Juristinnen in Deutschland

Schon mal ganz oben ange­kommen

von Anna K. BernzenLesedauer: 4 Minuten
Justizministerin, Verfassungsrichterin, Generalbundesanwältin: In den wichtigsten Positionen deutscher Juristen repräsentieren Frauen heute ihren Berufsstand. In Großkanzleien, in Unternehmen oder dem öffentlichen Dienst sieht es oft noch anders aus. Über Stolperfallen der weiblichen Karriereleiter und die Gründe, weshalb viele Frauen früher nicht oben ankamen.

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Was Jutta Wagner auf der Geburtstagsfeier einer älteren Kollegin hörte, klingt aus heutiger Sicht fast schon lustig: Die Gastgeberin, heute über 80 Jahre alt, hatte ihren Mann schon während des Jurastudiums kennengelernt. Doch erst fast 20 Jahre nach dem ersten Rendezvous, mit Ende 30, heirateten die beiden. Der Grund für das späte Liebesglück: Die Frau war als Anwältin tätig, liebte ihren Beruf und hatte Angst, dass ihr Mann ihn ihr nach der Hochzeit verbieten würde. Nach Paragraph 1356 des Bürgerlichen Gesetzbuches war das bis ins Jahr 1958 möglich. Der Ehemann, so das Gesetz, hatte in allen Dingen das "Letztentscheidungsrecht".

Auch wenn heute gut 30 Prozent aller Anwälte Anwältinnen sind: Bei ihrer Arbeit als Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes (djb) erlebt Jutta Wagner immer noch Momente dieser Art. "Mit der Arbeitsmarktlage für Juristinnen bin ich zwar zufrieden, nicht aber mit den Entwicklungsmöglichkeiten", sagt die Berliner Anwältin und Notarin. Sie hat festgestellt: Obwohl die weiblichen Absolventen ihre männlichen Jura-Kollegen nicht nur zahlenmäßig eingeholt haben, sondern auch ebenso gute Examina schreiben, ist der Aufstieg in Kanzleien und Unternehmen immer noch mit größeren Hürden verbunden.

Geld, Prestige: Für viele Juristinnen weniger wichtig

Woran das liegt, versuchte eine Studie des Instituts für Freie Berufe Nürnberg unter Rechtsanwältinnen aus Ost- und Westdeutschland zu ergründen. Die Autoren fanden heraus, dass die beliebtesten Rechtsgebiete der Juristinnen weiterhin das Arbeits- und Familienrecht sind. Besonders letzteres könnte jedoch problematisch sein, glaubt auch Jutta Wagner: "Frauen haben eine gefährliche Neigung, sich auf Gebiete zu spezialisieren, die wenig Ansehen genießen und nicht sehr lukrativ sind."

Selten finden die Juristinnen mit ihrem Fachgebiet eine Anstellung in einer großen Kanzlei, auch das stellte die Studie heraus: Rund die Hälfte arbeitete in einer Einzelkanzlei oder Bürogemeinschaft. "Gerade in überregionalen, großen Kanzleien herrscht ein regelrechter Anwesenheitsfetischismus mit langen Arbeitszeiten", so begründet Jutta Wagner dies. Teilzeitmodelle oder Home Office-Möglichkeiten, wie sie sich viele Frauen wünschten, sind hier seltener vertreten.

Die Großkanzlei als Sprungbrett für die Karriere

Für Katja Griese war die Zeit in der Großkanzlei jedoch ein Sprungbrett in ihren jetzigen Job. Die Anwältin arbeitet heute in einer mittelständischen Münchener Sozietät, schwerpunktmäßig im Bereich des Gewerblichen Rechtsschutzes und des Gesellschaftsrechts. "Die Arbeitszeiten in den großen Kanzleien sind zwar heftig, man bekommt aber einen Einblick in viele verschiedene Rechtsgebiete", sagt sie. Als sie vor gut zehn Jahren bei ihrer jetzigen Kanzlei begann, waren nur gut 10 Prozent der Partner Frauen. Heute ist es ein Drittel. Katja Griese ist seit 2005 eine von ihnen. Doch sie hat beobachtet: "Viele Frauen entscheiden sich kurz vor der Partnerschaft gegen den Beruf und für ein Kind." Damit stellen sie ihrer Karriere oft ein Bein, denn: "Man muss Einsatz zeigen und das geht von zuhause aus so nicht." Problematisch, so hat es auch die Studie herausgefunden, ist aber nicht nur die Vereinbarkeit des Berufs mit der Familie. Auch die Erwartungshaltung von Kollegen und Mandanten spielt oft eine Rolle: Fast drei Viertel der befragten Anwältinnen hatten es bereits erlebt, dass Klienten einen männlichen Rechtsvertreter bevorzugten. "Gerade bei jüngeren Juristinnen überlegen sich die Arbeitgeber daher meist genau, wie sie die Frau 'verkaufen'. Bei jungen Männern haben viele weniger Bauchschmerzen", so Jutta Wagner.

Freche Kommentare über das "Frauengericht"

Maren Sütterlin-Müsse kennt diese Erwartungshaltung aus der Praxis am Amtsgericht Köln. Dort arbeitet sie als Richterin für Jugendstrafsachen und als stellvertretende Pressesprecherin. Als sie für einen betreuungsrechtlichen Fall einmal eine ältere Frau besuchte, wollte die ihr zuerst gar nicht glauben, dass sie die zuständige Richterin war. Auch männliche Angeklagte hätten manchmal Probleme mit den weiblichen Richtern: "Wenn neben der Richterin und der Protokollführerin auch noch eine Staatsanwältin auf den Angeklagten warten, heißt es manchmal: Das ist doch ein Frauengericht, hier habe ich keine Chance", berichtet sie. Zwei Ratschläge hat Jutta Wagner daher für junge Juristinnen: "Frauen dürfen nicht in die Kinderfalle tappen", sagt sie. Wer Kinder kriege, solle dafür nicht sofort seine ganze Karriere opfern. Ein paar Jahre in teilweise sehr teure Kinderbetreuung zu investieren, zahlt sich in 30 bis 40 Karrierejahren danach aus. Und: "Frauen sollten sich coachen lassen." Auch sie kennt die kommerziellen Coachingangebote, rät jedoch zum privaten Gegenstück: Schon mit drei, vier befreundeten Juristinnen regelmäßig zusammenzukommen, kann helfen. "Man tauscht sich zu problematischen Situationen aus und überlegt, wie man sie besser bewältigen kann." Mehr auf LTO.de: Special Anwaltstag: Frauen in Anwaltskanzleien: Nicht nur bunter, nicht nur schöner Frauen in Führungsetagen: Die Quote ist nicht für Latte-Macchiato-Mütter OLG Braunschweig: Mehr Frauen als Männer im richterlichen Spitzenamt

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Thema:

Justiz

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