Justiz und Presse: Bundesverfassungsgericht statt Barbara Salesch

von Martin W. Huff

25.11.2010

Die Verabschiedung des langjährigen Karlsruhe-Korrespondenten der ARD und Leiters der Redaktion "Recht und Justiz" des SWR, Karl-Dieter Möller, ließ auch die höchste juristische Prominenz sich nicht nehmen. Laudator Andreas Voßkuhle nahm sich das Verhältnis von Justiz und Medien vor – mit einem Vorschlag, der sicherlich zu Diskussionen führen wird. 

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), Andreas Voßkuhle, hat sich für mehr Fernsehbilder, zumindest aus dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, ausgesprochen. Da heute das Fernsehen Informationen über Bilder vermittle, müsse überlegt werden, ob nicht in bestimmten Fällen Bilder aus der mündlichen Verhandlung gesendet werden dürften und müssten. Das solle ein Rechtsverständnis bei den Bürgern zu wecken, so Voßkuhle heute bei der Verabschiedung des ARD-Rechtsexperten Karl-Dieter Möller vor Rechtsjournalisten und hohen Richtern in Karlsruhe.

Es müsse überlegt werden, ob aus dem höchsten deutschen Gericht nicht mehr nur Bilder von dem Einzug und der mündlichen Urteilsbegründung, wie bisher in § 17a BVerfGG geregelt, gezeigt werden dürften, sondern auch die gesamte mündliche Verhandlung vor den beiden Senaten.

Voßkuhle verwies darauf, dass das BVerfG in seiner "n-tv-Entscheidung" im Jahre 2001 (Urt. v. 24.01.2001, Az. 1 BVR 2623/95, 1 BvR 622/99) zwar das Verbot der Bildaufzeichnung in § 169 GVG gehalten habe. Eine gesetzliche Änderung der Vorschrift sei von den Richtern aber gerade nicht ausgeschlossen worden. Daher müsse man über eine Gesetzesänderung nachdenken.

Zudem vertrat er die Ansicht, dass "Fernsehrichter wie Barbara Salesch nicht das Bild der Justiz in der Öffentlichkeit bestimmen dürfen". Es bestehe allerdings auch die Notwendigkeit, hier deutliche Grenzen der Bildberichterstattung zu ziehen und auch grundsätzlich die Frage, ob sich die Bildberichterstattung für jedes Gericht eignet.

Am Rande der Veranstaltung sprach sich Generalbundesanwältin Monika Harms gegenüber LTO gegen jede Erweiterung von Bildern aus dem Gerichtssaal aus. "Wir haben heute schon zu viele Bilder gerade rund um Strafverfahren, jede Ausweitung widerspricht der Würde des Gerichts", sagte sie. Für eine angemessene Berichterstattung seien mehr Bilder als heute nicht notwendig.

"Der Fall Kachelmann ist kein Fall für eine seriöse Berichterstattung“

Auch Karl-Dieter Möller zeigte sich in seinen Abschiedsworten skeptisch gegenüber einer Erweiterung der Bilder in Gerichtssälen. Ohne Zustimmung aller Beteiligten dürfe dies auf keinen Fall geschehen und ob dies außerhalb des BVerfG nötig sei, bezweifle er stark.

Möller, der 24 Jahre lang aus Karlsruhe für die ARD von den Bundesgerichten berichtet hatte und jetzt nach Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand getreten ist, verteidigte auch die Entscheidung der ARD, im Fall des Wettermoderators Jörg Kachelmann erst nach der Erhebung der Anklage ausführlich zu berichten. "Zudem ist der Fall Kachelmann eigentlich kein Fall für eine seriöse Berichterstattung, sondern eher ein Boulevard-Thema", meinte er- es sei daher gut, dass die juristisch seriöse Berichterstattung über Rechtsthemen nicht immer in den Informations- und Nachrichtensendungen aufgegriffen werden müsse.

Möller, das "Rechtsgesicht der ARD", blieb damit seiner Linie der seriösen Rechtsberichterstattung treu, für die er auch 1998 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet worden war.

Auch Präsident Voßkuhle fand in seiner Rede zum Prozess gegen den ehemaligen Wettermoderator deutliche Worte: "Im Fall Kachelmann hat, obwohl es um einen Strafrechtsfall geht, eine juristische Berichterstattung nur am Rande stattgefunden" - in Anspielung darauf, dass die Lebensumstände des Moderators anscheinend oftmals interessanter sind als der konkrete strafrechtliche Vorwurf.

Neuigkeiten beim SWR: Jetzt auch Berichte aus Europa

Zuvor hatte der Intendant des SWR, Peter Boudgoust, mitgeteilt, dass im Jahr 2012 die Redaktion "Recht und Justiz" des SWR, die jetzt von Möllers Nachfolger Dr. Frank Bräutigam (ebenso wie Möller Volljurist) geleitet wird, neue Zuständigkeiten erhält.

So werde die Karlsruher Redaktion die Berichterstattung für die ARD über Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg übernehmen. Verantwortlich dafür wird die langjährige Rechtsjournalistin des SWR Gigi Deppe zeichnen.

Zudem übernimmt nun der SWR alleine den "ARD Ratgeber Recht". Bisher hatte er sich die jährlich acht Sendungen mit dem WDR geteilt.

Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt und Journalist in Leverkusen, der sich seit Langem (unter anderem als Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung) mit Fragen der Rechtsberichterstattung befasst. Er ist außerdem Lehrbeauftragter für Medienrecht an der Fachhochschule Köln.

Zitiervorschlag

Martin W. Huff, Justiz und Presse: Bundesverfassungsgericht statt Barbara Salesch . In: Legal Tribune Online, 25.11.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2026/ (abgerufen am: 27.03.2024 )

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