Als Jurist bei der Polizei

Schussweste statt Schönfelder

von Jens KahrmannLesedauer: 5 Minuten
Für viele ist der Beruf des Polizisten ein Kindheitstraum. Auch Volljuristen können ihn sich noch erfüllen. Der Bund sowie einige Länder suchen immer wieder juristisch ausgebildeten Nachwuchs. Das Jobprofil ist auch für Juristen denkbar breit: von der Einsatzleitung bei einer Großdemonstration über die Koordination von Streifenpolizisten bis hin zur Beantwortung von Rechtsfragen am Schreibtisch.

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Zunächst sah es so aus, als würde Simon Paetzelt später eher mit Schönfelder unterm Arm als mit Schussweste über der Brust arbeiten. Nach dem Abitur entschied sich der Berliner für ein Jurastudium an der Humboldt-Universität. Schon während seiner Studienzeit kam er aber zur Polizei – als Praktikant sammelte er dort Erfahrungen, die sein Interesse für das Berufsbild des Beamten im höheren Polizeivollzugsdienst weckten: "Die Vielfältigkeit der zu bewertenden Lebenssachverhalte und die Professionalität, mit denen sich meine jetzigen Kolleginnen und Kollegen den Aufgaben stellen, haben mich fasziniert."

Hindernisparcours und Assessment-Center

In Berlin können Juristen diesen Berufsweg einschlagen, ebenso etwa in Brandenburg, Niedersachsen und NRW, wenn Bedarf besteht. In Hamburg dagegen nicht. Voraussetzung sind zwei mindestens befriedigende Examina und die körperliche Verfassung muss stimmen: In der Sporteignungsprüfung müssen Männer in etwas weniger als neuneinhalb Minuten zwei Kilometer zurücklegen können, Frauen bekommen zwei Minuten mehr Zeit. Zudem ist noch ein Hindernisparcours zu bewältigen, der an den Turnunterricht in der Schule erinnert. Ob man die richtige Persönlichkeit für den Job ist, verraten psychologische Tests sowie ein Assessment-Center mit Rollenspielen. "Als Beamter im höheren Polizeivollzugsdienst hat man Führungsaufgaben und braucht entsprechende Menschenkenntnis. Man muss seine eigenen Vorstellungen durchsetzen können, aber gleichzeitig darauf achten, dass sich auch die einem anvertrauten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihnen identifizieren können", erzählt Paetzelt. Aber auch Entscheidungsfreude sei essentiell: "In der juristischen Ausbildung wird man darauf geschult, dass man alles hinterfragt und sehr viel nachliest. Dafür bleibt im Einsatz oft keine Zeit. Rechtsfeste Entscheidungen müssen dann sofort getroffen werden."

Nach dem Schießtraining das BWL-Modul

Rechtsassessoren, die in den höheren Polizeidienst wollen, müssen eine weitere Ausbildung durchlaufen, die in Berlin etwa eineinhalb Jahre dauert. Im ersten Jahr machen sich die Neulinge mit dem Aufbau und der Struktur der Polizeibehörde vertraut. Sie lernen die Dienststellen kennen und nehmen an Ausbildungsmodulen wie Verhaltenstraining oder einsatzbezogenem Schießtraining teil. Nach dem ersten Jahr geht es für sechs Monate an die Deutsche Polizeihochschule in Münster-Hiltrup – Pflichtstation für alle Führungskräfte in der Polizei. Dort beschäftigen sie sich unter anderem mit Betriebswirtschaftslehre, Management und polizeilicher Führungslehre. Paetzelt hat die Zeit in guter Erinnerung: "Man trifft dort mit Kolleginnen und Kollegen anderer Länderpolizeien und der Bundespolizei zusammen und kann sich austauschen. Gerade von den Erfahrungen der Aufstiegsbeamten, die schon wesentlich länger bei der Polizei sind, kann man profitieren."

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2/2: An der Spitze der Planung

Seit dem Abschluss seiner Ausbildungszeit ist der Berliner Polizist Leiter des Führungsdienstes auf dem Abschnitt 43, der zum Verwaltungsbezirk Steglitz-Zehlendorf gehört. "Für jeden Abschnitt der Polizei – man könnte auch Dienststelle sagen – gibt es einen Führungsdienst", erklärt der Polizeirat. "Als Leiter des Führungsdienstes trage ich unter anderem die Verantwortung dafür, dass alle ihm angegliederten Arbeitsbereiche effektiv arbeiten, dass gemeinsam festgelegte Ziele erreicht werden und dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrem Arbeitsbereich wohl fühlen." Einer dieser Arbeitsbereiche ist der sogenannte Einsatzdienst. Der organisiert den innerdienstlichen Betrieb und weiß stets, wer gerade wo in welchem Streifenwagen unterwegs ist. Außerdem laufen bei ihm die Planungen für umfangreiche Einsätze zusammen – beispielsweise wenn eine größere Demonstration ansteht. Ganz an der Spitze solcher Planungen steht Paetzelt. Seine Aufgabe ist es, den Einsatz bereits im Vorfeld durch umfangreiche Organisation auf sichere Beine zu stellen. "Ich muss als Polizeiführer sagen, wie ich mir die Durchführung des Einsatzes vorstelle und wer welche Entscheidungen trifft. Am Einsatztag selbst soll nach Möglichkeit nur noch ein Rädchen ins andere greifen."

"Ich bin lieber am Einsatzort"

Für den Polizeiführer gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder sitzt er in der Einsatzzentrale, lässt sich über Funk unterrichten und gibt von dort aus Anweisungen, oder er begibt sich ebenfalls an den Einsatzort. "Ersteres hat den Vorteil, dass es in der Regel etwas ruhiger ist, weil man nicht unmittelbar im Geschehen involviert ist", erläutert der Berliner. "Ich bin lieber am Einsatzort. Dort sehe ich einfach viel mehr und kann nachverfolgen, ob meine Vorschläge fruchten und wo die Probleme liegen. Außerdem ist es ein wichtiges Signal für die Mitarbeiter zu sehen, dass ihr Vorgesetzter nicht nur am Schreibtisch sitzt." Dem jungen Polizeirat ist bewusst, dass seine Arbeit damit kaum weniger gefährlich ist als die eines Streifenbeamten. "Menschen, die bereit sind, Gewalttaten gegenüber Polizisten zu begehen, interessieren sich nicht für deren Dienstgrad. Im Außendienst können immer gefährliche Situationen entstehen." Auch das macht die Tätigkeit für Paetzelt interessant. "Wir haben als Hauptstadtpolizei täglich eine große Zahl auch an unerwarteten Sachverhalten zu bewerten und zu lösen, so dass kein Tag dem anderen wirklich gleicht – bei uns gibt es keinen Alltag."

Polizist mit Leib und Seele

Wer glaubt, dass man als Akademiker bei der Polizei in einem Elfenbeinturm sitzt, der irrt. Berührungsängste zwischen Seiteneinsteigern und Aufstiegsbeamten oder den Beamten verschiedener Laufbahngruppen gibt es nämlich kaum: "In heißen Situationen vertraue ich meinem Nebenmann unabhängig davon, welchen Dienstgrad er auf der Schulter hat und unabhängig davon, welcher Weg ihn zur Polizei geführt hat." Paetzelt findet ohnehin, dass ein hierarchischer Behördenaufbau und eine angenehme Arbeitsatmosphäre keine Gegensätze sind: "Unsere Führungsorgane aller Ebenen setzen in ihren Entscheidungen auf Transparenz und Offenheit in der Diskussion. Das ist auch unerlässlich, wenn die Ergebnisse strittig diskutierter Sachthemen gemeinsam getragen werden sollen." Wie in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes gibt es auch bei der Berliner Polizei ein Rotationsprinzip. Gerade als jüngerer Kollege muss man damit rechnen, spätestens nach drei Jahren versetzt zu werden. Paetzelt könnte also demnächst im Stabsbereich landen, wo vorwiegend am Schreibtisch gearbeitet wird und Rechtsfragen zu beantworten sind. Außeneinsätze wären dann die Ausnahme. Aber auch das schreckt ihn nicht ab. Denn wie viele Kollegen kann er sich mit dem Bild des Polizisten voll und ganz identifizieren. Dass seine Berufswahl die Richtige war, da ist er sich sicher – egal an welchen Dienstort es ihn verschlagen sollte.

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