Den juristischen Superheiligen Nikolaus kennt jeder. Aber man kann auch Zuständige für die Architektenhaftung finden. Und gleich ganz viele für die Familienrechtler: wundertätige Männer und Frauen an der Seite des Rechts und seiner Diener.
Das scheint eine glasklare Trennung zu sein, seit die spätantiken römischen Kaiser das Geschäft der Wahrsagerei verboten haben. Aber aller spätestens seit die Juristen im 18. Jahrhundert begannen, den Vorwurf der Hexerei, diesen bedrohlichen Eingriff transzendentaler Kräfte in die Kausalverläufe des Alltags, für Unsinn zu erklären. Letzteres ist wohl der heimliche Grund, warum die Kausalitätslehren noch heute so eifrig im Jurastudium behandelt werden.
Ganz klar ist die Trennung aber nicht vollzogen, beispielsweise zahlen manche Krankenkassen Leistungen, die auf der magischen Lehre der Homöopathie beruhen, eine gewisse Heiligenverehrung für den sächsischen Wunderarzt Samuel Hahnemann steht hier Pate.
In den vergangenen Jahren haben dank diverser Verfilmungen von Marvel-Comics die US-amerikanischen Helden einen enormen Aufschwung in ihrer Popularität gewonnen.
Ein Heiliger ist, so das amerikanische Lästermaul Ambrose Bierce, ein alter Sünder, den man überarbeitet hat und neu herausgibt. So weit muss man ja nicht gehen: Hier werden nur die alten Heiligen ein wenig überarbeitet und neu herausgebracht – man kann ja nicht immer nur mit den Helden in Unterhosen, Batman, Superman & Co. den Kampf um Recht und Gerechtigkeit bestreiten.
Ein Leben im Geist des heiligen Wendelin schützt jedenfalls vor Wirtschaftsstrafverfahren.
Der Mann hat das Zeug, zum Schutzheiligen, insbesondere der Fachanwälte für Agrarrecht, erkoren zu werden, sollte sich diese juristische Spezialdisziplin des Beistands höherer Mächte versichern wollen: Den schottischen Prinzen Wendelin verschlug es im 7. Jahrhundert ins spätere Saarland, wo er sich landwirtschaftlich betätigte – als Hirte von Schafen und Schweinen. Der Eigentümer der Viecher beschuldigte seinen Hirten, wegen allzu eifrigen Gebets die Aufsicht über die Tiere zu vernachlässigen, doch fanden diese kraft göttlichen Fingerzeigs auch ohne Hirten den Weg in den Stall.
Ein berühmter Namensträger im 20. Jahrhundert, der frühere Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, fühlte sich nicht nur der Firma Porsche verpflichtet. Es wurde kolportiert, dass er nicht nur im Besitz eines Porsche-Traktors war, sondern auch seinem Vornamen Wendelin huldigte: Er nutzte den Traktor in der Freizeit für bäuerliche Arbeiten. Daraus folgt: Wer vollständig dem Vorbild des heiligen Wendelin folgt, ist davor geschützt, sich in womöglich böse Geschäfte zu verstricken.
Gedenktag: 20. Oktober.
Bild: Bernese Collection of the Historisches Museum Bern, Sailko, CC BY-SA 3.0, Quelle, Zuschnitt & Skalierung durch LTO
Ja, die Großmütter waren noch zupackende Arbeiterinnen, die Kinder und Enkel wachsen dann in den verwöhnten Mittelstand hinein.
Die heilige Anna ist eine Schutzheilige der Arbeiterinnen, womit sie sich dazu qualifiziert, auch in Anliegen angerufen zu werden, mit der man im Übrigen besser einen auf das Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt, vielleicht eine Fachanwältin für Arbeitsrecht, beauftragen sollte.
Obwohl die Ehe zwischen der späteren Heiligen und Joachim, ihrem Gemahl, 20 Jahre lang kinderlos blieb, verstieß dieser sie nicht. Das lässt im Orient des 1. vorchristlichen Jahrhunderts nur den logischen Schluss zu, dass es sich bei Anna um eine ausgesprochen fleißige Arbeitskraft gehandelt haben muss. Jedenfalls erklärte die christliche Überlieferung sie zur Patronin unter anderem der Besenbinder, Näherinnen und Weber sowie zu jener der Arbeiterinnen schlechthin.
Ihre Tochter Maria gebar späterhin einen Enkelsohn namens Jesus, der bereits den Aufstieg aus dem mittelständischen Handwerk der Zimmerleute in die theologische Gelehrsamkeit vollzog. Die heilige Anna mag damit für jene Großmütter heutiger Arbeitsrechtlerinnen und Arbeitsrechtler stehen, die als Fabrikarbeiterinnen oder Putzfrauen die harte Knochenarbeit noch kennengelernt haben, während sich die Enkel dem intellektuellen Aufstieg widmen.
Gedenktag: 26. Juli.
Bild: Fresco der heiligen Anna aus Farras, Ejdzej, Quelle, Zuschnitt & Skalierung durch LTO
Für den Schutz des Bank- und Kapitalmarktrechts braucht es einen leibhaftigen Erzengel.
Ist es nicht ein bisschen albern, wenn man behauptet, dass sich so moderne Professionen wie das Bank- und Kapitalmarktwesen oder entsprechende juristische Berater unter den ideellen Schutz einer höheren Macht stellen? Das mag man so sehen. Merkwürdig ist dann allerdings, mit welchem Eifer gerade unter den Geldmenschen unerreichbare Vorbilder angepriesen werden: André Kostolany, Warren Buffett, George Sorros, Dirk Müller – im Börsengeschäft scheint es mehr Gurus zu geben als Wunderheiler auf einer Esoterik-Messe.
Wenn schon gestandene Bank- und Kapitalmarktfachleute sterblichen Vorbildern in Gestalt von Börsengurus huldigen – und hier überhaupt viel Wunderglaube im Spiel ist, beispielsweise heißt es ja, dass sich das "Geld vermehrt" – muss daran erinnert werden, dass dieses Geschäft traditionell unter dem Schutz des Erzengels Michael steht. Sollte ein aufs Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierter Jurist einmal das Wunderversprechen vom sich selbst vermehrenden Geld nicht einklagen können, versuche man es mit dem höheren Beistand.
Gedenktag für alle Erzengel: 29. September.
Bild: Das Jüngste Gericht, Triptychon, Mitteltafel: Maiestas Domini und Erzengel Michael mit der Waage, der die Seelen der Auferstandenen wiegt, Detail: Erzengel Michael, The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei. DVD-ROM, 2002. ISBN 3936122202. Distributed by DIRECTMEDIA Publishing GmbH, Quelle, Zuschnitt & Skalierung durch LTO
Jedenfalls in Tiefbau- und Innenarchitekturfragen anzurufen: die heilige Barbara.
Bevor er eine längere Reise antrat, setzte sich der heidnisch gebliebene (also nur humanistisch gebildete) Vater der heimlich zum Christentum konvertierten Barbara in den Kopf, die Tochter in einem Turm einzusperren. Er erfüllte ihr aber den Wunsch, ein Badezimmer in diesen Turm einbauen zu lassen. Das war ein im 3. nachchristlichen Jahrhundert ganz außergewöhnliches Gewerk, das sie aber kaum lange nutzen konnte, weil ihre Zugehörigkeit zum neuartigen orientalischen Kult bald bekannt wurde. Während Barbara floh, tat sich wundersamer Weise ein Fels vor ihr auf, in den sie zeitweise fliehen konnte.
Ein am Nutzungsbedürfnis vorbei gebautes Badezimmer, ein Erdboden, der sich wie von Wunderhand auftut – die Kirche verehrt Barbara unter anderem als Schutzheilige der Architekten und der Untergrundbahn. Dieser logischen Konsequenz kann man sich nur schwer entziehen, und es soll Fälle geben, in denen noch moderne Gewerke weniger den Spielregeln des Bau- und Architekturrechts zu folgen scheinen als den guten und bösen Wundertaten höherer Mächte.
Gedenktag: 4. Dezember.
Bild: Hl. Barbara, Relief, Lindenholz, 1525; Salzburg Museum, Inv. Nr. 9226/49, Object: Werkstatt des Meisters der Irrsdorfer Tafeln / Photo: WolfD59, Quelle, Zuschnitt & Skalierung durch LTO
Merkwürdige Lücke in der Heiligenordnung: Keine Zuständigkeit für das Erbrecht?
Johann Wolfgang von Goethe wusste, dass die Kirche einen großen Magen hat. Gemeint war damit, dass Klöster und Pfarreien seinerzeit durch Stiftungen und Erbschaften vor allem zu reichem Grundbesitz kamen. Noch heute gehört es zur Geschäftspolitik der Kirchen in Deutschland, Immobilien tunlichst nie wieder herzugeben. Eine Heilige oder einen Heiligen zu finden, die oder der mit Fragen des Erbrechts assoziiert wird, ist keine leichte Übung – man bewegt sich hier auf einem Feld, für das man lieber wenig Aufmerksamkeit gewinnen mochte.
Unter der Hand wird aber ein erbrechtliches Zentralproblem personifiziert: Die heilige Birgitta von Schweden (1302-1373), eine zeitlebens von Christus-Erscheinungen geplagte hochadelige Dame, litt in vorangeschrittenem Alter darunter, dass die Erscheinungen nachließen. Am 23. Juli 1373 erklärte sie jedoch: "Jetzt ist deine Zeit gekommen", also die Zeit für eine letzte Gottesbegegnung während des sterblichen Lebens. Die Heilige gilt als zuständig für die gute Sterbestunde, also für die Vorstellung, seine Verhältnisse zu Lebzeiten gottgefällig, jedenfalls gut geordnet zu haben. Sicher kein Anspruch, dem sich Expertinnen und Experten für das Erbrecht entziehen wollten.
Gedenktag: 23. Juli.
Bild: Birgitta of Sweden on an altarpiece in Salem church, Södermanland, Sweden, Cropbot, Quelle, Zuschnitt & Skalierung durch LTO
Sollten Familienrechtler Schutzheilige brauchen, sie bekommen eine ganze Rasselbande.
Der heilige Eustachius, ein römischer Soldat, der auf der Flucht über das Mittelmeer – von Rom nach Afrika – seiner Frau und Söhne verlustig ging, sie trotz der damals unzureichenden ermittlungstechnischen Bearbeitung solcher Flüchtlinge später wiederfand, gilt als Heiliger mit Kompetenz in traurigen Familienschicksalen.
Der heilige Joseph, Gedenktag 19. März, ist als Gatte der Maria und sogenannter Nährvater Jesu ein frühes Oberhaupt einer Patchwork-Familie. Folgerichtig wurde ihm von jeher wundersame Kompetenz in Familiendingen zugestanden, ein großartiges Beispiel für die verzwickte Logik der christlichen Tradition.
Der heilige Gangolf, ein Gallier im 8. Jahrhundert nach Christus, zauberte eine wundersame Quelle herbei. Als seine Gattin zutreffender Weise in den Verdacht geriet, ihn mit einem Kleriker zu betrügen, stellte er sie mit dem Wunsch auf die Probe, Steinchen vom Grund des Wassers aufzuheben – was ihr in Ermangelung ehelicher Reinheit misslang. Gedenktag für den Heiligen, der gegen Ehebruch angerufen werden kann, ist der 11. Mai. Im Zweifel ruft man heute wohl doch nach Paartherapeuten und Familienrechtsanwälten. Die Wasserprobe erfreute sich unter Juristen noch bis in die Neuzeit gewisser Beliebtheit.
Gedenktag: 20. September.
Bild: Maerten de Vos and Studio - The Vision of Saint Eustace, other scenes with tests of his faith beyond, Trzęsacz, Quelle, Zuschnitt & Skalierung durch LTO
Liebe Juristinnen und Juristen, rettet den heiligen Franziskus!
Frei nach John F. Kennedy: Frage nicht, was der Heilige für dich tun kann, frage dich, was du für den Heiligen tun kannst, wurde Franz von Assisi, Sohn eines vermögenden Kaufmanns, aufgewachsen als eitler Pimpf, dann als Ordensgründer mit punker-artigem Lebensstil berühmt. Er gilt traditionell als Heiliger, der für die Kaufleute zuständig ist. Weil er zugleich dem Armutsideal folgte, wäre er ein guter Patron für die inzwischen wieder abgeschaffte "Ich-AG" von Peter Hartz' Gnaden gewesen.
Auch als Patron für Juristinnen und Juristen, die sich professionell den Fragen des Handels- und Gesellschaftsrechts annehmen, ist der heilige Franz gleich doppelt qualifiziert: als Kaufmannssohn war er dem Geschäft affin. Und was ist, zweitens, schon die Gründung einer GmbH gegen die Gründung eines Ordens, der seit über 800 Jahren existiert?
Leider kennt man den Heiligen heute überwiegend als eine Art esoterischen Ökopax, der mit den Vögeln sprach. Zuzugeben ist allerdings, dass Anwälte, auch solche des Handels- und Gesellschaftsrechts, diesem Heiligen nur schwer folgen können. Seine Ordensleute laufen meist ohne Socken herum ("unbeschuhte Franziskaner"). Was nützt die weiße Krawatte bei Gericht, wenn man keine Socken trägt?
Gedenktag: 3. Oktober.
Bild: Saint Francis in Meditation, The National Gallery London, Quelle, Zuschnitt & Skalierung durch LTO
Ein Heiliger für das Informationstechnologierecht und anderes Onlinegedöns?
Der Frage, welcher Heilige das Patronat für das Internet bekomme, wurde im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts selbst von so kirchenkritischen Medien wie dem Wiener Standard oder der notorischen Ketzerplattform heise online diskutiert. Schutzheilige für moderne Medien sind nicht ungewöhnlich. Das Radio steht unter dem Patronat des Erzengels Gabriel, für das Fernsehen ist die heilige Klara zuständig und statt die Printmedien als "Lügenpresse" zu beschimpfen, zündet der Konservative mit Stil lieber eine Kerze für den heiligen Franz von Sales an.
Als Schutzheiliger für das Internet ist der heilige Isidor von Sevilla im Gespräch, der einiges an antikem Wissen durch die dunklen Zeiten des frühen Christentums gerettet haben soll. Richtiger erscheint ein Internet-Patronat des Erzengels Gabriel: Er war bereits zu biblischen Zeiten in der Informationsvermittlung tätig. Der Erzengel ist zudem Patron der Postboten, man zeigt sich also auch mit älteren Kommunikationsmittlern solidarisch – und im Zweifel klärt ja noch der stärkste Online-Narr sein Verhältnis zum Provider immer noch per Einschreiben.
Gedenktag: 24. März.
Bild: Sandro Botticelli 080 von Sandro Botticelli, The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei. DVD-ROM, 2002. ISBN3936122202. Distributed by DIRECTMEDIA Publishing GmbH, Quelle, Zuschnitt & Skalierung durch LTO
Himmlischer Beistand in Fragen des Insolvenzrechts: Gläubiger mit Schaum vor dem Mund.
Zum heiligen Gregor Thaumtourgos, einem Schüler des Kirchenlehrers Origenes – Kirchenlehrer sind jene Theologen, die man heute vielleicht in der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer (VDStL) fände, zumindest vom Niveau her betrachtet – erzählt man, dass er zum Spott seiner Umgebung und trotz seiner jungen Jahre besonders auf die Wahrung seiner Keuschheit geachtet habe. Das fand man auch im 3. nachchristlichen Jahrhundert lustig. Um ihm einen Streich zu spielen, behauptete eine Prostituierte in aller Öffentlichkeit, er sei ihr den Lohn für Liebesdienste schuldig geblieben.
Damit störte die Dame den Heiligen in einem theologischen Disput – man stelle sich die Szene bei einer VDStL-Tagung vor. Gregor Thaumtourgos wusste sich zu helfen: Er entrichtete die zu Unrecht geforderte Summe, woraufhin die falsche Gläubigerin mit Schaum vor dem Mund tot zusammenbrach, kaum dass sie das Geld in Händen hielt.
Wem nach weniger brutalem göttlichen Beistand in wirtschaftlichen Notlagen liegt: die Heiligen Hermippus, Hermokrates oder Pantaleon sind bei drohender Auszehrung anzurufen.
Gedenktag des heiligen Thaumatouros: 17. November.
Bild: Beata Vergine Maria del Rosario, pala San Gregorio (Concadirame), Threecharlie, CC BY-SA 3.0, Quelle, Zuschnitt & Skalierung durch LTO
Wenn man viel herumkommt, bietet sich der heilige Beistand des Martin von Tours an.
In traditionsbewussten Regionen Deutschlands zählt es zu den ersten Geschäften, die Kinder auf eigene Faust mit fremden Menschen abschließen, den Gesang eines Martinslieds gegen Aushändigung von Süßigkeiten einzutauschen – mitunter wird vielleicht auch erkauft, den sanglichen Vortrag vorzeitig zu beenden. Der Gedenktag des heiligen Martin von Tours war in der alten, agrarischen Gesellschaft einer der wichtigsten geschäftlichen Stichtage des Jahres, an dem der Zehnt zu leisten war. Weil oft Naturalien erbracht wurden, ein Tag regen Tauschhandels.
Als erster Heiliger der katholischen Tradition, der sich diese Position nicht durch Martyrium, sondern durch redliche Lebensführung erworben hatte, gewann der heilige Martin von Tours so weitrechende Popularität, dass reisende Kaufleute ihm gewidmeten Einrichtungen überall in Europa begegneten. Als Patron unter anderem der Fernkaufleute taugt er gewiss auch zum Schutzheiligen für das internationale Wirtschaftsrecht.
Gedenktag: 11. November.
Bild: Louis Anselme Longa, La charité de saint Martin, Abmg, CC BY-SA 3.0, Quelle, Zuschnitt & Skalierung durch LTO
Wer den Medizinern ausgeliefert ist, kann das Beten kennenlernen – aber gehörig.
Nicht für jede Krankheit ist ein doppelblind getestetes Präparat gewachsen, mit Sicherheit jedoch ein Heiliger zuständig: Patrone gibt es unter anderem für Angina-Patienten, Alkoholabstinente, Armschmerzen, Aussatz, Bauchweh, Besessenheit. Bettnässer können bis zu drei kompetente Heilige anrufen. Fieber und Furunkel, Blindheit und Irrsinn, Hinken, Verkrüppelung oder Brustkrankheiten – man kann gar nicht alle zuständigen Schutzheiligen nennen: Der heilige Martin von Tours war etwa zunächst ein Ritter der römischen Reiterei in Ungarn. Pferdefreunde rufen ihn heute bei rektalem Wundsein an.
Weniger dicht besetzt ist das Feld der Schutzheiligen der Ärzteschaft, prominent ragt aber der armenische Wunderheiler Blasius heraus, der Menschen durch Handauflegen den Eindruck einer Genesung vermitteln konnte. Ein Vorgang, der noch heute, durchaus auch in der seriösen Schulmedizin, Rechtsstreitigkeiten nach sich zieht.
Gedenktag: 3. Februar.
Bild: St. Blasius (Engetried) Fresko von Anton Joseph Walch (1712–1773), Hermetiker, Quelle, Zuschnitt & Skalierung durch LTO
Patronin der gemütlichen Unterkunft, nebenbei Drachentöterin.
Die heilige Martha, angeblich Schwester der bekannten Maria Magdalena, kam als Jüngerin Christi im Mittelmeerraum sehr viel herum. Zur Patronin der Gastfreundlichkeit wurde sie erklärt, weil sie dem Messias persönlich Unterkunft gewährt hatte. Sie selbst wurde dann eher zum missionarischen Zugvogel ohne festen Wohnsitz.
Im südlichen Gallien, erzählt man sich, trat ein böser Drache aus Kleinasien an Land, der mit seinen Feuerszungen Mensch und Vieh bedrohte. Martha sedierte ihn, indem sie ihn mit Weihwasser besprenkelte, das Volk schlug den friedlichen Drachen danach schnell tot.
Sieht man vom bösen Ende des vermutlich Naturschutz verdienenden Reptils einmal ab: Stellen sich nicht viele Mieter ihren Vermieter wie ein Wesen mit Feuerszungen vor? Sind nicht manche Mieter böse Wesen, die das Eigentum stören? Wie viel Feuer wird in den Wohneigentümerversammlungen gespuckt? Sicher lohnt es, die heilige Martha anzurufen, wenn ein auf das Miet- und WEG-Recht spezialisierter Anwalt nicht mehr weiterhilft.
Gedenktag: 29. Juli.
Bild: Abellon-Mag2, André Abellon, Quelle, Zuschnitt & Skalierung durch LTO
Johannes der Almosengeber oder der Humor des Sozialstaats?
Im 6. nachchristlichen Jahrhundert soll in Zypern ein frommer Herr von einigem Vermögen gelebt haben, der all sein Geld an die Armen verschenkte und danach in die seinerzeit noch ausschließlich christliche Stadt Alexandria in Ägypten umzog, wo er es zum Bischof brachte. Wegen seiner ärmlichen Lebensart mühten sich seine Anhänger, die wohl besser nach Limburg umgezogen wären, ihm mit reichen Geschenken etwas Komfort in den Alltag zu bringen – ein Bemühen, das der heilige Johannes umgehend dadurch zunichtemachte, dass er die Zuwendungen wieder unter den Armen verteilte.
Dem Prinzip, dass die eine Hand des Staates gibt, was die andere Hand nimmt, hat die christliche Tradition ein humoristisches Denkmal gesetzt: Während am 11. November, dem Tag des heiligen Martin, den Bauern der Zehnt abgenommen wurde, gedachte man am 12. November dem heiligen Johannes, dem Almosengeber. Sollte in sozialrechtlichen Sachen schutzheiliger Beistand gefragt sein: Johannes der Amosengeber ist hier zuständig.
Gedenktag: 12. November.
Bild: Reliquary John the Merciful cathedral of Split n01, © Marie-Lan Nguyen, Quelle, Zuschnitt & Skalierung durch LTO
Zwei heilige Männer, die nur noch von Wirtschaftswissenschaftlern angebetet werden?
Die unfeine Aussage, wonach der Teufel auf den größten Haufen scheiße, benennt die moderne Wirtschafts- und Sozialpsychologie vornehmer als den "Matthäuseffekt": Es beschreibt die Tatsache, dass eine Entlohnung für aktuelle Leistungen immer auch eine Entlohnung für frühere Leistungen enthalte. In feinsinniger Anerkennung dieses Effekts ist der der Evangelist Matthäus (der den Effekt im Gleichnis von den anvertrauten Talenten niederschrieb, Mt, 25, 29 ) der Schutzpatron unter anderem der Finanzbeamten: Der Steuern erhebende Staat lebt bekanntlich stark von dem Vertrauen, dass er die Leistungen für die Gesellschaft in gleichem oder besserem Maß erbringt wie er es bisher schon tat.
Wem der Evangelist als Patron für Steuerrechtsexperten zu frömmlerisch erscheint, mag beim heiligen Ignatius von Loyola Zuflucht finden. Dieser spanische Ex-Soldat gründete in den Jahren 1535 bis 1540 den seinerzeit hoch modernen Jesuitenorden, dessen intellektuelle und strategische Leistungsfähigkeit noch heute von Wirtschaftslenkern bewundert wird. Für steuerberatende Anwälte und Berufsträger wichtig: Der Heilige ist zuständig bei Gewissensbissen und Skrupel, man mag seiner daher im Zusammenhang mit Selbstanzeigen und Betriebsprüfungen gedenken.
Gedenktag: 31. Juli.
Bild: Ignatius Loyola - Loyola Academy, ecastro - Flickr.com, CC BY-SA 2.0, Quelle, Zuschnitt & Skalierung durch LTO
Im Strafrecht allgewaltig: der juristische Superheilige Nikolaus.
Einige römische Offiziere werden verdächtigt, einer frühen Form des konstruktiven Misstrauensvotums nachzugehen, also einen Hochverrat gegen ihren Kaiser zu planen. In Haft geraten erinnern sie sich des Bischofs Nikolaus, mit dem sie weitläufig bekannt sind. Dieser erscheint daher dem Kaiser im Traum und überzeugt ihn von der Unschuld der angeblichen Verräter.
Gelegentlich geht der heilige Nikolaus dazwischen, wenn der Henker sein Schwert führt – wir finden hier also entschlossene Strafverteidigung bis zum letzten Vollzugsakt, telepathisch vermittelte Plädoyers: der heilige Nikolaus von Myra hatte alles, was man sich von einem Strafverteidiger wünscht.
Gedenktag: 6. Dezember.
Bild: NikolausMyra Befreiung Verurteilter von Anonym, Friedrichsen, Quelle, Zuschnitt & Skalierung durch LTO
Martin Rath, Schutzpatronate im Recht: Allerlei Heilige für Juristen . In: Legal Tribune Online, 01.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17392/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
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