Richtig lernen fürs Examen

Wege abseits der Kar­tei­k­arten

von Sabine OlschnerLesedauer: 5 Minuten
Unbestritten: Der Lernstoff fürs Staatsexamen ist enorm umfangreich. Noch schwieriger allerdings ist es, die passende Lernmethode und –struktur zu finden. Die viel beschworenen Karteikarten sind nämlich nicht unbedingt für jeden etwas.

Eva Prähofer studiert an der Universität Mannheim und hat gerade den schriftlichen Teil des Examens abgelegt. "Zunächst habe ich mir einen Überblick verschafft, wie viel ich für das Examen lernen muss, und mir dann einen Lehrplan erstellt, was ich bis wann geschafft haben will", berichtet die Jurastudentin. Darüber hinaus hat sie sich einmal wöchentlich mit einer Lerngruppe getroffen. "Wir waren eine bunt gemischte Gruppe, jeder hatte einen unterschiedlichen Wissensstand", so Prähofer. "Das führte dazu, dass wir uns gegenseitig Dinge erklärt haben." Und nicht zuletzt hat die angehende Juristin für die Examensvorbereitung ein Repetitorium besucht. "Hier habe ich viele Fälle bearbeitet, wodurch ich die Herangehensweise für die Falllösung verstanden habe." Karteikarten hat sie – im Gegensatz zu vielen ihrer Kommilitonen – für die Examensvorbereitung nicht benutzt. "Es hilft mir persönlich nichts, Dinge auswendig zu lernen – ich wollte vielmehr das Schema verstehen." Nach Ansicht verschiedener Experten hat die Studentin damit alles richtig gemacht. "Die Fülle an Lernstoff im Fach Jura ist so groß, da kann niemand alles wissen", ist Prof. Thomas Lobinger, Dekan der juristischen Fakultät an der Universität Heidelberg und Verantwortlicher des
Examensvorbereitungsprogramms HeidelPräp!, überzeugt. "Es geht im Examen auch gar nicht darum, Fakten auswendig zu lernen. Statt Reproduktion – das sture Nachbeten – zählt die Produktion, also die Einzelbetrachtung eines jeden Falls." Es gebe beim Behandeln von juristischen Fällen kein richtig oder falsch, betont Lobinger. Die Hauptsache sei eine gute Lösung, die auf dem richtigen Weg gefunden wurde. "Konzentration auf die Methoden statt auswendig lernen", ist daher sein wichtigster Tipp.

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Routine im Klausurenschreiben bekommen

Wie man die Methoden erlernt? "Durch üben, üben, üben", sagt der Dekan, und rät, so viele Klausuren wie möglich zu schreiben und diese auch korrigieren zu lassen. "Studierende sollten aktiv lernen, das heißt, sich die Fälle vor den Vorlesungen anschauen und Fragen vorbereiten. So lernt man, auch mit unbekannten Sachverhalten zurechtzukommen." Lerngruppen zu gründen, wie Eva Prähofer es getan hat, hält Lobinger ebenfalls für sinnvoll. "In solch einer Gruppe wird jeder mal zum Lehrer, wenn er Fälle für die anderen vorbereitet. Wer der Gruppe etwas erklären kann, hat es selber umso besser verstanden." Dass Methodentraining sinnvoller ist als das sture Auswendiglernen von Definitionen und Rechtsproblemen, davon ist auch Prof. Fritjof Haft überzeugt. Der früherer Ordinarius an der juristischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen plädiert in seinem Buch "Juristische Lernschule" unter anderem für das Normalfalldenken. Das heißt: Statt sich mit ausgefallenen Rechtsproblemen zu befassen, sollte man jedes Problem als Abweichung von einer "Normalität" begreifen und prüfen, ob diese Abweichung wesentlich ist oder nicht. Repetitorien hält Fritjof Haft für sinnlos, "weil Studierende dort unsystematisch lernen. Es nützt nichts, unzählige Problemfälle zu bearbeiten, weil der nächste Fall wieder ganz anders gelagert sein wird." Stattdessen empfiehlt er, Prüfungsgespräche zu simulieren. "Das ist weniger aufwendig, als viele Klausuren zu schreiben." Auch die Fertigkeit, frei zu reden und zu diskutieren, sollten Studierenden laut Fritjof Haft trainieren. "Das hilft ebenfalls, das strukturierte Denken zu üben."

Patentrezepte gibt es nicht

Für die beste Art zu lernen gibt es leider kein Patentrezept. "Es existieren unter anderem visuelle, auditive oder kommunikative Lerntypen", erklärt Lobinger. "Und manche lernen am liebsten mit der Nase im Buch. Hier muss also jeder seinen eigenen Lernweg finden." Dies ist an der Universität Heidelberg zum Beispiel in der Villa Vorbereitungsprogramms der Universität möglich. Die Hochschule hat dazu in einer Villa 50 Dauerarbeitsplätze für Examenskandidaten eingerichtet, an denen sie sich austauschen und gemeinsam lernen können. Das Angebot ist sehr beliebt – es gibt stets mehr Bewerbungen als zur Verfügung stehende Arbeitsplätze. Die Studierenden erhalten zudem einen Mentor zur Seite gestellt, mit dem sie alle drei Monate Gespräche über den Stand der Vorbereitung führen und eventuelle Änderungs- oder Verbesserungsmöglichkeiten erörtern können. Umfangreiche Repetitionskurse der Dozenten, Kleingruppentutorien der Assistenten, Klausurenkurse mit anschließender Korrektur sowie Examenssimulationen unter Echtbedingungen runden das Lernen dort ab.

In Häppchen arbeiten

Auch wenn es vielen Jurastudenten notwendig erscheint: Rund um die Uhr zu lernen ist in keinem Fall sinnvoll. Enno Heyken, Praxisleiter der Psychodiagnostischen Beratungspraxis in Hamburg, bietet unter anderem Lernberatung an und empfiehlt: "Halsen Sie sich nicht zu viel auf. Lernen Sie lieber in Häppchen von zwei bis drei Stunden, definieren Sie feste Pausen und bauen Sie auch Belohnungen ein." Heyken legt Studierenden nahe, sich einen genauen Zeitplan zu erstellen, wann welcher Stoff bearbeitet werden soll – so wie es auch Studentin Prähofer getan hat. "'Zwei Stunden morgens' ist dabei als Zeitangabe zu ungenau", so Heyken. "Legen Sie lieber eine konkrete Uhrzeit fest." Genau wie Lobinger ist auch Heyken davon überzeugt, beim Lernen die verschiedensten Sinneskanäle anzuregen. "Lesen Sie sich einen Text auch mal laut vor, denn dann wird der Inhalt gleich ganz anders im Gehirn verankert als nur beim stillen Lesen." Auch handschriftliche Aufzeichnungen oder das Aufnehmen von Texten mit einer Sprachsoftware können helfen, die Sinne zu aktivieren.

Wichtig: Das Zeitmanagement

Darüber hinaus sei das Zeitmanagement beim Lernen mit das Wichtigste. Heyken empfiehlt, im Falle des juristischen Examens ein Jahr vorher damit anzufangen, das Material zu strukturieren und erst ein halbes Jahr vorher tiefer einzusteigen, bevor in den letzten drei Monaten intensiv gelernt wird. "Was noch ins Kurzzeitgedächtnis hinein soll, lernt man am besten zwei bis vier Wochen vor der Prüfung, dann bleibt es auch hängen." So hat es auch Prähofer gemacht: "Am Ende habe ich alles noch einmal überflogen, um mir das Wichtigste kurzfristig einzuprägen." Sie hat ein halbes Jahr vorher mit dem Lernen begonnen und sich zwischendurch auch mal eine Woche Urlaub gegönnt. Die letzten eineinhalb Monate war sie dann fast jeden Tag in der Bibliothek. Die Ergebnisse liegen ihr zwar noch nicht vor. "Aber vom Gefühl her hat alles gepasst", meint sie zuversichtlich. "Das Wichtigste ist ohnehin, die Nerven zu behalten. Man muss sich immer sagen: Ich habe lange und hart für das Examen gelernt – das wird schon klappen!"

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