Schiedsgerichtsbarkeit, internationales Schiedsverfahren: Beweiserhebung in internationalen Schiedsverfahren

Peter Kraft

30.07.2010

Im Mai hat die International Bar Association (IBA) die überarbeiteten "IBA Rules on the Taking of Evidence in International Arbitration" verabschiedet. Die Beweiserhebung in internationalen Schiedsverfahren soll damit noch effizienter, kostengünstiger und fairer werden. Die Änderungen reichen von einer Hinweispflicht des Schiedsgerichts bis zum Geheimnisschutz von Beweismitteln.

Zu den entscheidenden Vorzügen der Schiedsgerichtsbarkeit gegenüber staatlichen Gerichtsverfahren zählt die weitgehende Freiheit der Parteien beziehungsweise des Schiedsgerichts, das Verfahren und damit auch die Beweiserhebung flexibel und losgelöst vom meist starren nationalen (Zivil-) Prozessrecht zu gestalten. Dieser Vorteil tritt noch stärker in internationalen Schiedsverfahren zu Tage. Hier stehen sich möglicherweise Parteien aus unterschiedlichen Rechtskreisen gegenüber, deren Erwartungshaltung an ein Schiedsverfahren maßgeblich vom eigenen (Zivil-)Verfahrensrecht geprägt ist.

Wie groß die Unterschiede sein können, zeigt sich am Beispiel des amerikanischen und deutschen Verfahrensrechts. Die deutsche Verfahrenspraxis kennt weder ein Kreuzverhör des Zeugen durch den Anwalt der Gegenseite (cross-examination) noch das gefürchtete pre-trial discovery Verfahren. Letzteres beschreibt die Möglichkeit einer Partei, von der Gegenseite Dokumente und umfassende Informationen zu allen Tatsachen einzufordern, die für den behaupteten Klageanspruch oder die Verteidigung "relevant" sein können.

Die IBA Rules on the Taking of Evidence in International Arbitration wurden durch ein international besetztes Gremium der IBA erarbeitet und stellen einen Kompromiss zwischen den verschiedenen Rechtskreisen dar. Dies hat ihnen zu internationaler Akzeptanz verholfen. Seit ihrem ersten Erscheinen im Jahre 1999 haben sie die Praxis der internationalen Schiedsgerichtspraxis maßgeblich beeinflusst.

Mit den IBA Rules steht den Parteien beziehungsweise dem Schiedsgericht ein Regelwerk zur Verfügung, dessen Anwendung – in Gänze oder in Teilen - die Parteien vereinbaren oder die Schiedsgerichte bestimmen können. Eine solche Vereinbarung kann in ad-hoc-Schiedsverfahren und in Ergänzung zu den Verfahrensregeln institutioneller Schiedsgerichte getroffen werden.

Wesentliche Neuerungen: Hinweispflicht des Schiedsgerichts für mehr Effizienz

Die Neufassung der IBA Rules trägt den Entwicklungen der letzten elf Jahre in der internationalen Schiedsgerichtspraxis Rechnung, ohne die bewährte Struktur des ursprünglichen Regelwerks zu verändern.

Zu den wichtigsten Neuregelungen zählt die Pflicht des Schiedsgerichts, die Parteien zu einem frühen Zeitpunkt aufzufordern, sich auf ein effizientes, wirtschaftliches und faires Beweiserhebungsverfahren zu verständigen. Diese Regelung verdeutlicht die Flexibilität, die die Parteien im Rahmen eines Schiedsverfahrens genießen.

Um die Erhebung unnötiger Beweise und zugleich unnötige Kosten zu vermeiden, soll das Schiedsgericht die Parteien zu einem möglichst frühen Zeitpunkt auf die aus seiner Sicht für die Entscheidung wesentlichen Umstände hinweisen. Dies mag den deutschen Juristen nicht sonderlich überraschen, ist aber im angloamerikanischen Rechtsraum alles andere als eine Selbstverständlichkeit.

Gliederung in Verfahrensabschnitte und Vorgaben für elektronische Dokumente

In die gleiche Richtung zielt die Möglichkeit, Fragen wie die der Zuständigkeit oder der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach in zeitlich gestaffelten Verfahrensabschnitten zu verhandeln. Werden diese Fragen verneint, können weitere kostenintensive Beweisaufnahmen unterbleiben.

Auch wurden die Regeln hinsichtlich der Vorlage elektronischer Dokumente konkretisiert. Bereits unter Geltung der alten Regeln konnte jede Partei von der anderen die Vorlage von (elektronischen) Dokumenten verlangen, wenn sie darlegen konnte, in welcher Weise diese für die Sachentscheidung des Falls von Bedeutung sind. Ferner war eine Beschreibung des vorzulegenden Dokuments, die dessen Identifizierung ermöglicht, oder eine ausreichend detaillierte Beschreibung einer eng umschriebenen Kategorie von vorzulegenden Dokumenten erforderlich.

Die neuen Regeln sehen nunmehr vor, dass der Antragsteller bei elektronischen Dokumenten bestimmte Dateien, Suchbegriffe oder Individuen oder andere geeignete Suchkriterien zu benennen hat. Dies soll dem Vorlagepflichtigen eine effiziente und kostengünstige Suche ermöglichen.

Weitere Änderungen betreffen den erweiterten Geheimnisschutz von Beweismitteln, erhöhte Anforderungen an den Inhalt von Gutachten und schriftlichen Zeugenaussagen sowie die Möglichkeit, Zeugen per Videokonferenz zu hören.

Hinweise für die Praxis: Anwendbarkeit und Kostenlast bei Bösgläubigkeit

Die neuen IBA Regeln zur Beweiserhebung in internationalen Schiedsverfahren finden in all den Verfahren Anwendung, in denen sich die Parteien nach dem 29. Mai 2010 auf die Anwendung der IBA Rules verständigt haben. Dies gilt unabhängig davon, ob die Anwendung als Teil einer nach dem In-Kraft-Treten geschlossenen Schiedsvereinbarung oder ad hoc in bereits eingeleiteten oder neu eingeleiteten Schiedsverfahren vereinbart wird.

Eine entsprechende Mustervereinbarung findet sich im Vorwort der IBA Regeln.

Nach den neuen IBA Rules kann das Schiedsgericht in der Kostenentscheidung Parteien mit Kosten belegen, die im Rahmen der Beweisaufnahme bösgläubig gehandelt haben. Die Praxis wird zeigen, inwieweit diese Sanktionsmöglichkeit ausufernde Beweiserhebungen und explodierende Verfahrenskosten wird eindämmen können.

Der Autor Peter Kraft ist Rechtsanwalt bei der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS).

Zitiervorschlag

Peter Kraft, Schiedsgerichtsbarkeit, internationales Schiedsverfahren: Beweiserhebung in internationalen Schiedsverfahren . In: Legal Tribune Online, 30.07.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1105/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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