Über 400.000 Euro Staatsausgaben für Gerhard Schröder: Wozu braucht ein Ex-Kanzler lebens­lang fünf Mit­ar­beiter?

Gastbeitrag von Sebastian Roßner

11.05.2022

Die Nähe von Gerhard Schröder zu Putin hat eine Debatte um die bedingungslose Ausstattung ehemaliger Bundeskanzler ausgelöst. Nach den Grünen hat nun auch die AfD einen Gesetzentwurf vorgelegt. Sebastian Roßner analysiert die Rechtslage.

Fehlende klare Worte zur Verantwortlichkeit Putins und die fortgesetzte Tätigkeit von Gerhard Schröder für russische Energiekonzerne wie Rosneft und die Nord Stream AG  während des Ukraine-Kriegs werden von vielen als skandalös empfunden. Dem Vernehmen nach soll Schröder zudem in den Aufsichtsrat von Gazprom einziehen. Auch Teile der SPD wollen den Bundeskanzler a.D. nun nicht länger in der Partei dulden.

Nicht nur innerparteilich sorgt die Nähe Gerhard Schröders zu Russlands Präsident Putin für Kritik. Rufe danach, dem ehemaligen Kanzler die öffentlichen Mittel zu streichen, aus denen ihm Mitarbeiter und ein Büro finanziert werden, wurden lauter. Allein das Personal für den Ex-Kanzler soll über 400.000 Euro im Jahr an Staatsausgaben verschlingen. Zuletzt stimmte auch Finanzminister Christian Lindner in den Chor der Kritiker mit ein.

"Ehemalige Inhaber von Spitzenämtern, die offenbar an der Seite verbrecherischer Regierungen stehen, können nicht auf die Unterstützung dieses Staates zählen", so Lindner. Doch bei dieser Gelegenheit stellte Lindner auch die Grundsatzfrage nach der angemessenen Ausstattung von ehemaligen Bundeskanzlern. So sei es ratsam, die Ausstattung mit der Zeit zu reduzieren, so der Bundesfinanzminister und greift damit einen Gedanken auf, den die Bundestagsfraktion der Grünen bereits vor drei Jahren in einem Gesetzentwurf formulierte (BT DrS. 19/10759 vom 6. Mai 2019) und den die Bundestagsfraktion der AfD jüngst wieder aufgegriffen hat (BT-DrS. 20/1540 vom 27. April 2022). Am kommenden Donnerstag, den 12. Mai 2022, berät der Bundestag über den AfD-Gesetzentwurf. Die Diskussion um Gerhard Schröder hat damit eine allgemeine Debatte über die Ausstattung der ehemaligen Bundeskanzler erneut befeuert. Auch hier könnte eine Zeitenwende anstehen.  

Adenauer bekam nur einen Referenten  

Die Anfänge der Altkanzlerausstattung waren eher bescheiden. Konrad Adenauer, der erste unter den ehemaligen Kanzlern, erhielt, neben einem von der CDU finanzierten Sekretariat, einen persönlichen Referenten aus öffentlichen Mitteln. Diese Ausstattung der ehemaligen Regierungschefs wuchs dann im Laufe der Jahrzehnte bis 2018 immer weiter an auf eine Büroleiterstelle, drei Sachbearbeiterstellen, eine Sekretariats- und eine Kraftfahrerstelle, wie der Bundesrechnungshof in einem Bericht an den Haushaltsausschuss über die Versorgung und Ausstattung der ehemaligen Bundeskanzler vom 18. September 2018 feststellte. Die Höhe der Personalkosten lässt sich nicht sicher angeben, da etwa die Dienstjahre der Mitarbeiter nicht bekannt sind. Im Jahr 2015 betrugen aber, der Begründung des Gesetzentwurfs der AfD zur Folge, die Personalkosten für die Mitarbeiter der seinerzeit drei ehemaligen Bundeskanzler etwas mehr als 1,3 Millionen Euro.

Zusätzlich werden den Ex-Kanzlern Büroräume zur Verfügung gestellt, die aus dem Kontingent der jeweiligen Bundestagsfraktion stammen. Das sich lässt sich kaum mit der Regelung in § 58 Abs. 4 S. 1 Abgeordnetengesetz vereinen, wonach Fraktionsmittel nur für die Aufgaben verwendet werden dürfen, die den Fraktionen gesetzlich und in der Geschäftsordnung des Bundestages übertragen sind.

Schließlich müssen die ehemaligen Bundeskanzler geschützt werden, so dass Personenschützer, besondere Dienstwagen oder auch bauliche Schutzmaßnahmen zum Einsatz kommen. Diese Ausgaben sind allerdings von der Amtsausstattung im eigentlichen Sinne zu unterscheiden.

Millionen für Bundeskanzler ohne materielle Ermächtigungsgrundlage  

Die genannten Ausgaben werden lediglich auf entsprechende gesetzliche Ermächtigungen im Bundeshaushalt gestützt. Eine Grundlage im materiellen Recht fehlt dagegen, was ein Unding ist. Denn damit werden die öffentlichen Aufgaben, die ein ehemaliger Bundeskanzler hat, nicht gesetzlich definiert und können folglich auch die Mittel nicht festgelegt werden, die notwendig sind, um diese öffentlichen Aufgaben wahrzunehmen. Stattdessen bleibt es im Vagen, wofür die öffentliche Hand eigentlich Geld ausgibt und es ist sogar nur schwer nachzuvollziehen, wie hoch die Ausgaben überhaupt sind.

Eine gesetzliche Regelung zur Amtsausstattung ehemaliger Bundeskanzler tut also Not. Diese muss transparent machen, welche Aufgaben ehemalige Bundeskanzler nach dem Ende ihrer Amtszeit wahrnehmen und welche Mittel sie erhalten, um diese fortwirkenden Amtsaufgaben zu erfüllen.

Um ein Bild zu gewinnen, welcher Art solche Aufgaben sein können, ist ein Blick in den Gesetzentwurf hilfreich, den die damalige Bundestagsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen zu diesen Fragen bereits vor drei Jahren gemacht hat. In Artikel 2 § 12a Abs. 2 des Entwurfs werden zwei Gruppen von Aufgaben unterschieden: Zum einen die weitergeführten Aufgaben, die bereits während der Amtszeit übernommen wurden, wie Schirmherrschaften, Preisverleihungen oder auch die Beantwortung von Bürgeranfragen. Daneben führt der Entwurf aber auch repräsentative Tätigkeiten an, die ehemalige Kanzler im Auftrag der Bundesregierung erst beginnen, nachdem die Amtszeit bereits beendet ist.

Warum braucht ein Altkanzler lebenslang ein Büro und fünf Mitarbeiter?

Üblicherweise nehmen die weitergeführten Aufgaben mit der Zeit ab und laufen irgendwann ganz aus. Sinnvollerweise entspricht dem auch die Amtsausstattung, die nach einem gewissen Zeitraum enden sollte, wie dies der genannte Gesetzentwurf der Grünen auch vorsieht. Nimmt ein ehemaliger Kanzler auch danach fortwirkende Amtsaufgaben wahr, könnte die Amtsausstattung für einen verlängerten Zeitraum gewährt werden.

Aber was ist mit Gerhard Schröder? Die Mittel für seine Ausstattung könnten wohl im nächsten Haushalt schlicht gestrichen werden. Eine befriedigende und dauerhafte Lösung wäre das aber nicht. Es würde weiter an einer inhaltlichen Bestimmung dessen fehlen, für welche Aufgaben ein ehemaliger Kanzler eine Amtsausstattung benötigt und es gäbe weiterhin keine Maßstäbe dafür, welches Verhalten angemessen oder inakzeptabel ist.

Ein Teil der Antwort auf diese Fragen liegt darin, dass die Amtsausstattung nur zeitlich begrenzt zur Verfügung gestellt werden sollte. Die Gesetzentwürfe der Grünen und der AfD sehen hierfür Fristen von fünf oder vier Jahren vor. Knapp 17 Jahre nach Ende der Amtszeit von Gerhard Schröder wäre die zeitliche Grenze jedenfalls längst überschritten; das Problem weiterer Zahlungen für Schröders Ausstattung würde sich also nicht mehr stellen.

Streichung der Mittel bei fehlender Staatstreue?

Unabhängig vom Aspekt des Zeitablaufs, könnte zudem gesetzlich geregelt werden, dass die Ausstattung entfällt, falls ein ehemaliger Bundeskanzler gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland handelt. Seit 2015 ist bereits gesetzlich geregelt, dass die Bundesregierung ihren Mitgliedern nach dem Ausscheiden aus dem Amt die Aufnahme einer neuen Beschäftigung untersagen kann, falls diese neue Beschäftigung nämlich „das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Bundesregierung beeinträchtigen kann“ (§ 6b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Bundesministergesetz (BMinG)). Somit gibt es seitdem eine gesetzliche Möglichkeit, einer unerwünschten Lobbyistentätigkeit ehemaliger Kanzler entgegenzuwirken. Allerdings gilt diese Möglichkeit der Untersagung nur für bis zu 18 Monate nach Ausscheiden aus dem Amt.  

Eine ähnliche Vorschrift wie in § 6b BMinG könnte abgewandelt in eine zukünftige Regelung über die Amtsausstattung ehemaliger Bundeskanzler einfließen. Beeinträchtigt das Verhalten eines Altkanzlers die Interessen der Deutschlands oder das Ansehen der Bundesregierung in erheblicher Weise, so könnte sich danach die Regierung von ihrem Ex-Chef distanzieren, indem sie ihm vorzeitig die Mittel streicht. Ob man eine solche Regelung mit einem sehr engen Anwendungsbereich auch für notwendig hält, steht auf einem anderen Blatt.

Jedenfalls wird es Zeit, die Ausstattung ehemaliger Kanzler gesetzlich zu regeln. Für die ehemaligen Bundespräsidenten dürfte sinngemäß dasselbe gelten.

Zitiervorschlag

Über 400.000 Euro Staatsausgaben für Gerhard Schröder: Wozu braucht ein Ex-Kanzler lebenslang fünf Mitarbeiter? . In: Legal Tribune Online, 11.05.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48411/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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