Sicherheitsdienste gegen somalische Piraten: Wet­trüsten als frag­wür­dige Stra­tegie

von Tim René Salomon

22.08.2011

Schwerbewaffnete Wachleute auf Schiffen unter deutscher Flagge - ein Szenario, das Reeder, Kapitäne und Politiker noch letztes Jahr weit ins Reich der Legenden verwiesen hätten. Tatsächlich dauert der Kampf gegen Piraten an. Dabei erscheint die Kursänderung der Regierung, den Einsatz von Sicherheitsleuten rechtlich zu vereinfachen, eher hilflos, meint Tim René Salomon.

Die längst totgesagte Piraterie hält in den letzten Jahren die internationale Handelsschifffahrt in Atem. Konnten Reeder bei früheren Formen der modernen Seeräuberei einfache Gegenmaßnahmen ergreifen, zum Beispiel indem sie dem Kapitän Schutzgeld mitgaben, so gestaltet sich die Abwehr somalischer Piraten schwieriger.

Derzeit befinden sich nach konservativen Schätzungen etwa 600 Geiseln in der Gewalt der Piraten in Somalia. Lösegeldverhandlungen dauern aufgrund stetig steigender Forderungen immer länger, so dass Seefahrer regelmäßig vier Monate in der Gewalt ihrer Entführer sind. Zudem greifen die Piraten mittlerweile zu brutalen Methoden, um Druck auf Reeder auszuüben: Neben Scheinhinrichtungen und schwersten Misshandlungen werden Geiseln bei Angriffen auf Handelsschiffe als menschliche Schutzschilde benutzt.

Vollständiger Schutz vor somalischen Piraten ist schwer vorstellbar. Unverbindliche Empfehlungen an Reeder und Kapitäne, etwa mit voller Geschwindigkeit zu fahren, sich bei Marinetruppen vorab anzumelden oder das Schiff anderweitig zu sichern, sind ein wichtiger Bestandteil der Abwehrstrategie, bieten aber nicht immer ausreichenden Schutz. Der Einsatz von Marineeinheiten konnte immerhin dazu beitragen, dass die Schiffe des World Food Programmes gänzlich vor erfolgreichen Angriffen verschont blieben. Da Piraten allerdings in letzter Zeit vermehrt entführte Schiffe als Operationsplattform einsetzen, welche kleinere Angriffsboote, so genannte Skiffs, transportieren, finden Angriffe faktisch im gesamten Indischen Ozean statt. Eine Kontrolle dieser Gefahrenzone, die etwa elf Mal so groß wie Deutschland ist, kann von Marineeinheiten schlicht nicht geleistet werden.

Sicherheitsdienste  unterliegen den Beschränkungen des Waffenrechts

Aufgrund dieser Probleme wurden in den letzten Jahren private Sicherheitsdienste auf Handelsschiffen eingesetzt. Jeder Staat kann über die Zulässigkeit von Sicherheitsdiensten und die Einsatzmodalitäten auf Schiffen unter seiner Flagge entscheiden. Für Schiffe, die unter deutscher Flagge fahren, gilt also das deutsche Recht, welches den Einsatz solcher Dienstleister grundsätzlich ermöglicht. Das oft erwähnte Gewaltmonopol des Staats jedenfalls verbietet Sicherheitsleute auf Schiffen grundsätzlich ebenso wenig, wie deren Einsatz auf dem Festland.

Auf einfachgesetzlicher Ebene regelt die Gewerbeordnung (GewO) in § 34a die Erlaubnispflicht des gewerblichen Bewachens von Leben oder Eigentum fremder Personen. Die Voraussetzungen einer solchen Erlaubnis sind vergleichsweise niedrig,  da die Norm vor allem für das Sicherheitsgewerbe an Land, wie Türsteher, Detektive oder Geldtransporteure, konzipiert ist. Aber auch der Schutz von Handelsschiffen fällt unter den Wortlaut des Gesetzes und ist somit durch zugelassene Sicherheitsunternehmen mit "zuverlässigem" Personal erlaubt.

Dass die Ampel für den Einsatz von Sicherheitsleuten von Rot auf Gelb gestellt werden solle, wie der maritime Koordinator der Bundesregierung Hans-Joachim Otto meint, ist also falsch. Vielmehr steht sie bereits auf Gelb, um die Lichtzeichensymbolik weiter zu bemühen. Auf Grün steht sie allein deshalb nicht, weil das geltende Waffenrecht auch Sicherheitsdiensten lediglich die Nutzung von "erlaubnisfähigen" Waffen erlaubt. Automatische Waffen und solche, die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen, gehören nicht dazu. Private Wächter auf Schiffen unter deutscher Flagge, die bereits eingesetzt werden, können den Piraten daher höchstens mit halbautomatischem Kampfgerät begegnen.

Allein den Beschränkungen nach dem deutschen Waffengesetz und keinem generellen Verbot von Sicherheitsdiensten ist es also geschuldet, dass Reeder ihre Schiffe nunmehr vermehrt zum Beispiel unter der liberianischen Flagge durch das Gefahrengebiet fahren lassen, da Liberia auch automatische Waffen zulässt. Teils werden Schiffe nur für die Durchfahrt durch Risikogebiete ausgeflaggt und dies auch, weil hier die Expertise, die manches Flaggenregister im Umgang mit Sicherheitsdiensten gesammelt hat, für Reeder besonders wertvoll ist. Die Ausflaggungen sind also oft keine grundsätzliche Entscheidung gegen die deutsche Flagge.

Zivile Wachleute bislang erfolgreich - doch droht erhebliche Eskalation

Auf See tätige private Sicherheitsdienste können eine bis dato lupenreine Erfolgsbilanz vorweisen: Kein Handelsschiff unter ihrem Schutz wurde bislang entführt. Vielmehr drehten die Angreifer zumeist ab, nachdem Warnschüsse fielen. Den Seeräubern bieten sich allerdings bislang noch genügend leichte Alternativziele ohne bewaffneten Schutz. Ob die Piraten weiterhin so schnell den Angriff aufgeben, wenn mehr Handelsschiffe mit bewaffneter Begleitung vor Somalia fahren, bleibt offen.

Eine neue und nunmehr regelmäßig anzutreffende Taktik der modernen Seeräuber spricht dagegen: Ein russisches Handelsschiff unter bewaffnetem Schutz wurde mit einer Vielzahl von Skiffs angegriffen. In diesem Fall drehten die Angreifer erst nach einem einstündigen Schusswechsel ab und zeigten damit, dass sie durchaus gewillt sind zu kämpfen. Angriffe mit vielen Skiffs können das Wachpersonal schnell überfordern, zumal meist lediglich drei private Schutzleute auf den Schiffen mitfahren. Versuchen Piraten derart geschützte Schiffe zu entführen, so werden sie sich auf bewaffnete Gegenwehr an Bord einstellen. In diesen Fällen besteht die Gefahr, dass Entführungen deutlich blutiger enden als bisher. Dies ist einer der Gründe, warum europäische Marineverbände vor privaten Sicherheitsdiensten warnen.

Darüber hinaus trägt der Kapitän nach internationalem Recht die volle Verantwortung für sein Schiff und die Besatzung. Dies gilt auch für die strafrechtlichen Konsequenzen, und somit steht vor allem er in der Schusslinie, wenn sich Hafen- oder Küstenstaaten zur Strafverfolgung  wegen illegalem Waffenbesitz oder Schießereien in ihren Hoheitsgewässern entschließen.

Der Einsatz privater Wachen hat rechtlich wie auch praktisch erhebliche Nebenwirkungen. Ob die Bundesregierung tatsächlich Rechtsänderungen vornehmen wird, bleibt abzuwarten.  Man könnte ihr hinsichtlich dieses Vorstoßes vorwerfen, dass die Klarstellung der verfassungsrechtlichen Grenzen des Einsatzes deutscher Streitkräfte im Ausland sicherheitspolitisch erheblich wichtiger wäre, als eine Liberalisierung des Waffenrechts. Piraten könnten darüber hinaus erfolgreicher bekämpft werden, wenn politische Anstrengungen auf die Entwicklungszusammenarbeit mit Somalia, dem Ursprungsland der Piraten, die Verfolgung der Lösegeldströme und die Lösung des Strafverfolgungsdilemmas fokussiert würden. Der Einsatz von Sicherheitsdiensten ist hingegen mit Vorsicht zu genießen.

Fest steht jedenfalls: Lockert man das Waffengesetz für maritime Sicherheitsdienste, so muss dies mit einem deutlichen Mehr an Präventivkontrolle der Dienste und Qualitätsanforderungen an das Personal einhergehen. Dies ist nach der derzeit geltenden GewO nur unzureichend der Fall. Die Bundesregierung will mit ihrem Vorstoß sicherstellen, dass die Nutzung der deutschen Flagge nicht zu Nachteilen der Reeder führt, die private Beschützer anstellen wollen. Hohe Qualitätsanforderungen an das bewaffnete Personal erweisen sich in der Praxis eventuell als hinderlich, sind aber jedenfalls keine solchen Nachteile,  dienen sie doch vor allem dem Schutz der Schiffsbesatzung und müssen deswegen oberste Priorität haben.

Tim René Salomon ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Allgemeine Staatslehre, Völker- und Europarecht der Bucerius Law School, Hamburg, und Associate der International Max Planck Research School for Maritime Affairs, Hamburg. Er ist Mitarbeiter des Projekts "Piraterie und maritimer Terrorismus als Herausforderung für die Seehandelssicherheit: Indikatoren, Perzeptionen und Handlungsoptionen" und promoviert zum Thema Piraterie und Strafverfolgung.

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Zitiervorschlag

Tim René Salomon, Sicherheitsdienste gegen somalische Piraten: Wettrüsten als fragwürdige Strategie . In: Legal Tribune Online, 22.08.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4076/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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