Examen ohne Repetitor

Keine Angst vorm selbständigen Lernen

Lesedauer: 5 Minuten
"Examen ohne Repetitor" – in diesem Buch steckt mehr, als der Leser auf den ersten Blick denken mag. Es will nicht nur Ratgeber, sondern auch kritische Mahnschrift sein und den Jura-Studenten einen anderen Weg jenseits der scheinbar unvermeidlichen kommerziellen Repetitorien aufzeigen. LTO sprach mit Mitautor Matthias Lehnert über Motivation, Lernpläne und Examensglück.

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Die juristische Ausbildung in ihrer heutigen Form geht zurück auf die Zeit des preußischen Königs Friedrichs II. Der Monarch misstraute dem Berufsstand und wollte die Kontrolle über die Ausbildung haben, weshalb er den Zugang zum Richteramt und zugleich die Maßstäbe für die gesamte Juristenschaft regelte. Auch das Buch "Examen ohne Repetitor" geht weit in der Geschichte zurück, um festzustellen, dass es im Laufe der Jahre im Bereich der juristischen Ausbildung wenig Reformen gab. Dafür aber stieg die Stofffülle und der Druck auf Examenskandidaten immer mehr. "Es ist die Angst, die viele Leute in ein kommerzielles Repetitorium treibt", prangert Matthias Lehnert, einer der vier Buch–Autoren, das juristische Ausbildungssystem an. "Allein in den letzten Jahrzehnten haben Regelungen und examensrelevante Rechtsprechung extrem zugenommen. Ein Großteil fällt durch die Prüfungen - aber wir sollen möglichst noch schneller studieren." Das Prüfungskonzept sei absurd konzipiert, viel hänge von Tagesform und Glück ab, und dann würde man nach bestandener Prüfung sowieso die meisten der mühselig gelernten Details wieder vergessen. "Viel sinnvoller wäre es, wenn man die Stofffülle reduzieren und der Student sich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren könnte", meint Lehnert, der gerade an seiner Doktorarbeit schreibt. "Es kommt darauf an, sich in Dinge hineinzuarbeiten. Ein Gesamtverständnis zu entwickeln. Mehr Eigenständigkeit wäre ein wichtiger Ansatzpunkt. Stattdessen wird durch die engen Vorgaben und den starken Druck den Studierenden jede Möglichkeit genommen, frei zu denken." Lehnert hat wenig Hoffnung, dass sich in nächster Zeit dahingehend etwas ändert. "Man sollte viel öfter auf die Miseren hinweisen – anstatt Examensängste und Sorgen als selbst verschuldet wahrzunehmen. Und genau das wollen wir mit unserem Buch machen."

Kommerzielle Repetitorien als Nutznießer

Von den Nöten der Studenten profitieren nach Matthias Lehnerts Meinung vor allem kommerzielle Repetitorien. Nach dem Motto "Gib uns Geld und du hast dein Examen schon in der Tasche" werben kommerzielle Anbieter. Dieses Geschäft mit der Angst sei "reine Augenwischerei". Was im Examen geprüft werde, ergebe sich ohnehin aus den Ausbildungsordnungen. Was in den Repetitoriums-Skripten und Unterlagen steht, würde man auch in Lehr- und Falllösungsbüchern finden. "Allerdings mit dem Unterschied, dass ich das Ganze auf meine Bedürfnisse und Wissenslücken abstimmen kann." Natürlich könne es je nach Lerntyp sinnvoll sein, den Stoff noch einmal in einem Kurs zu hören – dafür gebe es jedoch auch Angebote der Universitäten. Es herrsche sogar eine erstaunliche Vielfalt, obwohl an manchen Unis natürlich noch Nachholbedarf bestehe. "Der Vorteil der universitären Repetitorien ist, dass ich mir je nach Bedarf zusammenstellen kann, was ich brauche. Wenn der Dozent oder die Unterlagen gut sind, gehe ich hin - ansonsten eigne ich mir den Stoff selbst an." Vor allem gebe es aber eine dritte Alternative neben Repetitorium und Alleinlernen – die Arbeitsgemeinschaft.

Alternative: Lerngruppe!

"Der Vorteil einer Lerngruppe ist, dass man sich mit anderen Teilnehmern überlegen kann, wie gelernt wird und welche Schwerpunkte gesetzt werden. Jede Lerntheorie bestätigt, dass es unheimlich effektiv ist, den Stoff selbst zu präsentieren und zu diskutieren. Dadurch ist man gezwungen, etwas beizutragen. Da bleibt viel mehr hängen als beim Frontalunterricht, wo ich vielleicht auch mal eine Frage der Dozentin beantworten muss - aber viel seltener und weniger individualisiert." Außerdem sei die Arbeitsgemeinschaft eine gute Vorbereitung für die mündliche Prüfung. Und man sollte nicht die soziale Komponente unterschätzen: In einer AG kann man sich gegenseitig unterstützen und stärken. "Natürlich gibt es Menschen, denen ein intensives gemeinsames Lernen nicht liegt. Dann gibt es aber immer noch die Möglichkeit, der AG einen nicht so hohen Stellenwert einzuräumen. Folglich trifft man sich eben nur zur gemeinsamen Falllösung. So habe ich es zum Beispiel gemacht." Und damit fuhr Matthias Lehnert nicht schlecht – er schaffte im ersten Staatsexamen das Prädikat "Gut". Trotzdem war der schönste Moment für ihn, als alles vorbei war. "Der ständige Fokus auf die Klausuren. Der Riesenberg an unbewältigter Arbeit, der nicht kleiner werden will. Die Auseinandersetzung mit den Details – das nimmt einen schon mit." Wichtig sei es deshalb, dass man neben dem Lernen den Spaß und die Freude nicht vergisst. Lehnert selbst war bei den "Kritischen Juristen" politisch aktiv und kann jedem nur empfehlen, sich einen Ausgleich zu schaffen. Selbst, wenn man im Zweifel sogar psychologische Beratung heranziehen muss. "Eine professionelle Unterstützung kann unheimlich hilfreich sein. Es gibt Schwächephasen, Selbstzweifel und Ängste, die man auch mit Hilfe der eigenen Freunde nicht bewältigen kann – und ein psychosozial geschulter Berater hat nochmal einen viel objektiveren Blick auf die Sache." Erfreulicherweise gebe es an den meisten Universitäten mittlerweile solche Angebote. "Diese Hilfe wahrzunehmen, ist kein Schwäche-Eingeständnis, sondern einfach nur konstruktiv."

Leitfaden für den individuellen Erfolg

Im Buch geben die Autoren deshalb einen Leitfaden, wie man den Weg individuell planen kann, ohne zu verzweifeln. "Lernerfolg setzt zunächst einmal voraus, dass die eigenen Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Und das geht am besten, ohne die vorgefertigten Konzepte der – kommerziellen wie universitären – Repetitorien. In jedem Fall ist es ein unbewiesenes Gerücht, dass nur besonders intelligente Menschen die Examensvorbereitung ohne Repetitorium bewältigen können." Auf den Repetitor zu verzichten erfordere zwar Mut und Selbstvertrauen. Aber während der Examensvorbereitung müsse es einem nicht zwangsläufig schlecht gehen – wie anscheinend viele Studenten denken. "Die Examensvorbereitung ist bestimmt kein Urlaub, aber ich muss mich auch nicht quälen, um mich gut zu fühlen. Es lernt sich immer besser, wenn ich dosiert arbeite und genügend Pausen mache." Matthias Lehnert betont jedoch, dass sein Buch - anders als die kommerziellen Repetitorien es manchmal tun - keine Garantie dafür sei, dass man das Examen bestehe. Wichtig sei insbesondere ein guter Plan. Für viele Menschen sei es sinnvoll, sich vorab zu überlegen, was gelernt wird. Vor allem weil es eine gewisse Sicherheit gibt. Ebenso wichtig sei aber auch, Flexibilität zu wahren, denn man könne nicht immer vorhersehen, wie lange man für etwas braucht. "Je nach Gusto. Einer der Interviewpartner aus unserem Buch hat jeden Morgen aufs Neue entschieden, was er lernen wollte – und ist damit sehr gut gefahren." Letzten Endes kommt es also nur darauf an, auf sich selbst zu hören. Mit dem Buch wollten die Autoren also nur einen Leitfaden formulieren, Alternativen zu den gängigen Konzepten vorstellen und aufzeigen, dass man sich nicht ausliefern muss. Denn letztendlich sei das Examen eben auch Glückssache. Jährlich fielen ein Viertel aller Prüflinge durch - und das, obwohl die meisten beim Repetitor waren. Vor allem aber gelte es durchzuhalten, meint Matthias Lehnert. "Manchmal ist schon die erste Klausur entscheidend. Wenn die schlecht läuft, kann die Motivation für die nächsten Klausuren bereits im Keller sein. Das kann allerdings beim nächsten Versuch ganz anders laufen. Ich kenne viele Leute, die ihre Punktzahl beim zweiten Mal mehr als verdoppelt haben. Und ich glaube nicht, dass sie beim ersten Anlauf nur halb so gute Juristen waren." Mehr auf LTO.de: Berufsperspektiven ohne juristisches Staatsexamen: Wie ein Friseur mit Haarspray-Allergie Juristenausbildung: Vier gewinnt nicht Juristenausbildung: Jeder Vierte macht in Berlin ein Prädikatsexamen

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