Nach der Entscheidung des VG Göttingen

Repetitorien kämpfen gegen Haus- und Werbeverbot an der Uni

von Claudia KornmeierLesedauer: 5 Minuten
Mitte September kassierten Alpmann Schmidt und Kollegen eine Niederlage vor dem VG Göttingen. Das Gericht bestätigte ein Werbe- und Hausverbot der Universität gegen die privaten juristischen Repetitoren. Für diese grenzt das an Zensur. Neben einer besonders effektiven Werbemöglichkeit, die ihnen auch schon an der Uni Freiburg genommen wurde, geht es den kommerziellen Anbietern dabei auch "um's Prinzip".

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An der Uni in Göttingen soll es keine Werbung für juristische Repetitorien mehr geben. Hemmer hat es bereits getan, Alpmann Schmidt will "auf jeden Fall einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen. Die Entscheidung des VG überzeugt überhaupt nicht", meint Rechtsanwalt Frank Müller, Mitinhaber der norddeutschen Zweigstelle des Münsteraner Anbieters. Die Entscheidung ist die Bestätigung des Haus- und Werbeverbots, das die Universität in Göttingen im September 2009 zwei Repetitorien erteilte, soweit deren Mitarbeiter die Räume der Hochschule zu Werbezwecke beträten. Sie untersagte ihnen, Plakate zu kleben und Flyer zu verteilen. Die Repetitoren taten, was Juristen eben tun. "Zensur!", rief unter anderem Hemmer und focht das Hausverbot vor Gericht an. Vorläufig erfolgreich, denn das Verwaltungsgericht (VG) Göttingen hob die Verfügungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf. Die Universität habe sich zwei Anbieter herausgesucht, um ein Exempel zu statuieren, was gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verstoße. Bei einem Werbeverbot für private kommerzielle juristische Repetitorien müsse sich die Universität bitte etwas geschickter anstellen, meinten die Göttinger Richter (Beschl. v. 25.02.2010, Az. 4 B 10/10). Die Verantwortlichen nahmen sich die Worte der Richter zu Herzen und besserten nach. Nun traf das Verbot in Form einer Allgemeinverfügung alle kommerziellen juristischen Repetitorien. Das gefiel den Verwaltungsrichtern um einiges besser; in der Hauptsache wiesen sie die Klagen nun ab und bestätigten das Uni-Hausverbot gegen die Repetitoren (Urt. v. 20.09. 2012, Az. 4 A 258 und 259/09). Die Werbung der Repetitorien erwecke den Eindruck, das Lehrangebot der Universität reiche für einen erfolgreichen Studienabschluss nicht aus. Das erschüttere das Vertrauen der Studenten in die Leistungsfähigkeit der Universität, was diese nicht hinnehmen müsse.

Keine Rep-Werbung? An der Uni Freiburg längst Realität

Die Argumentation ähnelt der der Richterkollegen vom Oberlandesgericht Karlsruhe aus dem Jahr 2009. An der Universität in Freiburg nämlich ist die Absenz von Plakaten von Hemmer, Alpmann Schmidt oder Jura Intensiv längst Normalzustand. 2007 konnte der Juraprofessor Wolfgang Kaiser, der den Ausbau der fakultätseigenen Examensvorbereitung mit Engagement voran treibt, durchsetzen, dass die Universität das Unternehmen, das ihre Gebäude verwaltet, anwies, keine Werbeflächen mehr an Repetitorien zu vermieten. "Ein Aufruf zum Boykott!", protestierte einer der Anbieter und zog vor Gericht. Doch wie nun auch in Göttingen siegte die Universität, in Süddeutschland letztinstanzlich vor dem Oberlandesgericht (OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.05.2009, Az. 6 U 50/08). Die Hochschule wahre ein berechtigtes Interesse; denn sie nehme für sich in Anspruch, ihre Studenten selbst umfassend auf das erste Staatsexamen vorzubereiten, so dass eine zusätzliche, kommerzielle Vorbereitung nicht erforderlich sei. Lasse die Universität Werbung von Repetitorien in ihren Gebäuden zu, könne dies den Eindruck erwecken, dass sie selbst nicht bestreite, dass ihr Lehrangebot der Ergänzung durch private Unternehmen bedürfe. Wer ein berechtigtes Interesse wahrnehme, dessen Boykottaufruf könne aber nicht unbillig sein, so die Zivilrichter in Karlsruhe. Außerdem könnten die Repetitorien Studenten auch anders gezielt ansprechen, Flugblätter außerhalb der Universität verteilen oder Anzeigen in Zeitschriften und im Internet schalten. Das Gericht räumte jedoch ein, dass den privaten Anbietern in der Tat eine besonders effektive Werbemöglichkeit entzogen worden sei. Diese Argumentation ist von der der Verwaltungsrichter aus Göttingen nicht allzu weit entfernt, auch wenn letztere sich bei ihrer Entscheidung nicht am Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen orientierten.

Die Repetitoren kämpfen weiter: "Zu lapidar"

Dennoch wollen die Repetitoren die Göttinger Entscheidung nicht hinnehmen. Auch Rechtsanwalt Jussi Mameghani, Dozent bei Hemmer, konnten die Verwaltungsrichter nicht überzeugen. "Wir werben seit nunmehr zwei Jahrzehnten an der Uni Göttingen, ohne dass damit jemals die Effektivität und Güte der universitären Lehre in Frage gestellt worden wäre." Es bleibt abzuwarten, ob das zuständige Oberverwaltungsgericht Lüneburg diese Auffassung teilen wird. Immerhin haben die niedersächsischen Oberverwaltungsrichter schon im einstweiligen Rechtschutzverfahren ausgeführt, dass sich ein Repetitor wohl nicht darauf berufen könne, dass die Uni in den vergangenen Jahren vergleichbare Werbung nicht unterbunden habe. Dies allein hindere sie nicht, nun von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen (OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.07.2010, Az. 2 ME 167/10). Anwaltskollege Müller von Alpmann Schmidt meint, seltsam sei zum einen, dass die medizinische Fakultät der Universität ganz offen mit Repetitorien kooperiere und die Lehre teilweise vertraglich an diese delegiere. Zum anderen dürfe der mit dem Repetitorium nicht gleichzusetzende Verlag Alpmann Schmidt auch weiterhin werben. "Und unsere Skripten stehen ja auch in Konkurrenz zu den Zusammenfassungen aus dem Unirep." Müller hat außerdem noch eine alte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ausgegraben. 1987 führten die damals noch in Berlin ansässigen Richter aus, die staatliche Referendarausbildung erhebe de lege lata den Anspruch, den Referendar ohne zusätzliche eigene Examensvorbereitung bestmöglich auf die zweite juristische Staatsprüfung vorzubereiten. Eine ergänzende eigene Aus- und Fortbildung sei im Gegenteil nicht nur zulässig, sondern gar geboten. In der Sache ging es um einen Richter, der nebenbei als Repetitor arbeiten wollte (Urt. v. 29.10.1987, Az. 2 C 57/86). "Das VG Göttingen hat einfach gesagt: Nicht vergleichbar, das Urteil betreffe ja die Vorbereitung auf das zweite Staatsexamen. Das halte ich für zu lapidar", kritisiert der Jurist.

"Mundpropaganda ist viel wichtiger", aber "man muss da ein Zeichen setzen"

Trifft aber die Argumentation der Universität, die Repetitorien erweckten den Eindruck, das Lehrangebot der Universität reiche für einen erfolgreichen Studienabschluss nicht aus, nicht ziemlich genau die Intention von Alpmann Schmidt und Kollegen? "Wir würden nie behaupten, dass es nicht auch alleine geht. Aber eben nicht flächendeckend. Das Unirep bietet keine Garantie, dass alles dran kommt. Wir schon", sagt Müller. Angst vor einer weiteren Niederlage vor dem Oberverwaltungsgericht, sollte es denn so weit kommen, hat er nicht. "Das würde sicherlich nicht das Aus für uns bedeuten. Mundpropaganda ist viel wichtiger. Wie beim Arzt." Warum dann aber überhaupt der ganze Kampf? Da ist Müller ganz Jurist: "Es geht um‘s Prinzip. Das Werbeverbot grenzt an Zensur. Wir wollen, dass die Studenten selbst entscheiden können, wie sie sich auf das Staatsexamen vorbereiten wollen." Auch Mameghani ist zuversichtlich, dass selbst eine abweisende Entscheidung Hemmer nichts anhaben könnte. Den Rechtsweg möchte er trotzdem beschreiten. "Man muss da ein Zeichen setzen." Es könnten ja sonst noch andere Fakultäten auf ähnliche Ideen kommen.

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