John Grisham: "Alle Anwälte träumen von der Flucht aus dem Beruf"

Mit 300 Millionen verkauften Büchern ist John Grisham einer der erfolgreichsten Schriftsteller der Welt. Seine Justiz-Thriller erfreuen sich vor allem unter Juristen besonderer Beliebtheit. Kein Wunder, als ehemaliger Strafverteidiger bewegt sich Grisham auf vertrautem Terrain. Eine Karriere im Profisport blieb ihm nur knapp verwehrt. Am Dienstag feierte das Multitalent Geburtstag.

Die Ausbildung zum Juristen verbindet John Grisham mit seinem Cousin Bill Clinton. Zu Beginn der 90er Jahre sah es danach aus, dass der 42. Präsident der USA das einzige prominente Mitglied des Familienclans bleiben würde. Damals arbeitete Grisham noch als Anwalt in einer auf Strafrecht spezialisierten kleinen Kanzlei in der Nähe von Memphis, Tennessee. Nebenbei war er seit einigen Jahren bereits schriftstellerisch tätig – ohne, dass die breite Öffentlichkeit hiervon besondere Kenntnis genommen hatte.

Ein Prozess im Jahr 1984 war bei Grisham zur literarischen Initialzündung geworden. Das Verfahren drehte sich um ein zwölfjähriges Vergewaltigungsopfer, dessen Vater ihre Peiniger in einem Akt der Selbstjustiz getötet hatte. Grisham begann mit der Niederschrift der Story unter dem Titel "A Time to Kill" ("Die Jury").

Marketing mit Bowle und Plätzchen

Als dieser erste Justiz-Thriller fertig war, begann die mühselige Suche nach einem Verlag.

"Ich hatte schon geglaubt", so Grisham später, "‚Die Jury’ würde niemals veröffentlicht werden, viele Verlage lehnten ab. Endlich fanden wir einen kleinen, brandneuen Verlag in New York, der das Buch auf den Markt brachte, aber kein Geld für Werbung hatte. Um den Verkauf anzukurbeln, habe ich 1000 der 5000 Bücher gekauft. Ich fuhr zu 30, 35 Büchereien in kleinen Städten. Ich rief vorher an, sie schmissen eine Party, die Damen sorgten für Bowle und Plätzchen, und ich stiftete ihnen einige Kartons Bücher. Diese Leute hatten nie zuvor in ihrem Leben einen Schriftsteller gesehen. Deshalb haben wir wahrscheinlich 900 Bücher verkauft."

In dieser Zeit schrieb Grisham bereits an seinem nächsten Roman "The Firm" ("Die Firma"), den er im Herbst 1989 beendete und seinem Agenten nach New York schickte: "Er mochte es. Er zeigte es einigen Verlegern, keiner biss an. Er verlangte von mir, dass ich Änderungen vornehmen sollte, was ich aber nicht wollte."

Das Schicksal wollte es, dass ein Exemplar dieses Buches in Hollywood landete und Paramount Pictures die Filmrechte für stolze $ 600.000 erwarb. Ein solcher Vorgang blieb auch der Verlagswelt nicht verborgen. "Die Firma" fand jetzt einen New Yorker Verlag, der dafür sorgte, dass der Anwalt aus Memphis 47 Wochen lang in der Bestsellerliste der New York Times stand.

Von der Kanzlei auf die Farm

Als der literarische Erfolg bei ihm einzog, zog es Grisham fort aus seiner Kanzlei in Southaven bei Memphis, hinaus auf eine Farm in der Nähe von Oxford, Mississippi. Die Anwaltsrobe hängte er an den Nagel. Dafür erschien 1992 mit "Die Akte" sein nächstes Buch. Zur gleichen Zeit wurde "Die Jury" noch einmal publiziert und jetzt mit einem großen Erfolg, ohne dass es weiterer Partys mit freundlichen Damen, ihrer Bowle und ihren Plätzchen bedurfte.

Seit 1992 schreibt John Grisham fast jedes Jahr ein Buch. "Ich schreibe über ein Gebiet, das ich kenne", so der Autor, der die Sujets aus dem Fundus seiner anwaltlichen Erfahrung schöpft. Alle Bücher wurden Bestseller, sechs davon ("Der Klient", "Die Akte", "Die Firma", "Die Jury", "Die Kammer" und "Der Regenmacher") wurden bisher mit Stars wie Tom Cruise, Gene Hackmann und Julia Roberts verfilmt.

Erfolg als Schriftsteller, Karriereende als Politiker

Fast hätte der am 8. Februar 1955 in Jonesboro in Arkansas geborene John Ray Grisham Jr. eine völlig andere berufliche Richtung eingeschlagen. Nach mehreren Studienortswechseln erlangte er 1977 den Abschluss in Buchhaltung an der Mississippi State University und beendete er 1981 erfolgreich das juristische Aufbaustudium an der Ole Miss, der University of Mississippi.

Eigentlich wollte der talentierte Grisham eine professionelle Karriere als Baseballspieler starten, doch diese Pläne zerschlugen sich bald. Und so betrieb er Baseball nur als Hobby und wurde doch noch Anwalt. Es hat ihm nicht gefallen, und Grisham glaubt, dass das allen Anwälten so geht. So erklärte er einmal: "Der größte Traum aller Anwälte ist die Flucht aus ihrem Beruf."

Diese Mutmaßung lässt sich auch in Grishams Bücher finden. So erklärt in "Die Akte" die Jurastudentin Darby Shaw: "Die meisten Anwälte, die ich kenne, hassen es. Sie wollen so schnell wie möglich etwas anderes tun."

Auch Grisham gab die anwaltliche Tätigkeit bei erster Gelegenheit auf, als er mit seinem zweiten Buch Erfolg hatte. Nahezu zeitgleich verließ er seinen Sitz im Abgeordnetenhaus von Mississippi, den er für die Demokratische Partei innehatte. Es war ihm ohnehin aufgegangen, dass er als Politiker weniger erreichen konnte als der erwähnte Cousin.

"Die Leser sollen schnell lesen, sehr schnell"

Nur vorübergehend hat Grisham auch literarisch das juristische Milieu verlassen, als er zwei  Novellen vorlegte: "Skipping Christmas"("Das Fest"), eine Posse über die Gebräuche des amerikanischen Kleinstadt-Bürgertums zu Weihnachten, und "A Painted House" ("Die Farm"), das zur Kinderzeit des Autors in den Baumwollfeldern der Südstaaten spielt.

Über seine Beziehung zu seinen Lesern meint er: "Ich mache mir keinen Kopf, was die Leser über die Figuren und deren Handlungen in meinem neuen Buch denken könnten. Wenn ich ein Buch schreibe, will ich unterhalten. Die Leser sollen es schnell lesen, sehr schnell, Seite für Seite. Ja, schon wahr, gelegentlich schreibe ich ein Buch über ein bestimmtes Problem: Todesstrafe, Korruption bei Wahlen, Versicherungsschwindel, Zigarettenindustrie, Obdachlosigkeit. Ich nehme ein Problem und webe einen Roman darum."

Grisham lebt heute mit seiner Familie noch immer in Oxford, der Heimat von William Faulkner und an dem zweiten Familienwohnsitz in Charlottesville, Virgina, wo einst Edgar Allen Poe studierte.

Zitiervorschlag

Jürgen Seul, John Grisham: "Alle Anwälte träumen von der Flucht aus dem Beruf" . In: Legal Tribune Online, 08.02.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2500/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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