1. Mai: Raus auf die Straße!

von Martin Rath

01.05.2018

4/9: Zwangsarbeit in den deutschen Kolonien

Der Bund der Steuerzahler führt bekanntlich in jedem Jahr den sogenannten "Steuerzahlergedenktag" ins Feld – ein Datum, bis zu dem der durchschnittliche Steuerzahler nicht für sich, sondern für die Steuer- und Abgabelast gearbeitet hat. Nach den durchaus eigenwilligen Berechnungen der bündischen Steuerzahler war dies beispielsweise im vergangenen Jahr der 19. Juli.

Dort, wo das Thema Steuern auf seelische Schwärze trifft, weil Menschen zur Arbeit gezwungen wurden, um Steuern zu entrichten, schauen die bündischen Steuerzahler nicht recht hin.

Gern wird vergessen, dass das deutsche Volk – konservativ gezählt – nicht nur zwei bis drei Staaten in Europa gegründet hat, sondern sich zwischen 1880 und 1918/19 auch auswärts – insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent – in der Staatsbildung versuchte.

In der seit 1884 in Besitz genommenen Kolonie Deutsch-Ostafrika (Tansania, Burundi, Ruanda) wurde seit 1898 zunächst eine sogenannte Hüttensteuer und seit 1905 eine Kopfsteuer eingeführt. Seit dem Jahr 1900 war sie in Geld zu leisten.

Die afrikanische Subsistenzwirtschaft operierte bis dahin kaum mit Geld. Statt nun primär in den Genuss der an sich genialen Geldwirtschaft zu kommen, war die Steuerschuld mittels Zwangsarbeit abzuleisten – dieser Arbeitskraft galt das eigentliche Interesse der kolonialen Staatsverwaltung.

Die Notlage, bedingt durch die erzwungene Vernachlässigung der existenzsichernden eigenen Landwirtschaft, mündete 1905 im sogenannten "Maji-Maji"-Aufstand – im Zuge seiner Niederschlagung starben schätzungsweise 250.000 bis 300.000 Menschen.

Wer sich dabei für klug hält, darf dies gerne mit der unbarmherzigen Phrase vom angeblichen deutschen "Schuldkult" verwerfen. Es würde freilich beim nächsten Witzeln über das komplexe deutsche Steuerrecht einmal guttun, daran zu denken, wer den folgenreichsten Widerstand gegen die deutsche Trias aus Arbeit, Steuern und Staat geleistet hat. Der Steuerzahlerbund jedenfalls war es nicht.

Zitiervorschlag

Martin Rath, 1. Mai: Raus auf die Straße! . In: Legal Tribune Online, 01.05.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28367/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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