Serie Law Journals: rescriptum aus München

"Wissenschaftliche Arbeit verdient es, gelesen zu werden!"

von Christian GrohganzLesedauer: 5 Minuten
Das Law Journal der LMU München 'rescriptum' will mit einem besonderen Konzept hervorstechen: Veröffentlicht werden hauptsächlich wissenschaftliche Beiträge von Studenten. LTO sprach mit den Chefredakteurinnen Katharina Baudisch (24) und Annika Mette (22) über die Qualität kommilitonischer Aufsätze, Kritik vor Veröffentlichung der ersten Ausgabe und dem Wunsch vom BGH zitiert zu werden.

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LTO: Law Journals gibt es einige in Deutschland - warum sollte die Welt rescriptum brauchen? Baudisch: In der Tat haben wir uns mit rescriptum auf einen nicht gerade kleinen Markt studentischer Law Journals begeben. Die meisten anderen studentischen Rechtszeitschriften bestehen aus einer studentischen Redaktion und veröffentlichen jedoch immer wieder nur professorale Beiträge - so wie es die etablierten juristischen Fachzeitschriften ja auch tun. Das lässt sich einfacher verkaufen, dem Professor wird von vornherein mehr zugetraut, der wissenschaftliche Ansatz wird viel weniger kritisch beäugt. Mette: Wir wollen jungen Juristen in der Ausbildung die Chance geben, selbst exzellente wissenschaftliche Arbeiten zu veröffentlichen. Bisher ist das in juristischen Fachblättern wie der NJW oder JuS nur in Ausnahmefällen möglich. Katharina BaudischBaudisch: Was bei rescriptum hervorsticht, ist die Betonung des studentischen wissenschaftlichen Diskurses. Da schreiben Studierende über hochakademische, ja vielleicht sogar Nischenthemen - und das auch noch in hoher Qualität. Natürlich wollten wir Professoren nicht vollkommen ausschließen – deshalb ist in jeder Ausgabe ein Gastbeitrag vorgesehen. Eine weitere Besonderheit ist unser Schwerpunktkonzept. Aus den zur Veröffentlichung angenommenen Beiträgen sucht sich die Redaktion einen Schwerpunktaufsatz aus, der zum einen besonders anspruchsvoll, zum anderen besonders aktuell und interessant ist. LTO: Warum sollten Studenten Beiträge bei rescriptum einreichen? Mette: Nicht vielen Studierenden bietet sich die Möglichkeit, schon während ihres Studiums zu veröffentlichen. Baudisch: Man sitzt mehrere Wochen oder Monate an einer Seminararbeit, steckt Zeit und Energie hinein und schafft am Ende unter Umständen wirklich einen eigenen, neuen Ansatz. Das wird dann vielleicht mit einer guten Note honoriert, ansonsten verschwindet das Werk in einem Archiv und wird nicht mehr gelesen. Das wollen wir ändern. Eine wissenschaftlich relevante Arbeit verdient es, gelesen zu werden! Und jeder Studierende sollte an der Veröffentlichung interessiert sein. Mette: Ich denke auch, es ist ein großer Anreiz, seinen eigenen Namen schwarz auf weiß in einer rechtswissenschaftlichen Zeitschrift zu lesen. LTO: Welche Qualität haben die eingereichten Beiträge? Wie sehr müssen die Beiträge vor der Veröffentlichung überarbeitet werden? Baudisch: Wissenschaftliche Qualität ist das Hauptkriterium einer Veröffentlichung in rescriptum. Zumeist beruhen die Einsendungen auch tatsächlich auf Seminararbeiten. Diese sind also juristisch – und überwiegend auch sprachlich – schon sehr anspruchsvoll. Nichtsdestotrotz ist der Aufbau eines Aufsatzes grundverschieden von dem einer Seminararbeit. Deshalb bedarf jede Einsendung noch einer gründlichen Überarbeitung. Annika MetteMette: Die größte Herausforderung ist das Umschreiben und Kürzen der Arbeiten. Natürlich kommt es immer wieder vor, dass manche Bewerber ihren Aufsatz zurückziehen, da sie aus Zeitmangel diesen Aufwand nicht innerhalb der Frist erledigen können. Baudisch: Generell begleiten wir aber die Autoren mit jeweils zwei Redaktionsmitgliedern und einem betreuenden Professor. Wert legen wir vor allem darauf, dass der Autor noch einmal auf einen bestimmten Aspekt seiner Seminararbeit fokussiert und in die Tiefe geht. Das erfordert alles viel Arbeit und dauert in der Regel sechs bis acht Wochen. LTO: Dabei nutzen Sie ein anonymisiertes Peer-Review-Verfahren – was kann man sich darunter vorstellen? Baudisch: Unser Peer-Review-Verfahren zeichnet sich durch das sogenannte "Doppelblind"-Verfahren aus. Dabei erfährt weder der betreute Studierende noch der betreuende Professor die Identität des jeweils anderen. Mette: Erst dadurch wird eine objektive Korrektur überhaupt erst möglich. Im Einzelnen verläuft das Verfahren so, dass die Beiträge von Redaktionsmitgliedern Korrektur gelesen werden, dann zurück an die Autoren gehen, die diese Korrekturvorschläge in ihren Entwurf einarbeiten. Die Korrekturen beinhalten sowohl sprachliche Anmerkungen als auch inhaltliche Verbesserungen. Anschließend gehen die Arbeiten dann anonymisiert an einen Professor, der sich im entsprechenden Gebiet gut auskennt. Der Aufsatz wird noch einmal einer Prüfung unterzogen. LTO: Wo kann man rescriptum kaufen und wie viel kostet eine Ausgabe? Baudisch: Die erste Ausgabe haben wir primär an der LMU verkauft. Für folgende Ausgaben spielen wir durchaus mit der Idee einer "Verkaufstour" oder Ähnlichem. Die Bestellung eines Einzelhefts oder auch eines Abonnements ist aber natürlich von überall möglich, z.B. über unsere Homepage oder per E-Mail. rescriptum kostet 4 Euro - die gerade so die Druckkosten eines jeden Heftes decken. LTO: Wie hoch ist die Auflage? Baudisch: Begonnen haben wir mit einer Auflage von 800 Stück. Eine Steigerung ist wohl eher eine langfristige Idee für die Zeit, wenn rescriptum sich im gesamten Bundesgebiet etabliert hat. Mette: Auch wenn man mit Klausurlösungen oder Ähnlichem vielleicht mehr Exemplare verkaufen könnte, haben wir nicht vor, unser Konzept wegen eines höheren Absatzes aufzugeben. Für uns gilt: Qualität schlägt Quantität. LTO: Wie ist die Resonanz bis jetzt? Baudisch: Nach Erscheinen der ersten Ausgabe gab es nur positive Resonanz. Das war insbesondere angesichts der Kritik, die uns vor Veröffentlichung begegnete, eine angenehme Überraschung – vereinzelt zweifelten Professoren, ob wir den wissenschaftlichen Standard einhalten könnten. Vor allem inhaltlich zeigten sich jedoch viele überrascht von der Qualität der Beiträge. Auch einige Fakultäts- und Universitätsbibliotheken haben uns bereits abonniert. Uns ist klar, dass sich die Etablierung einer studentischen Fachzeitschrift, insbesondere bei Gerichten, nicht mit einer einzigen Ausgabe erreichen lässt. Aber auch andere studentische Rechtszeitschriften wurden bereits vom BGH zitiert – wieso sollte das rescriptum nicht auch gelingen? LTO: Warum verzichtet rescriptum auf Werbeanzeigen, aber setzt auf eine Exklusivpartnerschaft mit einer Großkanzlei? Mette: Zunächst muss festgestellt werden, dass wir zum großen Teil aus Studiengebühren finanziert werden. Daran sind natürlich auch Bedingungen geknüpft, wie z.B. das Festlegen auf eine Exklusivpartnerschaft und damit der Verzicht auf Anzeigenwerbung. Baudisch: Für eine Kanzlei ist es immer essentiell ihre Präsenz zu steigern – auch an der Universität. Hier wirken wir als Multiplikatoren und im Endeffekt natürlich als Werbefläche. Nicht zuletzt sind natürlich auch die Redaktionsmitglieder ob ihres Engagements bei rescriptum als potenzielle Arbeitnehmer nicht uninteressant. LTO: Was wünschen Sie sich für rescriptum und ihre persönliche Zukunft? Baudisch: rescriptum bietet über die reine Möglichkeit eine Zeitschrift herauszugeben, noch viel weiteres Potenzial, wie z.B. die angesprochenen Workshops. Da lässt sich mit genügend Kreativität, Organisationstalent und vor allem Ehrgeiz viel Spannendes erreichen. Für mich selbst wünsche ich mir natürlich zwei zufriedenstellende Staatsexamina. Je nachdem, wie die Note dann ausfällt, könnte ich mir auch eine Promotion vorstellen. Darüber hinaus möchte ich gern als Diplomatin im Auswärtigen Amt arbeiten. Mette: Das Wichtigste für die Zukunft ist, Bekanntheit zu erreichen, sodass auch schon Erstsemester an der LMU mit dem Begriff rescriptum ihre studentische Rechtszeitschrift verbinden. Dadurch wäre auch der Nachwuchs für die Redaktion gesichert. Nach den Staatsexamen würde ich gerne im Bereich Gesellschaftsrecht arbeiten. Genauso gut wäre es, bei der Verfolgung von Steuersündern mitzuwirken. Da kommt es – wie bei Juristen so üblich – ganz drauf an. LTO: Wir danken Ihnen für das Gespräch!

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