Die juristische Presseschau vom 5. August 2022: LG Braun­schweig zu Betriebs­rats­ver­gü­tung / Neun Jahre Haft für US-Bas­ket­bal­lerin / Kein Panzer vor der Bot­schaft

05.08.2022

Landgericht Braunschweig soll sich trotz Freispruchs der Haltung der Staatsanwaltschaft angeschlossen haben. Brittney Griner muss wegen 0,5 Gramm Haschisch neun Jahre in russische Lagerhaft. Vor der russischen Botschaft in Berlin darf kein russischer Panzer postiert werden.

Thema des Tages

LG Braunschweig zu VW-Betriebsratsvergütung: Laut spiegel.de ist jetzt die Begründung des Landgerichts Braunschweig für sein Urteil von September 2021 "durchgesickert". Damals wurden VW-Personalvorstände zwar vom Vorwurf der Untreue wegen überhöhter Betriebsratsgehälter freigesprochen, das Gericht soll sich in der Begründung des Urteils dennoch der Haltung der Staatsanwaltschaft angeschlossen haben, wonach langjährige Betriebsräte nicht auf Augenhöhe mit ihren Verhandlungspartnern auf Unternehmensseite bezahlt werden dürfen. Die Gehaltsentwicklung müsse sich an Kollegen aus dem ursprünglichen Job orientieren. Damit drohe führenden Betriebsräten in Konzernen die Herabstufung auf das Niveau eines normalen Werksarbeiters. Der Fall liegt beim Bundesgerichtshof, weil die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt hatte.  

Rechtspolitik

Corona – Schutzmaßnahmen Herbst/Winter: Nachdem Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) ein gemeinsames Konzept zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes vorstellten, gab es Lob aus den Bundesländern und von Mediziner:innen dafür, dass das Konzept keine pauschalen Schulschließungen vorsieht, wie die SZ (Johannes Korsche) berichtet. Die Regelungen für Masken- und Testpflicht lösten hingegen Widerspruch aus. Insbesondere in der Gastronomie stießen die neuen Regelungen auf Ablehnung, berichtet die FAZ (Noah Drautzburg).

Angelika Slawik (SZ) hält das Konzept für keinen guten Kompromiss. Es werde deutlich, dass die beiden Minister einen fundamental unterschiedlichen Blick auf die Welt und das Virus hätten. Es sei zwar zu begrüßen, dass Inzidenzwerte im Herbst keine Rolle mehr spielen sollen, eine andere Grundlage zur Feststellung einer verschärften Pandemielage werde aber nicht angeboten. Auch die Ausnahmen von der Maskenpflicht seien nicht durchdacht. Der Vorschlag solle insgesamt nachgebessert werden.

Justiz

EuGH zu Familiennachzug: Auf LTO stellt nun auch der Senior Research Fellow Constantin Hruschka zwei Urteile zur Familienzusammenführung mit volljährig gewordenen jungen Flüchtlingen vor, die der Europäische Gerichtshof am Montag verkündet hat. Der Gerichtshof hat entschieden, dass es dabei weder auf den Einreisezeitpunkt der nachziehenden Personen noch auf den Zeitpunkt der Asylentscheidung ankommen kann. Entscheidend sei vielmehr der Zeitpunkt der Stellung des Asylantrags. Außerdem müssen Eltern und Kinder später nicht zusammenleben, um einen Nachzugsanspruch zu haben. 

BVerfG – US-Drohnen und Ramstein: Das Bundesverfassungsgericht wird sich bald mit einer Verfassungsbeschwerde zur deutschen Verantwortung für US-Drohnenangriffe im Jemen beschäftigen. Die Bundesrepublik soll es unterlassen haben, auf die Einhaltung des Völkerrechts "beim Einsatz von Drohnen zur Tötung von Menschen im Jemen unter Nutzung der US-Air-Base Ramstein durch die USA hinzuwirken". Dabei könne auch herauskommen, dass zwischen Deutschland und den USA unterschiedliche Auffassungen über die Zulässigkeit von Drohnenangriffen im Kampf gegen Terroristen existieren, "die eine gegenseitige Unterstützung, auch im Geheimen, nicht ausschließen". Die FAZ (Reinhard Müller) berichtet. 

BSG zur anwaltlichen Sozialversicherungspflicht: Im Interview mit spiegel.de (Florian Gontek) erläutert die Rechtsanwältin Katja Schiffelholz Semedo ein Urteil des Bundessozialgerichts von Ende Juni, wonach Gesellschafter-Geschäftsführer einer Anwaltskanzlei als abhängig beschäftigt gelten können und unter Umständen sozialversicherungspflichtig sind. Das Urteil hat Auswirkungen auf tausende Selbstständige, die nun viel Geld bei der Sozialversicherung nachzahlen müssen, insbesondere in den freien Berufen.

LG Würzburg zu Messerstecher von Würzburg: Das Urteil des Landgerichts Würzburg gegen einen psychisch kranken Messerstecher ist rechtskräftig, berichtet LTO. Weder die Generalstaatsanwaltschaft München noch der Verurteilte haben Rechtsmittel eingelegt. Das LG hatte einen Somalier, der im Juni letzten Jahres drei Frauen erstochen und eine weitere Person verletzt hat, wegen Schuldunfähigkeit zu einem Psychiatrieaufenthalt auf unbestimmte Zeit verurteilt. 

LG München I – Alfons Schuhbeck: Der bekannte Koch Alfons Schuhbeck ist wegen Steuerhinterziehung vor dem Landgericht München I angeklagt. Es solle um Steuerhinterziehung in Millionenhöhe gehen, wie spiegel.de berichtet. In Falle einer Verurteilung sei eine Haftstrafe für Schuhbeck wahrscheinlich.

AG München – Widerstand gegen Vollstreckungsbeamt:innen: Das Amtsgericht München hat das Verfahren gegen einen 20-Jährigen eingestellt, der wegen Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamt:innen angeklagt war, nachdem ein Polizeieinsatz im Münchner Wohnhaus seiner Familie eskalierte. Am ersten Prozesstag soll ein Polizeibeamter ausgesagt haben, dass sie nicht auf einen Durchsuchungsbefehl gewartet hätten, da sie den erfahrungsgemäß ohnehin nicht bekommen hätten. Die Familie des Betroffenen bringt den Polizeieinsatz in Verbindung mit seiner schwarzen Hautfarbe. Es berichtet die taz (Aaron Wörz).

StA Hamburg – Billigung des russischen Angriffskriegs: Wie die SZ meldet, ist in Hamburg nach Hinweisen des Verfassungsschutzes der Betreiber eines pro-russischen Telegram-Kanals wegen der Verwendung des Z-Symbols verhaftet worden. Dem Mann wird unter anderem die Billigung von Straftaten und das versuchte Anwerben für einen fremden Wehrdienst vorgeworfen. Weil der 31-jährige Deutsche auf einem Foto auch mit einem russischen Sturmgewehr posiert hat, wird auch wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz ermittelt.

CDU-Kreisparteigericht Köln - Max Otte: Max Otte wurde nun endgültig aus der CDU ausgeschlossen, weil er im Februar für die AfD als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten antrat, wie das Kreisparteigericht der Kölner CDU entschied. LTO stellt die parteiinternen Regelungen dar, die dem Ausschluss zugrunde liegen.

Detlef Esslinger (SZ) vergleicht das Ausschlussverfahren gegen Otte mit dem Ausschlussverfahren in der SPD gegen den Altkanzler Gerhard Schröder. In den nächsten Tagen soll eine Schiedskommission der SPD Hannover entscheiden, ob er aus der Partei ausgeschlossen werden soll. Der Autor misst die Verfahren an den Regelungen im Parteiengesetz, und kommt zu dem Schluss, dass Ottes Ausschluss unumgänglich war, ein Ausschluss Schröders aus der SPD hingegen nicht geboten sei, da er der Partei durch seine wunderlichen Äußerungen letztlich keinen Schaden zufüge.

Recht in der Welt

Russland – Brittney Griner: US-Präsident Joe Biden hat das Urteil eines russischen Gerichts gegen die US-Basketballerin Brittney Griner kritisiert, wie SZ und FAZ (Friedrich Schmidt) berichten. Griner ist wegen Drogenschmuggels und -besitzes zu neun Jahren Lagerhaft und einer Geldstrafe von umgegerechnet 16.000 Euro verurteilt worden. Am Flughafen Scheremetjewo waren bei ihr sogenannte Vape-Kartuschen und Haschisch-Öl gefunden worden, insgesamt 0,5 Gramm. Washington warf Moskau ein politisch motiviertes Verfahren vor. Die Verurteilung Griners gilt als Voraussetzung für einen Gefangenenaustausch.

Ukraine – Kriegsverbrechen: Die FAZ (Markus Wehner) berichtet über die ukrainische NGO Truth Hounds, die in der Ukraine russische Kriegsverbrechen dokumentiert und so den Staatsanwaltschaften des Landes unter die Arme greift. Außerdem gebe es in der Ukraine etwa 50 weitere NGOs, die eine ähnliche Arbeit machen, darunter internationale Organisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty International. Auch die Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen Eurojust hat ein gemeinsames Ermittlungsteam gegründet, dem sich neben der Ukraine, Polen und Litauen auch der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Karim Kahn, die Slowakei, Estland und Lettland angeschlossen haben.

Simbabwe – Tsitsi Dangarembga: Die Vize-Präsidentin und "Writers in Prison"-Beauftragte des PEN-Zentrums Deutschland Cornelia Zetzsche erinnert in einem Gastbeitrag für die FAZ an den Prozess in Simbabwes Hauptstadt Harare gegen die Literatin Tsitsi Dangarembga, Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels 2021, und die Journalistin Julie Barnes, die mit Plakaten mit der Aufschrift "Free our Journalists" und "For a Better Zimbabwe" am 31. Juli 2020 demonstriert hatten. Die Frauen sind wegen Anstiftung zur öffentlichen Gewalt angeklagt, mussten in den letzten zwei Jahren bereits 29 Mal vor Gericht erscheinen und wurden dort mit Falschaussagen und manipulierten Beweisen konfrontiert. Viele andere Verteidiger:innen von Rechtsstaat und Menschenrechten in Simbabwe sitzen bereits im Gefängnis oder mussten das Land verlassen.

USA/Libanon – Hafenexplosion: Die taz (Julia Neumann) bringt ein Interview mit der Vorsitzenden der Schweizer Stiftung Accountability Now, Zena Wakim, die die Verantwortlichen für die Explosion im Hafen von Beirut vor zwei Jahren juristisch zur Rechenschaft ziehen möchte. Es gebe im Libanon keine Ermittlungen zu den Hintergründen der Explosion, daher wurde nun eine zivilrechtliche Klage im US-amerikanischen Texas gegen ein texanisches Unternehmen erhoben, dass über eine Tochterfirma den Frachter gechartert hatte, mit dem das explosive Material in den Hafen kam.

USA – Prozess gegen rechten Verschwörungstheoretiker: Im Gerichtsprozess gegen Alex Jones wurde durch einen Fehler seiner Anwält:innen bekannt, wie viel Geld er mit dem Geschäft mit Hetze und Falschinformationen tatsächlich verdient, wie spiegel.de berichtet. So wurde bekannt, dass Jones' Onlineportal im Jahr 2018 an mehreren Tagen mehr als 800.000 Dollar einnahm.

USA – autonome Tesla-Fahrzeuge: Anlässlich einer Unfallserie von Tesla-Fahrzeugen in den USA fordert der Rechtsprofessor Gerhard Wagner auf dem Verfassungsblog, dass die Hersteller solcher Fahrzeuge mit den Kosten der Verkehrsunfälle belastet werden sollten, die durch die Fahrzeuge bzw. die von diesen eingesetzten Fahralgorithmen verursacht werden.

Sonstiges

Russischer Panzer in Berlin: Das Bezirksamt Berlin-Mitte hat einen Antrag von zwei Betreibern eines Berliner Privatmuseums abgelehnt, die das Wrack eines russischen Panzers auf der Straße Unter den Linden vor der Russischen Botschaft in Berlin zusammen mit einer begleitenden Ausstellung zeigen wollten. Das Bezirksamt meint, die Ausstellung des zerstörten Kriegsgerät sei nicht angemessen, da in ihm wahrscheinlich Menschen gestorben seien, außerdem berühre sie außenpolitische Interessen der Bundesrepublik. Auf LTO kritisiert Rechtsanwalt Patrick Heinemann diese Entscheidung, da sie zu sehr Rücksicht auf mutmaßliche russische Befindlichkeiten nehme.

 

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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

LTO/ls

(Hinweis für Journalist:innen) 

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 5. August 2022: LG Braunschweig zu Betriebsratsvergütung / Neun Jahre Haft für US-Basketballerin / Kein Panzer vor der Botschaft . In: Legal Tribune Online, 05.08.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49239/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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