Einzelrepetitorien

Jura unter vier Augen

von Jens KahrmannLesedauer: 4 Minuten
Die meisten Jurastudenten stellen sich früher oder später die R-Frage: Nicht ob, sondern zu welchem Repetitor sollen sie gehen? Ein kleiner Teil von ihnen wählt die Variante des Individualunterrichts und legt dafür stolze Summen auf den Tresen. Wir wollten mehr wissen über die Einzelrepetitorien und bekamen bei der Recherche so manches Vorurteil widerlegt.

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Für einen Jahreskurs bei einem der herkömmlichen großen Repetitoren mit Präsenzveranstaltungen muss man zwischen 1.500 und 2.000 Euro einplanen. Eine ganze Menge für einen durchschnittlichen Studenten, vor allem wenn man bedenkt, dass man dafür wahlweise eine Komplettausrüstung von Apple oder einen zweiwöchigen Luxusurlaub in Dubai bekommt. Schon im Preis unterscheidet sich das Einzelrepetitorium deutlich von den herkömmlichen kommerziellen Lernveranstaltungen: 7.800 Euro verlangt  etwa das Hannoveraner Repetitorenehepaar Muhs & Riesen für einen 130-stündigen Examenskurs. Und ein vier bis achtstündiger Nachhilfetag beim Repetitorium "Jura individuell" kostet 360 Euro – bundesweiter Hausbesuch inbegriffen. Wieder andere wie Hemmer in Hamburg verzichten ganz auf konkrete Preisangaben und verweisen auf individuelle Vereinbarungen. Doch was bekommt der Jurastudent für sein Geld?

Maßgeschneiderte Betreuung

Wer zumindest einmal bei den großen Repetitoren Probe gehört hat, der weiß, dass sich der dortige Betrieb von klassischen Vorlesungen nur teilweise unterscheidet. Auch dort sitzen je nach Standort bis zu 50 Leute in einem Raum und können somit während der Präsenzveranstaltungen auf Berieselungsmodus umschalten – mit entsprechend geringem Lerneffekt. Bei Einzelrepetitorien kann man sich naturgemäß nicht zurücklehnen, sondern muss mitmachen. Wesentlicher Vorteil eines solchen Repetitoriums ist laut Alexander Muhs außerdem, dass die Teilnehmer ganz individuell gefördert werden könnten, und dass dabei auf persönliche Schwächen eingegangen werden kann. Apropos individuell: Viele Einzelrepetitorien spulen kein starres Kursprogramm ab, sondern orientieren sich an den Wünschen des Nachwuchsjuristen. Aber auch ganz grundlegende Arbeit wird vom Einzelrepetitor geleistet: Peter Rellensmann von Jura Individuell etwa sieht als eine seiner Aufgaben die Erstellung eines Lernplanes. "Es geht zudem viel um Begleitung der Eigenarbeit, indem man zum Beispiel als Ansprechpartner zur Verfügung steht." Schließlich spielt die omnipräsente Angst unter den Examenskandidaten eine große Rolle. "Bei mir sind viele Studierende, die eigentlich fachlich fähig sind, aber große Prüfungsangst haben und dadurch am Lernfortschritt gehindert werden. Im Individualunterricht kann man darauf eingehen", so Rellensmann.

Einzelrep nicht nur für Wackelkandidaten und Schnösel

Das verbreitete Vorurteil, dass Einzelrepetitorien primär von leistungsschwachen Nachwuchsjuristen in Anspruch genommen würden, ist allerdings falsch. Muhs & Riesen etwa werden nach eigenen Angaben nur zu einem Drittel von Studenten besucht, die bereits einen erfolglosen Examensversuch hinter sich haben. Daneben gebe es eine Reihe von Kursteilnehmern, die früher ihr Glück bei einem der großen Repetitoren versucht  hätten und nun für den Verbesserungsversuch das individuelle Programm beanspruchen. Der promovierte Rechtsanwalt Uwe Schlömer aus Hamburg, der unter anderem Hemmer-Individualkurse betreut, sagt uns außerdem, dass auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Teilnehmer sehr unterschiedlich seien. "Man kann also nicht sagen, dass wir nur Teilnehmer aus bestimmten Schichten hätten" Ein Befund, den uns auch die anderen beiden Einzelrepetitoren bestätigen. So viel zum Gerücht, dass der Individualunterricht nur von den Reichen besucht würde. Auch sonst ist der Teilnehmerkreis heterogener als man vermuten würde, denn nicht nur Examenskandidaten buchen den Individualunterricht: Peter Rellensmann hat die Erfahrung gemacht, dass inzwischen auch immer mehr Studierende während des Studiums zur Vorbereitung auf bestimmte Klausuren gezielt seine Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Besonders gefragt seien dabei zivilrechtliche Themen und dort insbesondere das Schuldrecht. Überraschend ist auch die bisweilen nicht unerhebliche Rolle der Eltern bei der Organisation des Studiums. Laut Rellensmann kommt es durchaus öfter vor, dass sich besorgte Eltern von jungen Nachwuchsjuristen bei ihm melden und längerfristige Arrangements initiieren – mitunter sogar schon zu Beginn des Studiums.

Individualunterricht als Wachstumsbranche

Klar ist, dass das Angebot einer individuellen und fortlaufenden Betreuung gerade von öffentlichen Universitäten nicht geleistet werden kann. Auf der anderen Seite bieten immer mehr Universitäten zumindest so genannte Klausurenkliniken an. Auch dort werden die Studenten in Bezug auf die schriftlichen Prüfungsleistungen individuell beraten – kostenlos. Dennoch boomt das Geschäft mit der Bildung: Uwe Schlömer von Hemmer im Hamburg verrät uns, dass die Individualkurse besser laufen als je zuvor. Warum das so ist, wisse er selbst nicht genau. "Vielleicht liegt es an den abgeschafften Studiengebühren. Es scheint aber allgemein so zu sein, dass Studierende bereit sind, mehr Geld in ihre Ausbildung zu investieren." Angesichts der angespannten Lage auf dem juristischen Arbeitsmarkt ist das nicht unverständlich. Und in Zeiten hoher Inflationsraten, niedriger Basiszinsen sowie eines angespannten Arbeitsmarktes ist das Investment ins eigene Hirn womöglich die ertragreichste Anlagemöglichkeit. Aber genau wie echte Geldanlagen wollen auch hohe Investitionen für die Weiterbildung wohlüberlegt sein.

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