Unterhaltsbeihilfe für Referendare

LBV NRW will maximal ab 2011 nachzahlen

von Pia LorenzLesedauer: 4 Minuten
Am Samstag war es soweit: Viele ehemalige und aktuelle Referendare in Nordrhein-Westfalen erhielten Post vom LBV. Wer nach dem Urteil des OVG Münster einen Antrag auf Neuberechnung seiner Unterhaltsbeihilfe gestellt hat, bekommt Nachzahlungen. Aber erst später - und wenn überhaupt, dann nur ab frühestens 2011. Die dreijährige Verjährungsfrist habe jeweils am Ende des Jahres der Anspruchsentstehung zu laufen begonnen.

Das Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) spielt auf Zeit. "Bevor die Nachzahlung der Differenzbeträge zur Auszahlung gebracht werden kann, bedarf es allerdings noch einiger vorbereitender Maßnahmen", informiert ein dem Grunde nach positiver Bescheid die (ehemaligen) Referendare in Nordrhein-Westfalen, welche sich nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster die Mühe gemacht haben, einen Antrag auf Neuberechnung ihrer Unterhaltsbeihilfe zu stellen.  Das OVG hatte am 27. Oktober 2014 festgestellt, dass die Referendare auf der Grundlage des Bundes- und nicht des Landesbeamtengesetzes zu besolden sind, also seit 2006 zu geringe Bezüge erhalten hatten (Az. 3 A 1217/14). Nach Angaben des Anwalts mehrerer Kläger, Thorsten Süß, geht es dabei je nach Fallkonstellation um 30 bis 40 Euro monatlich. Anfang Februar 2015 reagiert nun das LBV. Vielleicht ist es auf die Untätigkeit der Behörde seit der Münsteraner Entscheidung, vielleicht auf ihre Verzögerungstaktik schon im Verlauf der behördlichen wie auch Klageverfahren zurückzuführen, dass sie es nun offenbar für nötig hält, die Antragsteller darauf hinzuweisen, dass "weitere Aufforderungen Ihrerseits nicht erforderlich" seien. "Auf die Einrede der Verjährung wird in diesem Fall verzichtet, so dass Ihre berechtigten Nachzahlungsansprüche nicht verfallen werden", erklärt das LBV weiter. Das mag insoweit erstaunen, als eine eventuell angelaufende Verjährung ohnehin spätestens mit dem Schreiben des LBV durch die laufenden Verhandlungen gehemmt sein dürfte (§ 203 BGB), es also eines Verzichts nicht bedarf.

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"Neuberechnung zum jetzigen Zeitpunkt leider nicht mehr"

So viel vorauseilenden Gehorsam würden die Referendare sich in Bezug auf die Auszahlung der ihnen zustehenden Gelder sicherlich wünschen. Aber wegen eines Wechsels im Abrechnungssystem am 1. Oktober 2012 könne momentan maschinell (noch) nicht auf alle für die Berechnung der Nachzahlung relevanten Daten zurückgegriffen werden, lässt das LBV die Antragsteller wissen. Besonders zeitaufwändig ist das offenbar für diejenigen Referendare, welche ihre Ausbildung vor diesem Datum beendet haben. Für diese Abrechnungsfälle sei "zusätzlich eine manuell durchzuführende Neuanlage" im "Neusystem" notwendig. Obgleich das Urteil des OVG Münster insoweit rechtskräftig ist und die Geldschuld, deren Beschaffungsrisiko bekanntlich nach dem Grundsatz "Geld hat man zu haben" das LBV trägt, werden die Referendare vertröstet. Vielleicht sind die Beträge so gering, dass die Jung-Juristen sich nicht die Mühe machen werden, Verzugszinsen einzutreiben. Ausgeschlossen dürfte aber sein, dass die ehemaligen Referendare sich gänzlich ohne Nachzahlungen für die Jahre vor 2011 abspeisen lassen. Sowohl auf einen - teilweise stattgebenden - Antrag aus dem Jahr 2014 als auch auf - gänzlich ablehnenden - vom 24. Januar 2015 teilt das LBV in zwei Schreiben, die der LTO vorliegen, mit: "Eine mögliche Nachzahlung ist nur im Rahmen der dreijährigen Verjährungsfrist zulässig, d.h. bei Antragstellung im Jahr 2015 kann frühestens ab 01.01.2012 und bei Antragstellung im Jahr 2014 frühestens ab 01.01.2011 nachgezahlt werden". Die Behörde beruft sich dabei auf die Regelverjährung der §§ 195, 199 Bügerliches Gesetzbuch (BGB). Den Referendar, der im Januar 2015 die Neuberechnung beantragte, lässt sie wissen, dass diese "zum jetzigen Zeitpunkt leider nicht mehr durchgeführt werden" könne.

LBV NRW: Verjährungsbeginn lange vor Kenntnis

Nach Auffassung der Behörde begann die Verjährungsfrist der Ansprüche der Rechtsreferendare also jeweils mit dem Ende des Jahres ihrer Entstehung - und damit Jahre, bevor überhaupt feststand, dass die Unterhaltsbeihilfe zu gering bemessen war. Noch im Jahr 2014 bestand eine unklare Rechtslage. So hatte das Verwaltungsgericht (VG) Köln im Februar die Auffassung vertreten, dass die zugrunde gelegte Anwendung des Landesbesoldungsgesetzes rechtmäßig sei. Erst die Entscheidung aus Minden, welche das OVG Münster im Oktober rechtskräftig bestätigen musste, bestätigte den klagenden Referendaren die Richtigkeit ihrer Rechtsauffassung. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der zuletzt in Bezug auf die Entscheidung zur Rückforderung von Kreditgebühren feststellte, dass die Verjährungsfristen für Altforderungen nicht zu laufen begannen, bevor eine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung bestand, ist diese Rechtsauffassung mindestens erstaunlich. Die Behörde scheint ihre Salami-Taktik weiter zu verfolgen, die Kläger-Anwalt Süß im Interview mit LTO als "Provokation" bezeichnete. Eine Stellungnahme vom LBV war am Montag nach 16 Uhr nicht mehr zu erhalten. Womöglich wäre sie auch wenig fruchtbar ausgefallen. Im Ausgangsverfahren hatte das Land sich bis zuletzt auf den Standpunkt gestellt, dass es zur Wahrung der Ansprüche erforderlich gewesen wäre, in jedem Haushaltsjahr einen Widerspruch gegen die Höhe der Unterhaltsbeihilfe einzulegen, um keine Ansprüche zu verlieren. Erst das OVG musste entscheiden, dass schlicht die dreijährige Regelverjährung der §§ 195, 199 BGB gilt, auf welche das LBV sich jetzt selbst bezieht. § 199 BGB lautet: "Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt (...) mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste." Rechtsbehelfsbelehrungen enthalten die der Redaktion vorliegenden Schreiben übrigens nicht.

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