Am vergangenen Dienstag wurde der Asterix-Zeichner Albert Uderzo 90 Jahre alt. Würde er nach seinem Geheimrezept für das hohe Alter gefragt, könnte er gut antworten: Man muss oft kräftig um sein Recht streiten. Von Martin Rath.
Im offiziell 15. Band der Comicreihe um den bekannten gallischen Gnom "Streit um Asterix" (1970/73, Original: "La zizanie") gelingt es dem römischen Machthaber Cäsar, Zwietracht in das sonst zugleich ebenso von Streitlust wie vom warmen Mief der Gruppe geprägte Dorf zu bringen, das sich seinem Anspruch widersetzt, ganz Gallien der römischen Zivilisation untertan gemacht zu haben.
Zum Einsatz kommt dabei der Agent Tullius Destructivus, ein römischer Bürger, der prima facie durch seine bloße Anwesenheit in jeder Gruppe Streit auszulösen scheint – sich dabei aber eigentlich doch bloß harmloser Mittel bedient, etwa der Provokation von Missverständnissen unter Herrschaften, die noch nie vernünftig zu kommunizieren vermochten, oder durch das Wecken von Neid, einer vermutlich zeitlosen Leidenschaft unter allen Menschen, die in dörflicher Enge leben müssen.
Niemandem steht wohl ein Urteil darüber zu, ob der Zeichner Albert Uderzo (1927–), der neben dem Text-Autor René Goscinny (1926–1977) der "Vater" des Asterix-Figurenensembles war, Züge des Tullius Destructivus an sich trägt – ein Blick in die Rechtsprechung lässt aber den Schluss zu, dass Uderzo ähnlich erfolgreich im Aufrühren von Konflikten war. Erfolge wollen gerühmt sein, insofern ist auch ein ehrwürdiger 90. Geburtstag kein zu unpassender Anlass, einen Ausschnitt aus der Rechtsgeschichte der gallischen Querelen zu bringen.
"Alcolix" - die Parodie aus Deutschland
Eintracht dürfen wir noch im Urteil unterstellen, dass die Zahl der Prozesse rund um "Asterix" zu groß ist, um hier erschöpfend wiedergegeben zu werden.
Doch damit ist die Harmonie womöglich schon am Ende, ist doch zu entdecken, dass im vielleicht bedeutendsten Prozess Uderzos hierzulande zwei der vornehmsten Gerichte deutscher Zunge, das Oberlandesgericht (OLG) München und der Bundesgerichtshof (BGH), zu stark unterschiedlichen Würdigungen der Wirklichkeit kamen.
Die Rede ist vom sogenannten "Alcolix"-Prozess, in dem die gelehrten Juristen beider Gerichte möglicherweise sehr gegensätzliche Einschätzungen beim Blick auf künstlerisch verbrämte Gewalt zeigten.
Gegenstand war der Comic "Falsches Spiel mit Alcolix - die Parodie". In diesem Heft wurde eine Vielzahl von bekannten Comic- und anderen popkulturellen Figuren verwendet. In einer dem italienischen Drehort angelehnten Film-Produktionsstätte "Comicitta" erleben die Darsteller "Serge Perdu" und "Yves Pendant" in Beziehung auf einen – sagen wir: amerikakritischen – Film ein Abenteuer von cineastisch wie comicartistisch etwas zweifelhafter Qualität. Wer jemals schlechte Selfpublisher-Romane gelesen hat, weiß sie vom Ende her einzuschätzen: "Falsches Spiel mit Alcolix" endet mit einer seine Figuren verzehrenden Explosion.
2/2: Welche Rolle spielt Gewalt in "Asterix"?
Während das Landgericht (LG) München I zunächst (Urt. v. 27.09.1990, Az. 7 O 15437/89) neben Uderzos Asterix-Rechten auch die Rechte an den ebenfalls erkennbaren Figuren aus dem Tintin-Kosmos ("Tim und Struppi") verletzt sah, mochte das OLG München (Urt. v. 04.07.1991, Az. 29 U 6196/90) auch für die Anleihen aus der Welt der Gallier kein hinreichendes, rechtlich geschütztes Interesse Uderzos entdecken.
Ein Asterix namens Alcolix, der dem Alkohol anheimfalle, könne keine Parodie auf trinklustige gallische Dorfbewohner sein, da diese eben nur gerne feierten, aber nicht der Trunksucht unterlägen, so das OLG:
"Die Problematik des Alkoholismus und der Gewaltanwendung in Form beson-derer Brutalität spielt keine besondere Rolle. Die Darstellung von Gewaltanwendung im Rahmen der kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Römern ist zwar unvermeidlich; bei den abschließenden Festbanketten wird auch ausgiebig gezecht. Dies bedeutet jedoch nicht, daß Brutalität und Alkoholismus als bestimmende Charakterzüge der Gallier oder einzelner Figuren herausgestellt werden."
Im Obelix-Horizont kurz gesagt: Wo nichts ist, kann man nichts parodieren.
BGH richtet es anders aus
Der österreichische Kabarettist Egon Friedell (1878–1938) notierte in seiner "Kulturgeschichte der Neuzeit", welche großartigen Künstler bei welchen anderen, kaum minder wichtigen Kollegen abgeschrieben, kopiert oder sich angelehnt haben, um festzuhalten, dass ein Stillstand der Kunstpflege überhaupt nur eintrat, wenn nicht genug plagiiert worden sei – wobei der genialische Friedell natürlich einen hohen Anspruch hatte, was die Qualität der Entlehnung betraf.
Dem BGH war im Revisionsurteil zur Münchener "Alcolix"-Judikatur leider nicht daran gelegen, künstlerische Genie-Konzepte näher zu bestimmen – glückli-cherweise erlauben §§ 23, 24 Urhebergesetz, ein "selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, […] ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes" zu veröffentlichen – was jedenfalls Annäherungen an Friedell erlaubt.
Hinsichtlich der "Asterix"-Elemente im "Alcolix" hielt der BGH fest, dass die Selbständigkeit des entlehnenden Werks gegenüber dem benutzten Werk nicht zwingend dadurch hergestellt werden muss, dass dem Betrachter die Parodie durchgängig ins Gesicht springt:
"Auch bei einer weitgehenden Übernahme der Formgestaltung eines geschützten älteren Werkes ist eine freie Benutzung nicht ausgeschlossen, und dies nicht nur dann, wenn sich das neue Werk – wie etwa bei einer Parodie – mit dem älteren Werk auseinandersetzt. In solchen Fällen ist aber das Vorliegen einer freien Benutzung nach einem strengen Maßstab zu beurteilen. Die Frage, ob eine freie Benutzung vorliegt, ist vom Standpunkt eines Betrachters aus zu beurteilen, der das benutzte Werk kennt, aber auch das für das neue Werk erforderliche intellektuelle Verständnis besitzt", so der BGH, bevor er an das Berufungsgericht zurückverwies.
Das ist gewiss eine justizverwertbare Stellungnahme der ehrwürdigen Richter zu Karlsruhe, doch nur zu gern hätte man in streitlustigen Worten erfahren, was sie von der Münchener Apologie der "harmlosen" und daher nicht parodiefähigen Gewalt in "Asterix" hielten – oder von der widersprüchlichen gallischen Neigung des jetzt 90 Jahre alt gewordenen Jubilars, seine hehre Kunst zu monetarisieren.
Der Autor Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Ohligs.
Martin Rath, Plagiat statt Parodie: Rechtsstreit um Asterix . In: Legal Tribune Online, 30.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22781/ (abgerufen am: 01.10.2023 )
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