem Maserati – auch in Europa – Autorennen, lebte später in Hollywood und brachte es neben seinem guten Freund – dem weltberühmten Schauspieler – Errol Flynnzu Kurzauftritten in zwei Filmen.

Flynn, der in ein Verfahren wegen Vergewaltigung Minderjähriger verwickelt war, wurde von seinem Freund McEvoy vehement verteidigt. Die vermeintliche Straftat an der 17-Jährigen soll während einer Party in McEvoys Haus in Bel Air begangen worden sein. Errol Flynn wurde auch aufgrund der Aussage von Freddy McEvoy freigesprochen.

McEvoy betrachtete sich selbst als den "Playboy der westlichen Welt". Er heiratete insgesamt drei wohlhabende Erbinnen. Seine erste Frau war doppelt so alt wie er und Erbin eines Vermögens von Standard Oil. Er wurde später wegen Untreue schuldig geschieden. Danach heiratete McEvoy die Tochter des Präsidenten von Standard Oil of Kansas. Sie war zum Zeitpunkt der Heirat mit 18 Jahren halb so alt wie er. Dummerweise wurde die Tochter von ihrem Vater enterbt, nachdem sie durchgebrannt war, und die Ehe hielt nur zwei Jahre. Dann lernte er Barbara Hutton kennen, eine weitere reiche Erbin, die sich gerade von ihrem dritten Ehemann Cary Grant hatte scheiden lassen und als reichste Frau der Welt galt. Ein paar Jahre hielt angeblich die Beziehung, ohne Trauschein. 1949 heiratete McEvoy dann Claude Stephanie Filatre, ein französisches Model, die mit ihm später im Meer sterben sollte. Errol war sein Trauzeuge.

Schmuggelte "Suicide Freddie" Waffen und Alkohol?

Der schillernde "Suicide Freddie" hatte einen Schlag bei den Frauen, aber keinen sonderlich guten Ruf bei den Behörden. Es gab Behauptungen, dass er ein Antisemit sei, der heimlich für das Dritte Reich arbeitete. Das FBI, das ihn zusammen mit mehreren seiner Freunde und Kollegen überwachte, bezeichnete ihn als "einen ‚internationalen Zuhälter‘, der an seinem eigenen Wohlergehen interessiert ist und wahrscheinlich nicht an Aktivitäten beteiligt ist, die den Interessen des Landes schaden."

Die Umstände seines Todes am 7. November 1951 waren mysteriös. Auch der britische militärische Spionage-Abwehrdienst hatte sich in die Ermittlungen eingeklinkt, denn es wurde gemunkelt, dass McEvoy als Waffen- und Alkoholschmuggler mit seiner Jacht eine Menge Geld verdiente. Marokko galt als Schmuggelumschlagplatz, vor allem für den Ostblock.

Angeblich kannte McEvoy ja laut dessen eigener Aussage Walter Praxmarers Geschichte und wusste von dessen Tat als Manfred Lentner in Berlin. Aber die Polizisten vor Ort konnten nicht feststellen, inwieweit Lentner in den vermeintlichen Schmuggel seines Chefs involviert war – und ob er auch McEvoy getötet hatte.

Lentner wurde daher nach einem Jahr Ermittlungen und Untersuchungshaft von Marokko an Österreich ausgeliefert. Dort wurde er am 7. Mai 1954 wegen des Mordes an Liesbeth Hobeck und wegen Bigamie zu 15 Jahren schweren Kerkers verurteilt, "verschärft durch [...] einsame Absperrung in dunkler Zelle an jedem 3. Oktober (dem Tag des Mordes) jeden Jahres der Strafhaft." Danach verliert sich seine Spur. Wäre er nicht erfolgreich geflüchtet, wäre er wohl bereits – wie sein Mittäter – 1948 in Berlin geköpft worden.

Ernst Reuß ist Autor. 2022 erschien sein Buch "Endzeit und Neubeginn, Berliner Nachkriegsgeschichten". Das Buch gibt es auch als Kindle und Tolino.

Zitiervorschlag

Hollywood im Nachkriegsberlin: . In: Legal Tribune Online, 08.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56540 (abgerufen am: 17.03.2025 )

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