Die juristische Presseschau vom 2. September 2011: Bestä­tigte Meister - strei­kende Lehrer - stö­rende Tauben

02.09.2011

Der deutsche Sonderweg bleibt erhalten. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Meisterzwang für viele Handwerker grundsätzlich bestätigt. Das wird jetzt von mehreren Medien analysiert. Außerdem in der Presseschau: Urteile zugunsten streikender Lehrer und zuungunsten massenhaft auftretender Tauben sowie vieles andere.

Meisterzwang: Prof. Winfried Kluth analysiert auf lto.de das am Mittwoch ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Handwerksrecht. Soweit noch ein Meisterzwang bestehe, sei dieser verfassungskonform. Die Verhältnismäßigkeit der Regelung sei gewahrt, weil es Ausnahmeregelungen gibt. Bei ausreichender Berufspraxis könne auch ein Geselle einen Betrieb eröffnen. Außerdem sei in der Handwerksnovelle 2004 eine gewisse Zahl von Gewerben vom Meisterzwang befreit worden. Ergänzend beschreibt Kluth, wie das deutsche Handwerksrecht EU-konform ausgestaltet wurde. Von niederlassungswilligen ausländischen Handwerken werde kein Meisterbrief verlangt, sondern nur eine Qualifikation, die dem nahekommt.

In einem Kommentar lobt Tanjev Schulz (SZ) das Urteil: "Wenn lauter junge Gesellen, ohne meisterliche Hilfe, Betriebe gründen würden, gäbe es am Ende viele unnötige Pleiten und noch mehr vergrätzte und geschädigte Kunden."

Weitere Themen – Rechtspolitik

Alkohol: Die FAZ (Frank Pergande) beschäftigt sich mit dem beschlossenen Alkoholverbot im Hamburger Nahverkehr. Hamburg sei die "erste größere Stadt, die ein solches Verbot ernsthaft durchsetzen will". Anders als zum Beispiel in München soll es in Hamburg Bußgelder (in Höhe von 40 Euro) geben. Das Verbot solle das Sicherheitsgefühl verbessern sowie Müll und üble Gerüche vermeiden.

In einem Kommentar begrüßt Georg Paul Hefty (FAZ) das Verbot: "Nach der Verhängung des Rauchverbots ist die Entscheidung für ein Alkoholverbot geradezu zwingend" Alkohol sei das "größere Übel". Dagegen kritisiert Silke Janovsky (FR) das Verbot und fragt: "Wie viele Verbote verträgt eine Stadt?" Besser wären Appelle an gegenseitige Rücksichtnahme.

Euro-Rettung: Der Bonner Staatsrechtler Matthias Herdegen stellt im Handelsblatt verfassungsrechtliche Forderungen an das Gesetz über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) auf: "Jede Übernahme von Zahlungspflichten oder von Garantien muss neu vom Bundestag abgesegnet werden." Das Gesetz selbst müsse im Bundestag mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden, denn hier würden übertragene Hoheitsrechte elementar modifiziert.

Weitere Themen – Justiz

Streikende Lehrer: Die Urteile über die Zulässigkeit von Lehrerstreiks nehmen zu. Jetzt hielt das Verwaltungsgericht Kassel einen Pädagogen-Ausstand 2009 für zulässig. Das berichtet spiegel.de. Lehrer hätten keine hoheitlichen Aufgaben.

Störende Tauben: Wie der Verwaltungsgerichtshof Kassel entschied, können Tauben als Schädlinge betrachtet werden, wenn sie in Schwärmen auftreten, so spiegel.de (Henrik Ternieden). Ob eine Taubenplage vorliegt, müsse das jeweilige Veterinäramt entscheiden, das auch für die Genehmigung von Taubentötungen zuständig sei.

Ein-Euro-Jobs: Prof. Jens Löcher analysiert für lto.de ein Urteil des Bundessozialgerichts, das vor rund einer Woche verkündet worden war. Arbeitslose, denen ein Ein-Euro-Job zugewiesen wird, können den vollen Tariflohn einklagen, wenn der Job "nicht zusätzlich" ist und die Leistung ohne Rechtsgrund erfolgte. Ein Zuweisungsbescheid des Job-Centers könnte ein solcher Rechtsgrund sein, aber nur wenn "Art, Umfang und Bedingung der zu verrichtenden Tätigkeit" hinreichend bestimmt sind und die Auswahl der Tätigkeit nicht der Arbeitsstelle überlassen bleibt.

Kunstfälscher: Am Landgericht Köln begann gestern der Strafprozess gegen den Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi und drei MittäterInnen wegen gewerbs- und bandenmäßigem schwerem Betrug und Urkundenfälschung. Die SZ (Renate Meinhof) berichtet ausführlich über den ersten Prozesstag und die Vorgeschichte. Der Prozess ist auf 40 Tage angesetzt.

Honig und Gentechnik: Am kommenden Dienstag wird der Europäische Gerichtshof über eine Vorlage des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entscheiden. Es geht um die Frage, ob Honig, der Spuren genveränderter Pollen aufweist, selbst als genverändertes Lebensmittel zu bewerten sei. Die SZ (Daniela Kuhr) beschreibt die Vorgeschichte und mögliche Folgen des Verfahrens.

Opfer von Kunduz: Demnächst will der Bremer Rechtsanwalt Karim Popal in Deutschland Schadensersatz für die Opfer eines von der Bundeswehr angeordneten Bombardements zweier entführter Tanklaster bei Kunduz 2009 einklagen. Das berichtet die taz (Ulrike Winkelmann). Es gehe um eine zivilrechtliche Amtshaftungsklage. In einem Kommentar schätzt Christian Rath (taz) die Klage als "nicht aussichtslos" ein, es komme aber auf viele Details an.

Sachsen-LB: Die FTD (Rolf Lebert/Meike Schreiber) stellt den Stand der juristischen Aufarbeitung des finanziellen Debakels der Landesbank Sachsen dar. Im Juni sei gegen einige Manager Anklage wegen Beihilfe zur Untreue erhoben worden, sie sollen Bilanzen frisiert haben, gegen einige Spitzenmanager werde noch ermittelt. Im Dezember habe der Freistaat gegen acht Ex-Vorstände zivilrechtliche Schadensersatzklagen eingereicht. Mit den ebenfalls verklagten Wirtschaftsprüfen von PricewaterhouseCoopers einigte sich Sachsen auf einen Vergleich.

Anlegerklagen: Die FTD (Lisa Hegemann) macht darauf aufmerksam, dass zum Jahresende die absolute Verjährung für Anlegerklagen eintritt, die eine Falschberatung in den 1990er-Jahren betreffen. 2002 sei die absolute Verjährung für solche Klagen von dreißig auf zehn Jahre verkürzt worden, deshalb habe die Zehn-Jahres-Frist im Januar 2002 zu laufen begonnnen. Klagen seien aber nur noch möglich, falls noch nicht die regelmäßige Verjährung (drei Jahre ab Kenntnis der Falschberatung) eingetreten ist.

BVerfG und Exekutive: verfassungsblog.de (Max Steinbeis) berichtet von einem Kongressvortrag des Rechtssoziologen Thomas Gawron. Er habe festgestellt, dass sich das Bundesverfassungsgericht nur selten mit Verwaltungsakten beschäftigt. Steinbeis nimmt dies zum Anlass, zu überlegen, ob das Verwaltungshandeln heute überhaupt noch gesetzgeberisch gesteuert werden könne. Die politische Verantwortlichkeit vor einer wachen Öffentlichkeit sei ohnehin viel wichtiger.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/chr

(Hinweis für Journalisten) 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 2. September 2011: Bestätigte Meister - streikende Lehrer - störende Tauben . In: Legal Tribune Online, 02.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4189/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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