Falle Steuerflucht: Ich bin doch nicht weg

Dr. Ulrich Ränsch

30.05.2011

Immer wieder geraten Steuerflüchtlinge auch nach ihrer Auswanderung in Konflikt mit dem Fiskus. Denn auch bei der Verlagerung des Wohnsitzes birgt das deutsche Steuerrecht zahlreiche Fallstricke. Dr. Ulrich Ränsch über die Voraussetzungen für eine Steuerpflicht in Deutschland und die Kontrollmaßnahmen des Finanzamts.

Das deutsche Steuerrecht unterscheidet zunächst zwischen der unbeschränkten und der beschränkten Steuerpflicht. Unbeschränkt steuerpflichtig ist, wer seinen "Wohnsitz" oder seinen "gewöhnlichen Aufenthalt" in Deutschland hat. Auf die Staatsangehörigkeit kommt es nicht an. Ist jemand in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, so wird im Grundsatz sein gesamtes Welteinkommen, ganz gleich, wo es erzielt wird, in Deutschland besteuert. Ist jemand aber nur beschränkt in Deutschland steuerpflichtig, hat er also hier weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt, so sind nur noch bestimmte Einkünfte aus deutschen Quellen in Deutschland steuerpflichtig. Und die lassen sich vermeiden oder ins Ausland verlagern. Soweit die Theorie.

Anknüpfungspunkt: "Gewöhnlicher Aufenthalt"

Ein "gewöhnlicher Aufenthalt" erfordert keinen Wohnsitz, sondern nur, dass sich jemand tatsächlich in Deutschland aufhält, zum Beispiel in wechselnden Hotels. Dauert der Aufenthalt länger als 6 Monate, wird ein "gewöhnlicher Aufenthalt" stets angenommen, und zwar selbst dann, wenn er kurzzeitig unterbrochen wird, zum Beispiel durch Auslandsreisen. Die Fälle, in denen der Fiskus die unbeschränkte Steuerpflicht aufgrund eines "gewöhnlichen Aufenthalts" zu begründen versucht, sind allerdings eher selten.

Anknüpfungspunkt: "Wohnsitz"

Viel häufiger sind Streitigkeiten mit dem Fiskus darüber, ob der Steuerzahler einen "Wohnsitz" im steuerlichen Sinne in Deutschland hat und damit hier unbeschränkt steuerpflichtig ist oder nicht. In diesem Zusammenhang sollten Betroffene ein paar Regeln kennen und befolgen:

  • Ein Zweitwohnsitz zählt genauso wie ein Erstwohnsitz.
  • Die Abmeldung eines Wohnsitzes beim Einwohnermeldeamt ist kein Wegzug. Daher kann ein Wohnsitz in Deutschland auch dann gegeben sein, wenn er nicht offiziell als solcher gemeldet ist.
  • Die Begründung eines Wohnsitzes im Ausland, vielleicht sogar des Hauptwohnsitzes, ist ebenfalls kein Wegzug aus Deutschland. Will jemand seinen Wohnsitz ins Ausland verlagern, muss er hier "seine Zelte abbrechen".
  • Um in Deutschland "seine Zelte abzubrechen", muss der Steuerzahler nachweisbar ins Ausland umziehen und seine Wohnung in Deutschland auflösen. Die bis dahin genutzten Wohnräume können verkauft, vermietet werden oder leer stehen. Aber sie dürfen nach dem Wegzug aus Deutschland nicht mehr genutzt werden.
  • Ein Ferienhaus in Deutschland ist schädlich, wenn es zum dauerhaften Wohnen geeignet ist und regelmäßig genutzt wird. Ein Aufenthalt von 3 Wochen pro Jahr im Ferienhaus in Deutschland kann bereits einen Wohnsitz und damit die unbeschränkte deutsche Steuerpflicht begründen.
  • Schützt es, wenn "fremde Räume" genutzt werden? Nein, denn auch sie können ein "Wohnsitz" sein. So ist zum Beispiel das bei Besuchen in Deutschland regelmäßig genutzte ehemalige Kinderzimmer im Hause der Eltern, das bei Trainings- oder Arztbesuchen in Deutschland genutzte Zimmer im Trainingscamp oder die Wohnung des Lebenspartners in Deutschland schon vielen Steuerflüchtlingen zum (steuerlichen) Verhängnis geworden. Bei Besuchen in Deutschland sollte daher stets in Hotels übernachtet werden, am besten in wechselnden.
  • Steuerzahler sind gelegentlich geneigt zu glauben, der deutsche Fiskus wisse und erfahre ja nichts von einer Wohnung in Deutschland. Das ist häufig ein Trugschluss: Denn gerade bei Prominenten ist immer damit zu rechnen, dass ein Finanzbeamter heimlich jede verfügbare Information über deren Aufenthalte in Deutschland sammelt und Bewegungsprofile erstellt. Das war zum Beispiel bei Boris Becker der Fall. Und im Zweifel sind es die Kreditkartenabrechnungen, die den Aufenthalt in Deutschland belegen, und die Strom-, Gas- und Wasserabrechnungen, die die Nutzung der angeblich leer stehenden Wohnung nachweisen.

Ohne Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt keine Steuerpflicht in Deutschland?

Wenn ein Steuerzahler meint, er habe keinen Wohnsitz und keinen gewöhnlichen Aufenthalt mehr in Deutschland und er daher seine Einkünfte in Deutschland auch nicht mehr versteuert, im Nachhinein aber festgestellt wird, dass diese Annahme falsch war, drohen Steuernachzahlungen und die Anklage wegen Steuerhinterziehung.

Wenn ein Steuerzahler jedoch alle Regeln beachtet und wirklich weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat: Ist er wenigstens dann vor dem deutschen Fiskus sicher? Nicht unbedingt: Denn das deutsche Steuerrecht kennt neben der unbeschränkten und der beschränkten Steuerpflicht auch noch die sogenannte "erweitert beschränkte Steuerpflicht". Diese betrifft deutsche Staatsangehörige, die in den letzten 10 Jahren vor ihrem Wegzug mindestens 5 Jahre in Deutschland gewohnt haben, dann in eine Steueroase gezogen sind, aber noch "wesentliche wirtschaftliche Interessen" in Deutschland haben.

Diese Steuerzahler werden noch bis zu 10 Jahren nach Ende des Jahres, in dem sie aus Deutschland weggezogen sind, steuerlich bei vielen Einkünften ähnlich gestellt, wie wenn sie überhaupt nicht in eine Steueroase gezogen wären. Daher sind in einem solchen Fall zum Beispiel die Zinsen aus Bankguthaben in Deutschland durchaus noch in Deutschland steuerpflichtig, selbst wenn dessen Inhaber schon seit Jahren nur noch in Monaco wohnt. Das wissen viele Steuerzahler nicht. Für die Annahme "wesentlicher wirtschaftlicher Interessen" in Deutschland bedarf es im Übrigen nicht einmal viel: hierfür reicht zum Beispiel schon eine Beteiligung von 1% an einer inländischen GmbH, eine Beteiligung an den Gewinnen aus einem inländischen Gewerbebetrieb von mehr als 25% oder inländisches Immobilienvermögen aus, wenn sein Wert mehr als 30% des Gesamtvermögens des Steuerzahlers beträgt.

Als Fazit bleibt: Längst nicht alle Steuerflüchtlinge sind auch Steuersünder. Ein Wegzug aus Deutschland kann sich auch steuerlich durchaus lohnen. Allerdings sind die Möglichkeiten, sich in dem doch recht feinen Geflecht des deutschen Steuerrechts zu verheddern, zahlreich. Der Steuerzahler muss daher die Regeln kennen und befolgen, will er spätere Steuernachzahlungen und den Vorwurf der Steuerhinterziehung vermeiden.

Der Autor Dr. Ulrich Ränsch ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater sowie Partner bei Baker & McKenzie in Frankfurt am Main.

 

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Zitiervorschlag

Ulrich Ränsch, Falle Steuerflucht: Ich bin doch nicht weg . In: Legal Tribune Online, 30.05.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3393/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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