BGH-Urteil gegen Karlheinz Schreiber: Wie man einen Amts­träger besticht, der keiner ist

von Mustafa Oglakcioglu

14.09.2011

Der ehemalige Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber muss sich erneut vor dem LG Augsburg verantworten, der Vorwurf der Bestechung eines Staatssekretärs ist doch noch nicht vom Tisch. Vielleicht denkt der BGH um, was die Verjährung von Bestechungsdelikten angeht. Der Makel der Korruption kann noch sehr lange an den Beteiligten haften bleiben, erklärt Mustafa Oglakcioglu.

Karlheinz Schreiber hatte zu Beginn der neunziger Jahre dem Staatssekretär Pfahl, mit dem ihn damals wohl gar etwas wie eine Freundschaft verband, über einen längeren Zeitraum Gelder in mindestens sechsstelliger Höhe gewährt. Es ging um Rüstungsdeals, Panzerlieferungen und geparkte Gelder auf Schweizer Konten.

Die meisten der Zahlungen leistete der damalige Rüstungslobbyist zu einem Zeitpunkt, zu dem Pfahl noch im Amt war. Der Staatssekretär, der selbst bereits verurteilt worden ist, war also damals zweifelsohne ein Amtsträger – die Voraussetzung einer Verurteilung Schreibers wegen Bestechung nach den Vorschriften der §§ 331 bis 334 Strafgesetzbuch (StGB).

Das Landgericht (LG) Augsburg, das erstinstanzlich über die Strafbarkeit des Waffenlobbyisten wegen Steuerhinterziehung und Bestechung zu entscheiden hatte, stellte das Verfahren bezüglich der Korruptionsvorwürfe aber ein, da insoweit Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Das Argument der Augsburger Richter: Die Tat sei am 28. April 1992 mit der Zahlung des letzten Bestechungslohns beendet gewesen.

Die Staatsanwaltschaft wollte das nicht hinnehmen. Vor dem Bundesgerichtshof (BGH) hatten die Ankläger nun Erfolg: Der BGH hob das landgerichtliche Urteil betreffend die teilweise Einstellung auf, weil die Feststellungen der Augsburger Richter nicht den Anforderungen genügten, die an ein Einstellungsurteil zu stellen seien, so der 1. Strafsenat in seiner Entscheidung vom vergangenen Dienstag (Urt. v. 06.09.2011, Az. 1 StR 633/10).

Eine Verjährung liegt bei so lange zurückliegenden Korruptionsvorwürfen nahe. Die Verjährungsfrist, die bei Bestechungsdelikten 5 Jahre beträgt, beginnt grundsätzlich mit dem letzten Zahlungsvorgang. Zum Zeitpunkt dieses letzten Geldflusses aber waltete der bestochene Staatssekretär seines Amtes schon gar nicht mehr, weil er zuvor aus diesem ausgeschieden war. Für die Karlsruher Richter aber ändert das nichts: Sie stellten ausdrücklich fest, dass dieser Umstand für die Beurteilung der Verjährungsfrist nicht relevant sei.

Eindeutige Gesetze für korrumpierte Geschäfte

Eine bemerkenswerte Feststellung im System der Bewertung der Korruptionsdelikte. Deren Systematik ist relativ eingängig. Während es sich auf Seiten des Vorteilsempfängers um einen Amtsträger handeln muss (dieser Begriff ist in § 11 StGB legaldefiniert und für "Staatssekretäre" unproblematisch zu bejahen), kann auf Seiten des Vorteilsgebers jede natürliche Person stehen.

Strafbar machen sich bei dem, was man landläufig Korruption nennt, beide Seiten: Die Vorschriften der §§ 331 bis 334 StGB sind "spiegelbildlich" ausgestaltet. Was auf der einen Seite als "Annehmen" eines Vorteils vom Straftatbestand erfasst wird, ist auf der anderen Seite als dessen "Gewähren" ausgestaltet.

Chronologisch sortiert zählt das Gesetz Tathandlungen auf, die man typischerweise während der Entstehung des korrumpierten Geschäfts durchläuft. Beginnend beim "Anbieten" über das "Versprechen" bis hin zum schlussendlichen Vollzug der Korruption, nämlich dem "Gewähren" des Vorteils stellt das StGB typische Handlungen unter Strafe.

Wann beginnt die Verjährung von Korruption?

Für die Frage der Verjährungsfrist aber bietet ebendieses einfach anmutende System viel Streitpotenzial. Auf welchen tatsächlichen und rechtlichen Handlungskomplex soll deren Beginn sich beziehen? Knüpft man erst an die Annahme bzw. das Gewähren des Geldes als eigenständige Tathandlung an oder ist der tatsächliche Fluss des Geldes nicht nur der "Vollzug" des vorangegangenen Versprechens des Bestechenden?

Kommt es auf die tatsächliche Zahlung an, beginnt die Verjährung erst später. So weit, so logisch. Dann müsste man aber die einzelnen Tathandlungen, wie im Gesetz aufgezählt, für sich betrachten und der Bestochene müsste dementsprechend dann auch bei jeder Tathandlung Amtsträger sein. Wird dagegen das gesamte Tatgeschehen zu einer Handlungs- beziehungsweise Bewertungseinheit verklammert, muss auf einer weiteren Stufe entschieden werden, wann die Verjährungsfrist innerhalb der verklammerten Tat beginnt.

Dabei gibt es noch eine weitere Hürde: Der Gesetzgeber stellt für den Beginn der Verjährung nicht auf die Vollendung der Tat ab, sondern erklärt in § 78a StGB deren Beendigung für maßgeblich - den Zeitpunkt also, zu dem der Täter sich die Vorteile aus seiner Tat, beispielsweise beim Diebstahl seine Beute gesichert hat. Wendet man das auf den Tatbestand der Bestechung mit seinen mehreren Tathandlungen an, die typischerweise chronologisch aufeinander folgen, verkümmert die grundsätzlich eigenständige Tathandlung der Annahme von Bestechungsgeldern zu einer bloßen Beendigungshandlung. 

Letzte Zahlung oder Amtsträgereigenschaft - worauf kommt es an?

Ein Amtsträger ist dann schon tatbestandlich bestechlich, wenn er mit dem Vorteilsgeber die Vereinbarung getroffen hat, die Zahlung anzunehmen. In diesem Zeitpunkt wäre der Tatbestand vollendet, die danach folgende Annahme des Geldes ist nur noch die Beendigung, also für den Tatbestand nicht mehr relevant.

Davon muss der 1. Strafsenat ausgegangen sein, als er in der Revisionsentscheidung in Sachen Karlheinz Schreiber darauf hinwies, dass es für die Verjährung keine Rolle spielt, ob Ex-Staatssekretär Pfahl noch im Amt war, als er die letzte Zahlung des Waffenlobbyisten annahm. Die Annahme des Geldes wird nicht mehr als tatbestandlich, sondern allenfalls für die Verjährungsfrist relevante Beendigungshandlung angesehen, bei der es tatsächlich gleichgültig ist, ob der hohe Beamte bereits aus dem Dienst ausgeschieden war.

Das ist bemerkenswert, weil die Rechtsprechung bisher zur entgegengesetzten Auffassung tendierte: Unabhängig davon, wie man das Verhältnis der einzelnen Tathandlungen zueinander bewertet, entsprach es der wohl herrschenden Auffassung, dass die Tat spätestens mit dem Ausscheiden des Täters aus dem Amt nicht nur vollendet, sondern auch beendet ist (so noch RGSt 44, 421). Die Gerichte argumentierten, dass für die Beendigung der Tat, die den Lauf der Verjährung in Gang setzt, entscheidend sei, dass die Beziehung abgebrochen wird, aus der sich die Strafwürdigkeit ergibt. Die Strafwürdigkeit der Bestechung eines Amtsträgers aber ergibt sich aus seiner Stellung als ebensolcher.

Das Landgericht Augsburg hat diese komplexe Problematik in seinen Urteilsgründen nur unzureichend aufgegriffen und stellte die Vorwürfe offenbar allzu pauschal wegen angeblicher Verjährung ein. Die Veröffentlichung der Entscheidungsgründe des 1. Strafsenats bleibt mit Spannung abzuwarten - das Urteil könnte Verjährungsfragen des Wirtschaftsstrafrechts nachhaltig verändern. 

Der Autor Mustafa Temmuz Oğlakcıoğlu ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie von Prof. Kudlich (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen/ Nürnberg).

 

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Zitiervorschlag

Mustafa Oglakcioglu, BGH-Urteil gegen Karlheinz Schreiber: Wie man einen Amtsträger besticht, der keiner ist . In: Legal Tribune Online, 14.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4283/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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