Reform des Jurastudiums

Anwalts­recht auch end­lich mal prüfen

von Kristina Trierweiler, LL.M. Lesedauer: 4 Minuten
Jeder zweite Volljurist wird Rechtsanwalt. Dessen Berufsrecht und Perspektive kommen im Examen aber viel zu kurz, findet Kristina Trierweiler. Sie hofft, dass sich mit den Reformvorhaben in der Juristenausbildung mal spürbar etwas ändert.

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Im November 2016 hat die Justizministerkonferenz (JuMiKo) den Bericht ihres Koordinierungsausschusses (KOA) zur Reform des Jurastudiums abgesegnet. Danach sollen der Zeit- und Prüfungsaufwand für das Schwerpunktstudium auf 16 Semesterwochenstunden (SWS) beziehungsweise drei Prüfungsleistungen reduziert werden. Auch soll die Note nur noch zu 20 anstatt wie bisher mit 30 Prozent in das Ergebnis der ersten juristischen Prüfung zählen. Zudem ist geplant, den Pflichtstoff in beiden Staatsexamen zu reduzieren. Im Assessorexamen sollen zusätzlich das anwaltliche Berufsrecht in seinen Grundregeln, die Berufspflichten nach der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA), das anwaltliche Gebührenrecht im Überblick sowie die rechtsberatende Praxis in den Pflichtstoffgebieten Gegenstand der zweiten Staatsprüfung sein. Im Herbst 2017 soll der KOA wieder an die JuMiKo berichten und bis dahin Kritik und Anregungen aus Lehre und Praxis berücksichtigen. Genug Zeit, um Experten zu Wort kommen zu lassen. Kristina Trierweiler, LL.M. ist Rechtsanwältin und Geschäftsführerin der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK). Dort betreut sie den Ausschuss Juristenausbildung. Da mehr als jeder zweite Volljurist anwaltlich tätig wird, befürwortet sie die grobe Richtung, in die die Vorschläge des KOA gehen: künftig besser auf den Anwaltsberuf vorzubereiten. Sie befürchtet allerdings, dass das alles graue Theorie bleiben könnte:

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2/2: Mehr Fokus auf juristische Arbeitsweise im Studium

Der JuMiKo ist darin zuzustimmen, dass der Bericht des KOA eine sachgerechte Diskussionsgrundlage für eine weitere Angleichung der Prüfungsbedingungen sowie eine weitere Harmonisierung und Begrenzung des Pflichtstoffs der juristischen Prüfungen darstellt. In der Tat muss der Pflichtstoff auf ein angemessenes Maß reduziert werden. Wichtig ist deshalb, dass den Studierenden ein solides Überblickwissen vermittelt wird, anhand dessen sie sich das Systemdenken aneignen und die juristische Methodik trainieren können. Sie müssen noch mehr als jetzt lernen, aus einem großen Sachverhalt das Wesentliche herauszudestillieren, formal sauber zu arbeiten und strukturiert zu denken. Gerüstet mit diesem Handwerkszeug gelingt es ihnen dann auch später, sich in jedes fremde Rechtsgebiet einzuarbeiten. Nach § 5d Abs. 1 Satz 2 Deutsches Richtergesetz (DRiG) ist auch die Einheitlichkeit der Prüfungsanforderungen und der Leistungsbewertung zu gewährleisten. Dem widerspricht, dass an den Universitäten mittlerweile 351 verschiedene Schwerpunktbereiche mit unterschiedlichsten Prüfungsanforderungen existieren. Angesichts dieser Ausuferung fällt es schwer, eine Vergleichbarkeit herzustellen. Es ist selbstverständlich sinnvoll, wenn Studierende frühzeitig ihr Profil schärfen und sich intensiv mit einem Rechtsgebiet befassen, das den persönlichen Neigungen entspricht. Auch sind die Schwerpunktbereiche dafür gut, mit den Professorinnen und Professoren in Kontakt zu kommen, was in den Vorlesungen weniger möglich ist. Allerdings ist die Studiendauer nach Einführung der Schwerpunktbereiche gestiegen. Die Studierenden unterbrechen ihr Studium, um sich dem Schwerpunktbereich zu widmen.

Berufsrecht im Examen auch wirklich abfragen

Die Schwerpunktbereiche dürfen die Studierenden aber eben nicht dazu animieren, grundlegende Fähigkeiten in den Fächern Bürgerliches Recht, Öffentliches Recht und Strafrecht zu vernachlässigen. So wäre zur Herstellung der Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit denkbar, konkrete Vorgaben zu den Schwerpunktbereichen im Deutschen Richtergesetz zu machen. Eine solche Beschränkung der Inhalte könnte sich beispielsweise an den Rechtsgebieten orientieren, in denen auch der Titel des Fachanwalts verliehen wird. Der KOA-Bericht führt zutreffend aus, dass weit über die Hälfte der Absolventen nach dem Assessorexamen den Beruf des Rechtsanwalts ergreift. Vor diesem Hintergrund ist es mehr als überfällig, das anwaltliche Berufs- und Gebührenrecht im Prüfungskanon des zweiten Examens zu verankern. Auch die Berücksichtigung der rechtsberatenden Praxis in den Prüfungen, wie es § 5d Abs. 1 Satz 1 DRiG normiert, ist sehr zu begrüßen. Es ist gut, wenn künftig die anwaltliche Tätigkeit und Sichtweise im Zivilprozess, in der Zwangsvollstreckung, im Strafverfahren sowie im Verwaltungs- beziehungsweise verwaltungsgerichtlichen Verfahren und die rechtsgestaltende Tätigkeit von Rechtsanwälten Gegenstand der zweiten Staatsprüfung sein wird. Denn die Anwaltsorientierung nimmt aktuell noch immer zu wenig Raum im Studium und in den Prüfungen ein. Es werden zu wenige Klausuren aus anwaltlicher Sicht gestellt, die mündlichen Prüfungen beider Examina werden zu selten von anwaltlichen Prüfern abgenommen. Es genügt nicht, die rechtsberatende Praxis in den Prüfungskatalog aufzunehmen, wenn sie faktisch nicht oder nur äußerst selten geprüft wird. Entscheidend ist, dass das Wissen in den Prüfungen auch tatsächlich abgefragt wird, Studenten also damit rechnen müssen. Da Examenskandidaten erfahrungsgemäß nur lernen, was auch geprüft wird, ist das Anwaltsrecht bisher im Wesentlichen dem "Lernen auf Lücke" zum Opfer gefallen.

Mehr Zeit für Praxistests

Erfreulich ist, dass der KOA empfiehlt, für die Teilnahme an einem Moot Court oder an einer Rechtsberatung im Rahmen einer Law Clinic ein Semester unberücksichtigt zu lassen. Beides sind Modelle, die Theorie und Praxis wunderbar miteinander verzahnen. Die Studierenden können bereits in einem frühen Stadium anhand "echter Fälle" das theoretisch erlangte Wissen durch Praxiserfahrung anreichern und sich in strategischem Denken, Gesprächsführung und Problembewusstsein üben. Insgesamt kommt die Anwaltsorientierung im Jurastudium zu kurz. Die gemachten Reformvorschläge gehen in die richtige Richtung, widersprechen sich aber auch: Bisher haben die Universitäten das Anwalts- und Berufsrecht durch die Einbeziehung von Rechtsanwälten in die Lehre umgesetzt, vorzugsweise in den Lehrveranstaltungen der Schwerpunktbereiche – deren Umfang wiederum reduziert werden soll. Dabei muss die juristische Ausbildung stets von dem Leitgedanken der Qualitätssicherung geprägt sein und sich gegebenenfalls Entwicklungen anpassen. Dazu gehört auch, das Gros der Absolventen, das eben nicht in den Staatsdienst geht, bestmöglich auf den Berufseinstieg vorzubereiten.

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