Plagiate in juristischen Doktorarbeiten

Auch der falsche Hut steht gut

von Hermann HorstkotteLesedauer: 3 Minuten
Mit dem Vorwurf von Plagiaten in Doktorarbeiten wird in Österreich grundlegend anders umgegangen als in Deutschland. Dort ist die Amtsverschwiegenheit ein höheres Gut als der Wunsch zur Aufklärung.

 iDie Ahnungslosigkeit ist gesetzlich vorgeschrieben: Vom Tübinger Rechtsprofessor Thomas Finkenauer vor ein paar Wochen nach einem Plagiatsfall in seinem Fachbereich gefragt, wusste der Dekan der Juristischen Fakultät in Innsbruck offiziell von Nichts. Das war keine Vergesslichkeit, sondern die Einhaltung der Amtsverschwiegenheit. "Diese ist in Österreich in der Verfassung in Art. 20 Abs. 3 verankert – und hat in ihrer großen Reichweite schon zu viel Kritik geführt, denn Österreich rangiert bei der Informationsfreiheit sicher auf den hinteren Plätzen. Derzeit wird gerade die Abschaffung der Amtsverschwiegenheit im Parlament verhandelt – im Moment gilt sie aber noch", sagt Georg Krakow, Partner bei der internationalen Anwaltskanzlei Baker & McKenzie in Wien. Die Amtsverschwiegenheit gilt danach nicht nur für Organe der Verwaltung, sondern auch für öffentliche Körperschaften – und damit auch für den Dekan einer Universität, heißt es. Dabei ist von Finkenauer angesprochene Fall seit gut zwei Jahren auf der Internetplattform vroniplag dokumentiert und durch die In- und Auslandspresse gegangen – immerhin wurde der Plagiats-Doktor Ronald Moeder mit seinem Innsbrucker Abschluss inzwischen Fachhochschulprofessor in Heilbronn.

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Evaluierung gesetzlich vorgesehen

Um seine Nachfrage war Finkenauer sogar im weiteren Sinne gebeten worden: Er war als einer von sechs externen Gutachtern nach Innsbruck gekommen, um die Leistungen und Fehlleistungen der Rechtswissenschaftlichen Fakultät zu überprüfen. Diese regelmäßige Kontrolle im Abstand von mindestens fünf Jahren ist im Österreichischem Recht vorgesehen, § 14 Universitätsgesetz (UG), die Uni darf sich die Prüfer dafür selbst aussuchen. Seit Ende Mai ist nun der Abschlussbericht der Kommission in Umlauf. Darin steht, dass das Ergebnis der Aufklärungsbemühungen von Plagiatsvorwürfen öffentlich begründet werden müsse. Das ist indes eine Forderung, die im groben Gegensatz zur üblichen Praxis in Innsbruck und auch in ganz Österreich steht. Weiter steht im Bericht: "Die Publikation der Untersuchungsergebnisse muss vorrangig sein gegenüber der Abschirmung durch Amtsverschwiegenheit, Datenschutz und Persönlichkeitsrechte Betroffener, um die Glaubwürdigkeit der Universität darzustellen. Das gelte besonders in Fällen wie dem des Fachhochschul-Professors, "die bereits hohen Öffentlichkeitsgrad erlangt haben und daher nicht mehr als geheim zu betrachten sind". In diesen Schlussfolgerungen macht unverkennbar das deutsche Beispiel Schule: So hatte die Universität Bayreuth den Abschlussbericht über den Plagiator und ehemaligen Bundeswirtschaftsministers Karl-Theodor zu Guttenberg 2011 sofort im Internet zur Diskussion gestellt. Auch als die Doktorarbeiten seiner Ministerkollegin Annette Schavan, des amtierenden Bundestagspräsidenten Norbert Lammert oder des derzeitigen Außenministers Frank-Walter Steinmeier ins Gerede kamen, haben die zuständigen Fakultäten dazu öffentlich Stellung bezogen.

Widerruf im Stillen abgelehnt

Tatsächlich hat die Uni Innsbruck im fraglichen Fall einen Widerruf des Doktortitels schon vor Monaten endgültig abgelehnt, allerdings ohne dies publik zu machen. Dieses Verhalten reiht sich ein in eine Serie ähnlich fragwürdiger Entscheidungen, die auch zugunsten deutscher Aspiranten getroffen wurden. Immerhin lässt der maßgebliche österreichische Gesetzeskommentar von Mayer zum Universitätsgesetz für die Zukunft erwarten, dass die Unis dort - früher oder später – zur Publizität übergehen. Dort heißt es in der Kommentierung zu § 14 UG: "Nach außen gerichtet sind Evaluierungen" -  wie die aktuelle von Finkenauer und Kollegen - "ein Instrument der Rechenschaftslegung als Leistungsnachweis gegenüber der Gesellschaft bzw. dem Staat".

Note rettet Plagiator

Von außen betrachtet erscheint der österreichische Doktortitel nicht zuletzt auch deshalb fragwürdig, weil die Note der Promotion den Plagiator vor dem Titelentzug bewahren kann. Denn laut Gesetz und Verwaltungsgerichtshof ist der erschlichene Doktorgrad nur dann abzuerkennen, wenn in Täuschungsabsicht "wesentliche Teile" der Arbeit ohne entsprechende Hinweise abgeschrieben worden sind. Das Plagiat ist dann "wesentlich", wenn die Dissertation mit wahrheitsgemäßen Zitatnachweisen den Prüfern weniger originell erschienen und deshalb wahrscheinlich schlechter benotet worden wäre. Hingegen sieht die deutsche Rechtsprechung keine solche Abwägung vor. Im Gegenteil ist eine "geltungserhaltende Reduktion", die sich an den wahren Kern oder Rest der Dissertation hält und die unakzeptablen Partien ausklammert, gänzlich unzulässig. Hierzulande ist vielmehr die nachgewiesene Täuschungsabsicht allein ausschlaggebend. Schon deshalb sitzt ein Doktorhut aus Innsbruck derzeit wesentlich fester auf dem Kopf als zum Bespiel einer aus Bayreuth. Der Autor Dr. Hermann Horstkotte arbeitet als selbständiger Journalist mit Schwerpunkt Hochschulthemen in Bonn. Er ist zugleich Privatdozent an der Technischen Hochschule Aachen.

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