Sozialabgaben auf die Stationsvergütung

So gibt's das Geld zurück

von Jan MysegadesLesedauer: 5 Minuten
Rentenversicherung auf der Lohnabrechnung der Anwaltsstation? Die können sich Referendare nach aktueller Rechtsprechung zurückholen. Wie man richtig vorgeht, wenn die Kasse nicht zahlen will, berichtet Jan Mysegades aus eigener Erfahrung.

Referendare sind nicht rentenversicherungspflichtig. Das steht im Gesetz und das haben jüngst Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) und des Sozialgerichts (SG) Berlin (bestätigt vom Landessozialgericht) unterstrichen. Einige Kanzleien wollen aber auf Nummer sicher gehen und melden ihre Referendare in der Anwaltsstation als normale Arbeitnehmer an. Für die angehenden Volljuristen bedeutet das 9,35 Prozent weniger Netto vom Brutto. Daran könnten die unterschiedlichen Versuche der Bundesländer, mit dieser Rechtslage umzugehen, im Einzelfall zwar etwas ändern. Doch der "klassische" Referendar ohne Nebentätigkeitsabrede, mit Zuweisungsbescheid und juristischer Tätigkeit ist von der Rentenversicherung befreit – auch, wenn die Kanzlei eine Vergütung zahlt. Umfangreiche Nebenabreden mit Urlaubs- und Kündigungsregelungen sollte man im Vorbereitungsdienst deshalb vermeiden. Referendare, die "unfreiwillig" Sozialbeiträge abgeführt haben, müssen sich deswegen nicht ärgern – aber mutig sein. Denn schwierig ist eigentlich nur die Entscheidung über das "Ob" des Rückforderns, da man durch die Beiträge Rentenansprüche erwirbt. So muss jeder für sich entscheiden, ob er lieber jetzt die 9,35 Prozent seiner Stationsvergütung in bar oder lieber drei bis neun Monate zusätzliche Rentenansprüche bei der Deutschen Rentenversicherung mit Erreichen des Rentenalters haben möchte. Die Rentenansprüche können sich durchaus lohnen, insbesondere wenn sie die 60 Monate Mindestbeitragszeit voll machen. Ich persönlich habe es da aber wie mit dem Spatz in der Hand und der Taube auf dem Dach gehalten.

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Durchsetzung einfacher und risikoloser als man denkt

Zum "Wie" der Rückforderung seines Geldes: Es ist einfacher als man denkt. Bei einigen meiner Kollegen genügte etwa schon ein Anruf oder ein Fünfzeiler an die (verwirrenderweise) zuständige Krankenkasse. Sie scheinen keine Einzelfälle zu sein. Ich hingegen bekam am Telefon die Auskunft, man zahle in diesen Fällen grundsätzlich nicht zurück. Das Wort "grundsätzlich" kann den geneigten Referendar natürlich nicht schrecken, immerhin ist die Rechtslage durch die Rechtsprechung umfangreich aufgearbeitet. So tut man als Referendar am besten, was man gelernt hat: den rechtlichen Maßstab des Obergerichts anlegen und subsumieren. Dabei sollte man sich vom scheinbaren "Monster" Sozialgesetzbuch (SGB) nicht abschrecken lassen, denn die sozialrechtlichen Vorschriften klingen komplizierter als sie sind. Das wichtigste Argument für die Rückforderung lautet: Die Tätigkeit in der Anwaltsstation ist Teil der Ausbildung im Referendariat. Solange man in der Station juristisch arbeitet und nicht (neben-)vertraglich zu einer Tätigkeit verpflichtet ist, die über die Ausbildung hinausgeht, greift diese Argumentation. Auch das finanzielle Risiko hält sich in Grenzen, da sowohl das Widerspruchs- als auch das Gerichtsverfahren im Sozialrecht kostenfrei sind.

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2/2: Schwaches Argument gegen die Rückforderung

Das Verwaltungsverfahren konnte damit losgehen. Ich sandte zunächst einen schriftlichen Antrag an die Krankenkasse, der die wichtigsten Daten mit den entsprechenden Nachweisen (Lohnsteuerbescheinigungen und Zuweisungsbescheid) enthielt. Die Krankenkasse reagierte mit einem einzigen Argument, das sich im Lauf des Verfahrens nicht mehr wesentlich änderte: Die Höhe der Vergütung spreche für eine abtrennbare, von der Ausbildung unabhängige Nebentätigkeit. Mehr nicht. Für Referendare optimal, denn auf die Vergütungshöhe kommt es nach den Maßstäben des BSG überhaupt nicht an. Gegen den ablehnenden Bescheid erhob ich daher Widerspruch, gegen den wieder ablehnenden Widerspruchsbescheid Klage vor dem SG – alles auf Grundlage des ersten Antrags. Das gesamte Verfahren verlief erfreulich schnell: Das erste Schreiben datiert auf Februar, der Widerspruch auf März und der Widerspruchsbescheid auf Juni 2016. Der Erörterungstermin zu meiner noch im Juni erhobenen Klage fand im November 2016 statt – keine Spur von überlanger Verfahrensdauer vor Sozialgerichten.

Eindeutige Rechtslage, uneinsichtige Krankenkasse

Die Krankenkasse reagierte auf die Klageschrift zunächst nur mit pauschalem Verweis auf ihren Widerspruchsbescheid. Sechs Tage vor dem Erörterungstermin gab es dann doch noch eine Beklagtenstellungnahme. Diese enthielt einen Verweis auf nicht veröffentlichte sozialgerichtliche Urteile – die aber nur scheinbar für die Auffassung der Kasse sprachen. Aus der Ruhe bringen lassen muss man sich durch die angeführten Urteile nicht: Sie betrafen nämlich nur Fälle, in denen die Referendare umfangreiche vertragliche Abreden über Arbeitszeit, Kündigung und Urlaub mit den Kanzleien abgeschlossen hatten. Das war bei mir jedenfalls nicht der Fall. Nur ergänzend sei bemerkt: Höchstrichterlich geklärt ist die Rechtslage auch bei einer schriftlichen Vereinbarung über ausbildungsrelevante Leistungen nicht. Der Termin selbst dauerte nur 15 Minuten, die Vorsitzende hielt die Klage für begründet. Krankenkasse und beigeladene Rentenversicherung beschränkten sich inhaltlich auf die Widergabe ihrer Schriftsätze. Anerkennen mochten (oder durften?) die Prozessvertreter die Ansprüche nicht.

Urteil in neun, Geld in elf Monaten

Noch im November lag mir der Gerichtsbescheid vor, in dem die ablehnenden Bescheide der Kasse aufgehoben und diese zur Rückzahlung verpflichtet wurde. Die Berufungssumme von 750 Euro war bei mir nicht erreicht. Im Dezember wurde der Gerichtsbescheid rechtskräftig. Als Reaktion auf die Rechtskraft des Gerichtsbescheids erhielt ich von der Krankenkasse ein sechsseitiges, klein bedrucktes Formular zum Ausfüllen. Um dessen Sinn und Inhalt vollständig zu durchdringen, hat mir weder ein Universitätsstudium noch ein Referendariat geholfen. In Rückbesinnung auf allgemeines Verwaltungsrecht wies ich die Krankenkasse auf den rechtskräftigen Gerichtsbescheid sowie meinen jetzt wieder unbeschiedenen Antrag aus dem Februar hin und bat um baldige Neubescheidung. Das wirkte: Nach nicht einmal einem Jahr liegen 9,35 Prozent der Stationsvergütung nun dort, wo sie hingehören - auf dem Konto eines nicht rentenversicherungspflichtigen Referendars. Der Autor Jan Mysegades ist Assessor und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Martini an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf rechtlichen Fragen der Digitalisierung aus Sicht von Gesellschaft und Staat. Zum Nachlesen: BSG, Urt. v. 31.05.1978, Az. 12 RK 48/76 BSG, Urt. v. 31.03.2015, Az. B 12 R 1/13 R SG Berlin, Urt. v. 07.07.2015, Az. S 76 KR 1743/13 LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 22.06.2016, Az. L 1 KR 335/15 Rechtsgrundlage für die Rückforderung: § 26 Abs. 2 SGB IV i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und S. 2 Nr. 4 SGB VI Zuständigkeit der Krankenkasse: § 211 S. 1 Nr. 1 SGB VI Die Verjährungsregeln finden sich in § 27 Abs. 2 SGB IV

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