NRW verschärft Polizeigesetz: Der Kampf um die innere Sicherheit geht weiter

Matthias Schütte

23.04.2010

Der Strom gesetzlicher Änderungen im Bereich der inneren Sicherheit reißt nicht ab. Nun hat der Landtag von Nordrhein-Westfalen eine Änderung des Polizeigesetzes beschlossen. Matthias Schütte, Dozent im Fachbereich Polizei der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen, bewertet die Änderungen als durchweg moderat ausgefallen.

Die von vielen nach der gescheiterten Einführung der Online-Durchsuchung für den Verfassungsschutz erwarteten harten Maßnahmen sind nicht gekommen. Die Polizei in Nordrhein-Westfalen darf auch in Zukunft weder online durchsuchen noch Schleierfahndung betreiben oder gesteigerte Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen durchführen. Die Grundrechte der Bürger des Landes bleiben also in vollem Umfang gewahrt. Der Staat hat sich in seinem Bestreben nach mehr Sicherheit auffällig zurückgehalten.

Wie schon in Niedersachsen vor einigen Jahren kehrt nunmehr auch in Nordrhein-Westfalen die unter der SPD-Landesregierung aus dem Polizeigesetz (PolG) NRW verbannte öffentliche Ordnung als Schutzgut zurück.

In den 90er Jahren war erbittert um die öffentliche Ordnung gerungen worden, also um "die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Beachtung nach den jeweils herrschenden Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten staatsbürgerlichen Zusammenlebens betrachtet werden". Die weite Fassung dieses Schutzgutes und der sich vollziehende Wertewandel in der Gesellschaft schienen einigen Juristen und Politikern zu unbestimmt und daher nicht rechtsstaatlich genug zu sein.

Tatsächlich war die Polizei aber auch schon vor der Novelle des PolG unter anderem beim Vollzug des Ordnungswidrigkeitengesetzes immer wieder für den Schutz der öffentlichen Ordnung eingetreten, so dass die neuerliche Verankerung in der Generalklausel des PolG wenig spektakulär ist.

Molekulargenetische Untersuchung und finaler Rettungsschuss

Klarstellungen und Erweiterungen hat der Gesetzgeber jedoch in anderen Bereichen des PolG vorgenommen. Der neue § 14 a gestattet nunmehr molekulargenetische Untersuchungen zur Identitätsfeststellung. Die Polizei darf demnach zur Feststellung der Identität einer Leiche oder einer hilflosen, zum Beispiel einer geistig verwirrten, Person das DNA-Muster mit demjenigen von Vermissten vergleichen, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Anordnungsbefugnis für diesen Eingriff liegt beim Amtsgericht; die Polizei muss also einen Antrag auf richterliche Entscheidung stellen.

In seiner Änderung des polizeilichen Zwangsrechts in § 63 Abs. 2 S. 2 PolG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass ein mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirkender Schuss nur abgegeben werden darf, wenn dieser das einzige Mittel ist, um eine gegenwärtige Gefahr für das Leben oder eine schwerwiegende Verletzung des Körpers abzuwenden. Dieser so genannte finale Rettungsschuss war auch nach der alten Rechtslage möglich. Es mangelte bisher allerdings an der sprachlichen Klarheit.

Zum Schutz der Bürger hat der Gesetzgeber einen neu gefassten § 16 PolG verankert. Dieser stellt klar, dass die Erhebung personenbezogener Daten, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, unzulässig ist. In Zweifelsfällen hat sich die Polizei unverzüglich an den behördlichen Datenschutzbeauftragten zu wenden.

Der große Wurf blieb im nordrhein-westfälischen Polizeigesetz aus. Das ist durchaus kein Manko. Es wird sich in den nächsten Jahren zeigen, ob der Rechtsstaat nunmehr tatsächlich mehr Schaden erleiden wird als in anderen Bundesländern mit weitaus umfangreicheren polizeilichen Befugnissen. Warten wir es ab.

Der Autor Matthias Schütte ist Oberregierungsrat und Dozent im Fachbereich Polizei der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen.

Zitiervorschlag

Matthias Schütte, NRW verschärft Polizeigesetz: Der Kampf um die innere Sicherheit geht weiter . In: Legal Tribune Online, 23.04.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/275/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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